Abzocke des „kleinen Mannes“

CDU/CSU und FDP wollen vor allem „TOP“-Verdiener*innen entlasten
Die Armen werden ärmer, die Reichen immer reicher. Seit Jahrzehnten geht das so. Die Auswirkungen der Corona-Krise haben diesen Trend noch einmal spürbar beschleunigt.
Während Arbeitnehmer*innen in der Pflege, in den Supermärkten aber auch in den produzierenden Bertrieben dem Virus ausgesetzt waren, hielten die Superreichen die Taschen auf. Einer Studie des französischen Beratungsunternehmens Capgemini zufolge wurde im vergangenen Jahr erstmals die Marke von 20 Millionen Millionären weltweit überschritten. Ihre Vermögen wuchsen auf einen akkumulierten Gesamtwert von 80 Billionen US-Dollar – viermal so viel wie das US-Bruttoinlandsprodukt in der größten Volkswirtschaft der Welt.
Auch in Deutschland gehören die Milliardäre zu den großen Krisengewinnlern. Die 190 deutschen Dollar-Milliardäre konnten ihr Nettovermögen während der Pandemie noch einmal um fast 100 Milliarden US-Dollar steigern – also fast 500 Millionen US-Dollar pro deutschem Milliardär. Diese Zahlen, aber auch die Wahlprogramme der Parteien hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen für die Bürger*innen, unterstreichen wie wichtig es ist, die soziale Ungleichheit in Deutschland zum zentralen Thema im Bundestagswahlkampf zu machen. Denn je nachdem wer nach der Wahl regieren wird, entscheiden sich Fragen wie „wer zahlt die Zeche für die Corona-Pandemie“ oder „was haben die Arbeitnehmer*innen künftig im Portemonnaie“.
Die Ökonomen des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim rechneten im Auftrag der Süddeutschen Zeitung zentrale Vorschläge jener fünf Parteien durch, die nach der Wahl Chancen auf eine Regierungsbeteiligung haben. „Die Parteien haben sich eindeutig entschieden, wo sie bei der Verteilungspolitik stehen“, sagte Sebastian Siegloch vom ZEW. Von den Vorschlägen der CDU/CSU und der FDP zur Steuer-, Familien- und Sozialpolitik würden höhere Einkommen besonders stark profitieren.
Aus den Wahlprogramm und zusätzlichen Unterlagen geht hervor, dass die Union plant, Haushalte mit 150.000 bis 250.000 Euro Bruttoverdienst im Jahr um durchschnittlich 5000 Euro besser zustellen. Damit würde die Union Gutverdiener prozentual vier Mal so stark entlasten wie knapp 80 Prozent der steuerpflichtigen Bevölkerung, für die sie weniger Finanzplus vorsehe.
Für „C“-Parteien ein erbärmliches Programm, entsprechend attestierte die Zeitung in einem Leitartikel den Unionsparteien CDU und CSU ein „kaltes Herz“. Die FDP verspricht ein Vielfaches dessen, was die Union plant, vor allem für die oberen Schichten.
Die Union will den Solidaritätszuschlag streichen, den nur noch die sehr Wohlhabenden zahlen. Es ist ein „völliger Unfug“, den Soli jetzt „auch für Topverdiener abschaffen zu wollen“, kritisierte DGB-Chef Reiner Hoffmann. „Zehn Milliarden Euro würden dem Staat an Steuereinnahmen fehlen, die dringend für Investitionen benötigt werden.“
Für die Unions-Parteien ist die Soli-Abschaffung Teil eines „Entfesselungspakets“ für die Wirtschaft. So sollen die Steuern für Unternehmen um 5 Prozentpunkte fallen, was etwa 17 Milliarden Euro kosten würde, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ausgerechnet hat. Gleichzeitig sollen Unternehmen von „Bürokratiekosten“ in Milliardenhöhe entlastet werden. Die Lohnzusatzkosten sollen „auf einem stabilen Niveau von maximal 40 Prozent“ gehalten werden. Grundsätzlich gilt bei den Programmen von CDU/CSU und FDP: Je mehr ein Haushalt verdient, desto größer wäre der Betrag, den er künftig mehr bekommt. Setzten sich bei den Wahlen Union und Liberale durch, würde die Kluft zwischen arm und reich weiter anwachsen. Die Programme der Union und der FDP sind eine Abzocke des „kleinen Mannes“.
CDU und FDP nehmen der ZEW-Studie zufolge eine zusätzliche Verschuldung des Staates in Kauf, um die Entlastung der TOP-Verdiener und Gewinner der Pandemie-Krise zu finanzieren. Die Politiker der bürgerlichen Parteien setzen dabei auf die irrige Annahme, dass durch Steuersenkungen für Topverdiener zusätzliches Wirtschaftswachstum entsteht und dadurch mehr Geld in die Steuerkassen fließt.
Bei Grünen und SPD können Haushalte der Studie des ZEW zufolge bis in die Mittelschicht hinein mit einem größeren Plus im Portemonnaie rechnen. Haushalte mit schwachen und mittleren Einkommen sollen stärker entlastet werden. Ein Paar etwa, das 40.000 Euro im Jahr verdient und zwei Kinder hat, hätte 3000 bis 4000 Euro mehr in der Geldbörse als jetzt. Zur Gegenfinanzierung würden besserverdienende Haushalte mit mehr als 150.000 Euro Jahreseinkommen von den Mitte-links-Parteien stärker belastet. Der Linken schwebt gar ein Spitzensteuersatz von 75 Prozent vor – und eine Vermögenssteuer von fünf Prozent. Doch für alle drei Parteien gilt: Je ärmer ein Haushalt ist, desto größer das finanzielle Plus. Würden diese Pläne umgesetzt, sinkt das Armutsrisiko in Deutschland.
„Wir müssen die normalen Arbeitnehmer*innen entlasten und die Spitzeneinkommen zugleich stärker belasten“, fordert auch der DGB. Reiche und Superreiche müssten mehr zum Gemeinwesen beitragen. Unterstützung findet diese gewerkschaftliche Forderung in der Initiative „Tax me Now“, einem Zusammenschluss von Reichen, die unter anderem fordern, dass der Staat sie stärker besteuern und intensiver gegen Steuerhinterziehung vorgehen soll. Die offizielle Website der Initiative verweist auf eine Petition, die nur unterschreiben darf nur, dessen Vermögen mindestens „1 Mio. Euro Nettovermögen in Form von Finanz-, Immobilien- oder Firmenvermögen abzüglich Schulden“ beträgt.
Der DGB plädiert auch für eine Vermögenssteuer und eine Erbschaftssteuer. Um diese Forderungen jedoch durchsetzen zu können, brauchen wir einen politischen Kurswechsel. Doch der kommt nicht von allein. Deshab am 26.09. wählen gehen. Nachdenken und an der richtigen Stelle das Kreuz machen.