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Ärztliches Attest gilt auf Dauer

Gefährdet Nachtarbeit die Gesundheit des/der Arbeitnehmers/in, muss der Arbeitgeber ihm/ihr einen Tagesarbeitsplatz zuweisen. Was gilt aber, wenn ein ärztliches Attest eine dauerhafte Untauglichkeit für Nachtschichten bescheinigt? Kann auch dann der Arbeitgeber unter Berufung auf die Betriebsvereinbarung alle zwölf Monate ein erneutes Attest verlangen? Nein – sagte das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in einem Urteil.

Der Fall

In einer Drogeriemarktkette wird auch nachts gearbeitet. Eine Betriebsvereinbarung legt fest, wie Nachtarbeit ausgestaltet ist und in welchen Fällen der/die Arbeitnehmer/in befreit werden kann. Ein wichtiger Befreiungsgrund liegt vor, wenn durch die Nachtarbeit gesundheitliche Gefahren bestehen. Die Betriebsvereinbarung verlangt, alle zwölf Monate ein neues ärztliches Attest für die Nachtschichtuntauglichkeit vorzulegen.

Das Urteil

Liegt ein ärztliches Attest vor, das einem Beschäftigten bescheinigt, dass Nachtarbeit für seine Gesundheit schädlich ist, so hat er Anspruch auf einen Tagesarbeitsplatz, urteilte das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg. Das bestimme der Paragraph 6 Abs. 4 im Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Dieser Anspruch sei zwingend, er enthalte auch nicht die Verpflichtung, eine bereits erstellte ärztliche Bescheinigung über die Nachtuntauglichkeit in bestimmten Abständen zu überprüfen. Auch eine Betriebsvereinbarung kann den Beschäftigten nicht verpflichten, die ärztliche Untersuchung in Abständen zu wiederholen.

Die Betriebsvereinbarung kann nur – wie hier auch geschehen – neben § 6 Abs. 4 ArbZG weitere Befreiungsgründe von der Nachtarbeit vorsehen und dafür Regelungen festlegen. Der Anspruch aus § 6 Abs. 4 ArbZG selbst kann aber nicht geschwächt oder mit Bedingungen versehen werden. Durch wen der Beschäftige sich untersuchen und von wem er sich die Untauglichkeitsbescheinigung ausstellen lässt, ist ebenfalls Sache des Beschäftigten. Auch eine Betriebsvereinbarung kann daran nichts ändern.

Der Arbeitgeber hat zudem die Kosten der ärztlichen Untersuchung zu tragen, sofern er diese Untersuchungen nicht kostenlos durch einen Betriebsarzt oder einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten anbietet.

Hinweis für die Praxis: Gesetzlicher Schutz vor Nachtarbeit

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) ordnet in § 6 Abs. 4 in drei Fällen an, dass der Arbeitgeber Beschäftigte in Nachtarbeit auf Antrag auf einen geeigneten Tagesarbeitsplatz umsetzen muss:

  • wenn die weitere Verrichtung der Nachtarbeit den/die Arbeitnehmer/in nach arbeitsmedizinischer Feststellung in seiner Gesundheit gefährdet,
  • wenn im Haushalt des Arbeitnehmers ein Kind unter zwölf Jahren lebt, das nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden kann,
  • wenn der/die Arbeitnehmer/in einen schwerpflegebedürftigen Angehörigen zu versorgen hat, der nicht von einem anderen im Haushalt lebenden Angehörigen versorgt werden kann.

Der Arbeitgeber kann die Umsetzung nur verweigern, wenn ihr dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen. Das kann er allerdings nicht einfach behaupten, sondern muss zu dieser Frage den Betriebsrat anhören. Auch das ordnet § 6 Abs. 4 ArbZG an. Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber selbst Vorschläge für eine Umsetzung unterbreiten. (Unter Verwendung eines Textes des Bund-Verlages).

Quelle: LAG Baden-Württemberg (09.01.2018), Aktenzeichen 19 TaBV 2/17

Foto: colourbox.de

 

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