AFD-Kandidat will Politikerin als „Müll entsorgen“

„Wenn ich das gewusst hätte, dann …“, sagen manche Kolleginnen und Kollegen um zu erläutern, warum sie sich anders verhalten würden, könnten sie die Zeit zurückdrehen. Leider ist das nicht möglich, auch nicht nach der Bundestagswahl am 24. September.
Wer beispielsweise mit dem Gedanken spielt, am Wahltag der „Alternative für Deutschland“ (AfD) seine Stimme zu geben, muss wissen auf was er sich einlässt, dass er eine Partei unterstützt, die sich als parlamentarischer Arm der rechten, ja rechtsradikalen Bewegung versteht; deren Spitzenfunktionäre keine Gelegenheit auslassen, um mit dumpfbackenen Äußerungen gegen Flüchtlinge und unsere ausländischen Kollegen zu hetzen sowie Menschen herabzuwürdigen.
Der AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland, der schon Fußball-Spieler wie Jerome Boateng nicht als Nachbarn haben wollte, hatte in einer Wahlkampfrede in Eichsfeld in Thüringen, über die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özogüz (SPD) gesagt, man solle der „Deutsch-Türkin“ an Ort und Stelle doch einmal erklären, was deutsche Kultur sei. „Danach“, rief er unter dem Jubel der Zuhörer, „kommt sie wieder hierher, und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können.“ So klingen Worte von Unmenschen.
Worte von Unmenschen
Entsorgen, das ist ein Wort, bei dem man an Müll denkt. Und offenbar war es auch Gaulands Ziel, diese Gedankenverbindung herzustellen – Politikerin mit türkischen Wurzeln gleich Müll. Und Müll entsorgt man. Doch wer Menschen „entsorgen“ will, der hat nicht nur ein massiv gestörtes Verhältnis zur Menschenwürde, sondern bedient sich bewusst der Sprache der Nationalsozialisten. Diese „Gesinnungskameraden“ haben schon einmal von 1933 bis 1945 Millionen Menschen in Konzentrationslagern „entsorgt“: Linke, Gewerkschafter und jüdische Mitmenschen.
Der ehemalige CDU-Politiker und Jurist Gauland, der die Legende verkörpert, man dürfe gleichzeitig honoriger Konservativer und ein bisschen rechtsextrem sein, macht mit seiner menschenverachtenden Bemerkung nicht nur sich selbst, sondern auch das Leitbild der „Alternative für Deutschland“ – eine bräunliche Brühe von Rassismus und Menschenverachtung – kenntlich. Und das ist keine Alternative für ArbeitnehmerInnen.
Nein, Gaulands Wortwahl war nicht als Provokation gedacht. Für ihn und seine Partei gelten Deutsche mit türkischem Hintergrund als „Minder-Deutsche“, die physisch aus der Gemeinschaft der Deutschen entfernt werden müssen. Die jubelnden AFD’ler in Eichsfeld kapierten, was er mit seiner Bemerkung sagen wollte: Ausländer raus. Doch damit nicht genug: Denn Aydan Özoguz wurde 1967 als Tochter türkischer Kaufleute in Hamburg geboren, sie ist dort zur Schule gegangen, hat dort studiert und gearbeitet. Seit 1989 ist sie deutsche Staatsbürgerin.
Sie ist Deutsche und keine Deutsch-Türkin. Gauland hat also in Thüringen gefordert, eine Deutsche auszubürgern. Sein Parteivorsitzender Jörg Meuthen legte in Nürnberg nach: Özoguz solle sich überlegen, ob „sie überhaupt in Deutschland leben oder nicht lieber auswandern“ wolle. Dies erinnert an die Methoden der Nationalsozialisten.
Wenn rechte Parteien wie die AFD eine gewaltsame rassistische Sprache bewusst benutzen, Gewaltfantasien gegen MitbürgerInnen verbreiten und dafür öffentlich Applaus einheimsen, muss jeder Arbeitnehmer und Bürger wissen, wenn er nicht blind und taub ist, dass sich diese Partei politisch außerhalb der Verfassung positioniert. Und wer so spricht, gehört nicht in den Bundestag. Also: „Wenn ich das gewusst hätte, dann …“, dieses Argument zieht in diesem Fall nicht. Man konnte es wissen.
Foto: „Solidarität statt Hetze“ IGM-Archiv