„Allein machen sie dich ein, gemeinsam kannst du dich wehren!“

Der Name „Bornemann und Bick” stand im westfälischen Sprockhövel jahrzehntelang für textile Etikettenproduktion. „Es war im Jahr 2000 als die Bornemanns ihren Familienbetrieb mit rund 500 Beschäftigten in der Haßlinghauser Stefansbecke an den US-amerikanischen Konzern Paxar verkauften“, erinnert sich Mustapha El Fathi. Die Zeit danach beschreibt das Avery-Dennison-Betriebsratsmitglied als „Sinuskurve“ – will heißen, es folgte ein ständiges „Auf und Ab“ – die jetzt durch die Stilllegung des Standortes an der Kleinbeckstraße ruckartig abgebrochen wurde.
Von Mitbestimmung „ihrer“ Arbeitnehmer/innen hielten die Bornemanns nur wenig, „um nicht zu sagen – gar nichts“. Doch nach dem Verkauf konnte der junge Georg Bornemann, der von Paxar zunächst als Geschäftsführer übernommen wurde, die Wahl eines Betriebsrates nicht mehr verhindern. „Die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von 40 auf 42 Stunden ohne Lohnausgleich war letztlich der Auslöser dafür, dass wir uns entschlossen haben eine Interessenvertretung zu wählen,“ sagt El Fathi. Er gehörte wie Vicenza Mazzarissi, Heiko Frahm und Sadiye Mesci-Alpaslan zu den Initiatoren der Wahl, die erst „heimlich“ vorbereitet, dann mit Unterstützung von Alfons Eilers von der IG Metall Gevelsberg-Hattingen öffentlich durchgeführt wurde.
Mustapha El Fathi wurde 1961 in Chichaoua in der Region Marrakesch-Tensift-El Haouz im Südwesten von Marokko geboren. Die schwierige Kindheit – er wurde adoptiert – denn seine Mutter verstarb sehr früh und sein Vater war nach dem französischen Indochinakrieg als Fremdenlegionär in Frankreich stationiert, prägte seine spätere Haltung, sich für andere einzusetzen. Aufgewachsen ist der IG Metaller in Marrakesch. Hier ging er zu Schule und wenn trotz der Mitarbeit im Geschäft seines Adaptivvaters Zeit blieb, hatte er Spaß beim Fußball und lief Marathon.
Nach dem Abitur studierte Mustafa an der Universität Cadi Ayyad Marrakesch Biologie und Geologie. Die Aussichtslosigkeit nach einem Abschluss in diesen Fächern einen Job zu finden, aber auch seine rebellische Vorstellungen, die mit dem autokratischen Regime in Marokko kollidierten, veranlassten ihn, sich in Deutschland etwas Neues aufzubauen. „So landete ich 1986 im Ruhrgebiet. Hier, an der Ruhr-Uni, wollte ich mein Studium fortsetzen“, berichtet er.
Deutschkenntnisse büffelte er in einem sechsmonatigen Kurs an der Uni. Danach bereitet er sich ein Jahr lang auf die Aufnahme des Studiums vor, bis er sich dann doch entschied an der Fachhochschule Bochum Nachrichtentechnik zu studieren. Nach dem 4.Semester musste er jedoch abbrechen. Gerade Vater eines Sohnes geworden, der später noch eine Schwester bekam und finanziell nicht gerade bestens gestellt, hieß es jetzt für ihn, einen Job zu finden, um die junge Familie ernähren zu können.
1991 nahm er eine Tätigkeit beim „Nürnberger Bund“, eine Großhandelsfirma in Wattenscheid auf. „Hier hörte ich zum ersten Mal die Begründung „strategische Entscheidung“, wenn der Standort geschlossen wird, kommentiert Mustapha den Fakt, dass er nach drei Jahren den Arbeitsplatz verlor. Als Studienabbrecher konnte er ab 1996 an einer 26-monatigen Fortbildung teilnehmen, die er mit dem Abschluss des Industriekaufmanns beendete Er fand jedoch keinen Job in diesem Beruf, deshalb heuerte er bei einer Leiharbeitsfirma an und kam auf diesem Wege zu Bornemann nach Sprockhövel, wo er am 1. Februar 1999 als Lagerarbeiter eine Tätigkeit aufnahm.
Es war die Betriebsratsvorsitzende Sadiye Mesci-Alpaslan, die ihn 2005 für die IG Metall gewann. Oder war es doch der damalige IG Metall-Bevollmächtigte? Ein Jahr später wurde der Gewerkschafter El Fathi von den KollegInnen in den Paxar-Betriebsrat gewählt. „Die Tinte unter dem Interessausgleich/Sozialplan, in dem der Abbau von 50 Arbeitsplätzen im Frühjahr 2006 geregelt wurde, war noch nicht trocken, da schlug die nächste Bombe ein. Paxar wurde ein Jahr später von Avery Dennison geschluckt,“ schildert Mustapha die bewegte Zeit: „Das Wissen, dass der neue Eigentümer an einem Ort in zwei Betrieben fast die gleichen Produkte herstellte, löste bei den Beschäftigten zu Recht Befürchtungen aus.“
„Gemeinsam mit dem Avery Dennison-Betriebsrat in Niedersprockhövel mischten wir uns mit einem eigenen ‚alternativen Zukunftskonzept‘ in den Fusionsprozess ein“, so der IG Metaller. In der Tat: Die dann einheitliche Interessenvertretung beschränkte sich nicht nur darauf, ihre „Schutzfunktion“ wahrzunehmen, sondern machte unter Leitung von Björn Kurrek bei allen nachfolgenden Maßnahmen immer von ihrem Recht Gebrauch gemacht, in Ideenwerkstätten und Workshops mit den Beschäftigten entwickelte Ideen einzubringen: Bei der Zusammenlegung der Betriebe in 2008, der weitgehenden Stilllegung der Produktion in 2009 und der endgültigen Liquidierung des Standortes 2015. Dabei wurde der Betriebsrat immer unterstützt von der IG Metall und der arbeitnehmernahen Beratungsgesellschaft PCG in Essen.
Für Mustapha El Fathi, der nun Mitte Dezember in eine Transfergesellschaft wechselt, bleibt die bittere Erkenntnis, dass für die Arbeitgeber „nicht der Mensch, sondern nur der Gewinn zählt“, aber gerade deshalb sei es wichtig meint er, dass sich Arbeitnehmer/innen einen Betriebsrat wählen: „Denn alleine machen sie dich ein, gemeinsam kannst du dich wehren!“ ,seien seine Erfahrungen und eine weitere entscheidende Klammer müsse hinzu komme – „eine durchsetzungsfähige IG Metall.“
Foto 1: Mustapha EL Fathi (3.v.l.) auf der IG Metall-Kundgebung 2009 in Hattingen
Foto 2: Betriebsratsmitglieder Mustapha El Fathi (r.) und Dirk Kolwe
Fotos: IGM-GH