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„Altern in Würde“ oder „Flaschen sammeln“

Das Prinzip der gesetzlichen Rente ist einfach: Die Beschäftigten bilden eine Solidargemeinschaft, um sich gegenseitig abzusichern. Wer arbeitet, zahlt Beiträge. Ab einem bestimmten Alter, der sogenannten Regelaltersgrenze von derzeit 65 Jahren und sieben Monaten, bekommen Beschäftigte eine Rente, die ihren Lohn ersetzt. Der Deutsche Bundestag hat allerdings seit den 1990er-Jahren viel an der Absicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit verändert.

Kürzen, kürzen, kürzen – lautet seit mehr als 30 Jahren das Motto der jeweiligen Bundesregierungen: Konnten langjährig Versicherte früher mit 60 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen, liegt die Latte heute bei 65 Jahren und sieben Monaten und soll auf 67 Jahre angehoben werden. Der Lohn bei schlecht bezahlter Arbeit wird für die Berechnung der Rente nicht mehr aufgewertet und Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung erhöhen die Rente nicht mehr. Bei Langzeitarbeitslosigkeit werden keine Rentenbeiträge mehr gezahlt und Berufsunfähigkeit wird nicht mehr abgesichert.

Das Rentenniveau ist abgesunken

Im Zuge dessen ist das gesetzliche Rentenniveau bereits um etwa zehn Prozent gesunken und dürfte in den kommenden Jahren bei 48 Prozent verharren. Die Menschen sollen ihren sozialen Schutz wieder verstärkt selbst ausgleichen. Worüber sich die Versicherungskonzerne freuen, hat gravierende Folgen für viele Rentner*innen: Das Geld reicht bei Erwerbsunfähigkeit oder – minderung und im Alter nicht mehr für ein auskömmliches Leben bzw. um den bisherigen Lebensstandard zu sichern. Eine wachsende Zahl von ihnen ist auf ergänzende Fürsorge wie die Grundsicherung angewiesen, also auf das Sozialamt.

Für eine Rente von netto 800 Euro – die Höhe der Grundsicherung – muss man bei 2.200 Euro Lohn brutto im Monat heute rund 38 Jahre arbeiten. Läge das Rentenniveau bereits heute bei 41 Prozent (Zielmarke für das Jahr 2045), wären es 45 Jahre. Sieben Jahre länger arbeiten, so wirkt das sinkende Rentenniveau. Zusätzlich steigt das abschlagsfreie Regelalter auf 67 Jahre. Arbeitgebervertreter, Politiker der CDU/CSU, Wirtschaftswissenschaftler und der Bundesbankpräsident, die zum Teil selbst hohe Pensionsansprüche besitzen, ohne je etwas in die Rentenversicherung eingezahlt zu haben, wollen es noch weiter erhöhen. Sie argumentieren mit der steigenden Lebenserwartung, doch diese bedeutet nicht automatisch, fit für den Job zu sein oder einen Arbeitsplatz zu bekommen.

Hinzu kommen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt. Menschen sind und waren in den vergangenen Jahrzehnten häufiger arbeitslos als früher. Viele Stellen werden heute schlechter bezahlt oder nur in Teilzeit angeboten. Viele Menschen sind gar nicht mehr sozialversichert, weil sie nur einen sogenannten Minijob haben oder selbstständig sind. Wer aber wenig verdient oder gar keine Beiträge zahlt, bekommt am Ende auch wenig oder gar keine Rente. Und wer wenig verdient oder arbeitslos ist, hat oft auch kein Geld, um privat vorzusorgen. Auch deswegen haben immer mehr Menschen nur geringe Renten.

Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“

Wird die Politik sich endlich aufraffen, um falsche Entscheidungen, die Anfang des Jahrtausends getroffen wurden, zu korrigieren? In einem der reichsten Länder der Welt gilt es, die Frage zu beantworten, soll das Modell „Altern in Würde“ oder das Modell „Flaschen sammeln“ die Zukunft der arbeitenden Menschen bestimmen? Was verstehen wir unter guter Alterssicherung? Manager oder Professoren sind dabei kein Maßstab. Die sind in der Lage privat etwas beiseitelegen oder für sie werden horrende Pensionsfonds eingerichtet. Es geht um diejenigen, die sich fragen, wie sie die neue Waschmaschine oder die Klassenfahrt ihrer Kinder bezahlen können.

Diese Fragen zu beantworten, sollte Aufgabe der von der Bundesregierung eingesetzten Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ sein. Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vom 21. März 2018 sieht vor, dass die Kommission das so genannte Drei-Säulen-Modell der Alterssicherung (gesetzliche Rente, private und betriebliche Altersversorgung) überprüfen und Vorschläge zur langfristigen Sicherung des Alterssicherungssystems machen soll. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat inzwischen die zehnköpfige Kommission berufen, der Vertreter der Gewerkschaften und der Arbeitgeber sowie der Politik und der Wissenschaft angehören. Diese soll im Juni die Arbeit aufnehmen und ihren Bericht bis März 2020 der Bundesregierung vorlegen.

IG Metall: Rentenniveau stabilisieren und wieder erhöhen

Das DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach, die den Deutschen Gewerkschaftsbund in der Kommission vertritt, sagte: „Die Rentenkommission muss Vorschläge entwickeln, wie die Alterssicherung auf längere Sicht leistungsfähig bleiben kann. Auch wer heute jung ist, soll später noch eine Rente bekommen, von der man gut leben kann.“ Ihr Kollege Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, erklärte: „In der aktuellen Rentendebatte wird versucht, einen Generationenkonflikt zu inszenieren. Das verunsichert die jungen Menschen in Deutschland. Ihnen wird erzählt, es würde keine Alternativen zu steigenden Beiträgen und sinkendem Rentenniveau geben“.

Eine Absenkung des Rentenniveaus gehe zu Lasten der Jungen, damit gerate die Akzeptanz des ganzen Systems in Gefahr. Deshalb müsse gerade im Interesse der jungen Menschen das Rentenniveau stabilisiert und perspektivisch wieder erhöht werden. Eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters wie u.a. von der Versicherungswirtschaft und der Propagandatruppe ISNM von Gesamtmetall gefordert, würde das Problem der Altersarmut weiter verschärfen. Die Gewerkschaften sprechen sich deshalb entschieden gegen einen späteren Renteneintritt aus und fordern ein Rentenniveau, das Beschäftigten ermöglicht, im Alter und bei Erwerbsminderung ein Leben in Würde führen zu können.

Foto: Senioren des DGB-Arbeitskreises Foto: IGM GH

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