„Arbeit statt Gier. Wir bleiben hier!“

Wabtec-Beschäftigte nehmen den Kampf um ihre Arbeitsplätze auf
Auf dem ehemaligen Opel-Gelände in Bochum herrschte diese Woche eine kämpferische Stimmung. Über 100 Beschäftigte des Eisenbahnzulieferers Wabtec zogen vor die Werkshalle. Sie nahmen an einer Informationsveranstaltung des Betriebsrates und der IG Metall unter freiem Himmel teil. Auf Transparenten und Plakaten machten sie unmissverständlich klar: „Arbeit statt Gier. Wir bleiben hier!“. Die Betriebsratsvorsitzende Tanja zum Dohme rief den Kolleginnen und Kollegen zu: „Hohe Rendite und Verlagerung der Produktion, das geht gar nicht!“
Die Ankündigung der Wabtec-Geschäftsführung vor wenigen Wochen, dass bis spätestens Ende 2023 von den derzeit 300 Beschäftigten 200 entlassen und die Produktion in die Werke in Poli (Italien) und Hosur (Indien) verlagert werden soll, um „Synergiemöglichkeiten“ auszuschöpfen, schlug in Bochum wie eine Bombe ein. Über die von langer Hand vorbereitete „Nacht- und Nebelaktion“ herrscht in der Belegschaft große Empörung. War man doch gerade erst im Frühjahr von Witten in das neugebaute Werk auf dem ehemaligen Opel-Gelände umgezogen. Nach Vorstellung des Konzernvorstandes soll von Bochum aus nur noch das Neubaugeschäft der DACH-Region (Deutschland, Österreich und die Schweiz) betrieben werden. Dies umfasst den Vertrieb, das Projekt-Management und den Engineering-Bereich.

Existenzen werden der Jagd nach höheren Renditemargen geopfert
Für die Interessenvertretung steht fest: Das ist eine typische Entscheidung der Konzernspitze der US-Wabtec Corporation am grünen Tisch im fernen US-amerikanischen Wilmerding. Die Zahlen liefern für die geplante Schließung der Produktion jedenfalls keine Begründung. „Es gibt kein anderes Unternehmen in der Region mit einer derartigen Umsatzrendite“ sagte Mathias Hillbrandt, 2. Bevollmächtigter der IG Metall Ennepe-Ruhr-Wupper. Die WAZ Bochum berichtet von einem Umsatz von 135 Millionen im Jahr 2021 und einer Umsatzrendite von mehr als 15 Prozent. Es ist der Klassiker: Existenzen und deren Zukunftsperspektiven werden der Jagd auf höhere Renditemargen geopfert.
Auch den Hinweis der Geschäftsführung auf die „niedrigeren Lohnkosten in Italien“. lässt die Betriebsratsvorsitzende nicht gelten. „Was man bei den Lohnkosten einsparen will. vernichtet man wieder bei den entstehenden Qualitätskosten“, so Tanja zum Dohme. Nicht nur, aber gerade der Kunde Deutsche Bahn, der Wabtec-Bremsen beziehe, fordere hohe Qualitätsstandards, die bei einer Verlagerung gefährdet werden. Die Betriebsratsvorsitzende erinnerte an die euphorischen Worte des Präsidenten des Wabtec-Geschäftsbereichs Transit Brakes & Safety, Christoper Antes, bei der Grundsteinlegung in 2020. „Diese neue Anlage wird den Raum bieten, den wir benötigen, um höchste Produktivitäts- und Qualitätsstandards sowie eine zukunftsorientierte Arbeitsumgebung für unsere Mitarbeiter zu schaffen.“ Alles Geschwätz von gestern?
Für den Betriebsrat und die IG Metall nicht. Sie machten in der Informationsveranstaltung klar, dass die gewerkschaftliche Interessenvertretung die Pläne des Konzernvorstandes und der Geschäftsführung nicht akzeptieren werden. „ Wir können über alles sprechen nur nicht über die Vernichtung von 200 Arbeitsplätze“, erklärte Mathias Hillbrandt unter Beifall der Beschäftigten. „Wir sind bereit an konstruktiven Lösungen mitzuarbeiten“, fügte Tanja zum Dohme hinzu. Der Betriebsrat habe deshalb den Wittener Wirtschaftsprofessor Prof. Dr. Heinz Bontrup als Berater hinzugezogen. Dieser habe die Aufgaben, die wirtschaftliche Situation und die Plausibilität des Unternehmens-Konzepts zu überprüfen sowie gemeinsam mit den Betriebsratsmitgliedern und der Belegschaft Alternativen zum Standorterhalt zu entwickeln.
Jetzt gehe es erst einmal darum vom Geschäftsführer Peter Küper, der diese Funktion erst seit kurzem inne hat, alle notwendigen schriftlichen Unterlagen als Arbeitsgrundlage für den Betriebsbrat und seinen Berater einzufordern. Und damit die Arbeitgeberseite sich bewegt, müsse die Belegschaft noch mehr zusammenrücken und zeigen, dass sie bereit ist, um ihre Arbeitsplätze zu kämpfen.
