
Düsseldorf. Der überwiegende Teil der Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen ist mit seiner Arbeitssituation zufrieden – insbesondere in Betrieben, in denen Tarifverträge gelten und sich Betriebsräte aktiv um Arbeitszeit-Themen kümmern. Die Wunscharbeitszeit der Beschäftigten ist die 35-Stunden-Woche. Dies sind Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung 2017, an der sich allein in Nordrhein-Westfalen knapp 100.000 Beschäftigte aus 1.561 Betrieben beteiligt haben.
Top-Thema: „Soziale Gerechtigkeit“
Dass neben der Arbeitszeit die soziale Gerechtigkeit ein Top-Thema ist, machte das geschäftsführende Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban vor der NRW- Bezirkskonferenz in Düsseldorf deutlich. Hans-Jürgen Urban: „95 Prozent der Befragten sagen: Schluss damit, dass Beschäftigte bei der Krankenkasse mehr zahlen müssen als ihr Arbeitgeber“. Steigende Gesundheitskosten sollen nicht länger einseitig den ArbeitnehmerInnen aufgebürdet werden. Nur 13 Prozent glauben, dass sie die Versorgungslücke, die durch das sinkende Rentenniveau entstandene ist, mit privater Extra-Absicherung schließen können. „Nicht das Renteneintrittsalter, sondern das Rentenniveau soll steigen. 85 Prozent der Befragten sind bereit, für eine stärkere gesetzliche Rentenversicherung höhere Beiträge zu zahlen“, erklärte Urban unter dem Beifall der Delegierten.
Wunscharbeitszeit: „35-Stunden-Woche“
Bezirksleiter Knut Giesler ging in seinem Geschäftsbericht vor allem auf die Ergebnisse zum Thema „Arbeitszeit“ ein. Von den Beschäftigten, die planbare Arbeitszeiten haben seien 77 Prozent zufrieden. Allerdings arbeiten 42 Prozent der Beschäftigten länger als vertraglich vereinbart. Dem steht gegenüber, dass sich 67,9 Prozent der Befragten eine 35-Stunden-Woche als Normalarbeitszeit bzw. kürzere Arbeitszeiten wünschen. Genau so eindeutig und zwar mit 66 Prozent sprechen sie sich gegen eine Differenzierung der Arbeitszeit (40-Stunden-Verträge/AT-Verträge) aus.
Zu den Faktoren, die unter den Beschäftigten für große Unzufriedenheit sorgen gehören überlange Arbeitszeiten, keine Planbarkeit der Arbeit sowie ständiger Leistungsdruck. So arbeiten beispielsweise aufgrund der dünnen Personaldecke und hohen Arbeitsintensität 50 Prozent der Befragten oft länger, um „die Aufgaben erledigt zu bekommen“ und fast 60 Prozent fühlen sich „zunehmend gehetzt und unter Zeitdruck“. „Die hohe Zufriedenheit ist einerseits Ausdruck einer erfolgreichen Arbeitszeitpolitik von Betriebsräten und IG Metall – die Befragung zeigt allerdings auch, an welchen Stellen es noch dringenden Verbesserungsbedarf gibt“, sagte Knut Giesler. In seinem Bericht geißelte er den Verfall von 1,8 Milliarden unbezahlter Mehrarbeitsstunden bundesweit, die sich die Arbeitgeber durch Nichterfassung oder Kappung kostenlos aneignen würden. Ebenso gehörten zunehmende Verstöße gegen die gesetzliche Höchstarbeitszeit und Ruhezeiten zum betrieblichen Alltag.
Eckpunkte für weitere Arbeitszeitpolitik
Die Ergebnisse der Befragung zeigen, so Knut Giesler, dass es einen großen Bedarf an persönlichen Freiräumen und an Ausgleichen für Belastungen gibt. In einer auf der Konferenz verabschiedeten Resolution fordern die Delegierten „die Arbeitszeitinteressen der Beschäftigten auch zum Gegenstand der Tarifpolitik zu machen“. Ziel ist: Mehr individuelle Zeitsouveränität durch kollektive Rahmenregelungen. Dabei sind folgende Eckpunkte zu berücksichtigen:
- Die 35-Stunden-Woche war, ist und bleibt die Normalarbeitszeit in der M+E-Industrie.
- Mehr Zeitsouveränität für die Beschäftigten durch selbst bestimmte Arbeitszeiten.
- Gleitzeitmodelle für alle. Dort wo prozesstechnisch nicht möglich, individuelle Verfügung über Freischichtkonten.
- Initiativrecht auf Personalausgleich bei Überschreitung der individuellen tariflich vereinbarten Wochenarbeitszeit.
- Entgeltausgleich bei belastender Schichtarbeit und weiteren anlassbezogenen Arbeitszeitreduzierungen z.B. für bzw. bei Kinder unter 14, Pflege, Weiterbildung.
- Bezahlte Freistellungstage für Auszubildende und Dual Studierende vor allen Teilen der Abschlussprüfung
Der Verabschiedung dieser Positionen mit denen sich der NRW-Bezirk in die bundesweite Arbeitszeitkonferenz am 27. Juni in Mannheim einbringen will, ging eine intensive Debatte voraus, in der ernsthaft und sachlich sowohl um inhaltliche Schwertpunkte in der kommenden Metall-Tarifrunde als auch um deren Anlage gerungen wurde. Immer wieder plädierten die Diskutanten vehement dafür, die 35-Stunden zu verteidigen, sie dürfe nicht zur „reinen Berechnungsgröße“ verkümmern.
Gegen die ständigen Versuche der Arbeitgeber, die Arbeitszeit zu verlängern, müsse gemeinsam „ein Damm“ errichtet werden“, so die Tina Flügge, Delegierte der IG Metall Gevelsberg-Hattingen. Es vergehe doch kein Tag, an dem Gesamtmetall nicht gegen die angeblich „starren“ Regelungen beim Acht-Stunden-Tag trommele. Es verwundere deshalb nicht, dass 81 Prozent der Befragten sagen, es brauche auch künftig ein Arbeitszeitgesetz, dass der „Arbeitszeit Grenzen setzt“ und das Recht auf Abschalten also einer „elfstündigen Ruhepause“ zwischen Arbeitsende und Arbeitsbeginn am nächsten Tag garantiert.
Foto: unsere Delegierten Rüdiger Gähner, Tina Flügge und Clarissa Bader (v.r.n.l.) in Düsseldorf – Foto: IGM-GH