Ausbildung: Gewerkschaften warnen vor „Corona-Crash“

Die Corona-Pandemie treibt die Wirtschaft in eine Rezession, manche Firmen sorgen sich um ihre Existenz – mit gravierenden Folgen für den Nachwuchs. Manches Unternehmen setzt in der Corona-Krise den Rotstift auch bei den Ausbildungsplätzen an. „Das ist eine alarmierende Entwicklung“, so die Zweite IG Metall-Vorsitzende Christiane Benner. Neben einer möglichen Verschärfung des Fachkräftemangels werde damit gerade Haupt- und Realschülern der Zugang zum Arbeitsmarkt verbaut. Deshalb müsse ein „Corona-Crash“ auf dem Ausbildungsmarkt verhindert werden.
Für eine halbe Million Schulabgänger beginnt im August die Berufsausbildung. Bei der Vorlage des diesjährigen Berufsbildungsberichtes sagte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), dass sie wegen der Corona-Krise mit einem sinkenden Angebot an Ausbildungsplätzen rechne. Im Vergleich zum Vorjahr hätten die Betriebe bis einschließlich April acht Prozent weniger freie Lehrstellen angezeigt. Tatsächlich hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) von Oktober bis April 454 000 neue Ausbildungsangebote registriert, 39 000 weniger als im Vorjahreszeitraum.
Herunterfahren der Ausbildungskapazität ist „unverantwortlich“
Das sinkende Ausbildungsstellenangebot hatte sich jedoch nicht erst mit der akuten Corona-Krise abgezeichnet: Schon im Februar hatten die Statistiker der BA einen Rückgang um 5,7 Prozent oder 27 000 Stellen verzeichnet. Gründe sind aus ihrer Sicht u.a. die konjunkturelle Schwächephase. Auch die IG Metall-Bevollmächtigte Clarissa Bader kritisierte schon vor dem „Lockdown“ im März in der Delegiertenversammlung in Sprockhövel das Herunterfahren von Ausbildungskapazitäten durch Firmen der Metall- und Elektroindustrie in der Region Ennepe-Ruhr-Wupper als „unverantwortlich“. Bei einer Umfrage bei Betriebsräten in 42 Betrieben sei festgestellt worden, dass in 22 Prozent der befragten Betriebe Ausbildungsplätze reduziert worden seien, hatte zuvor die für Jugendarbeit zuständige Gewerkschaftssekretärin Nadine Schröer-Krug berichtet.
Jetzt bedroht die Corona-Krise zusätzlich die Ausbildung massiv im nächsten Lehrjahr. Die Aussichten, eine passende Lehrstelle zu finde, könnten sich für viele Bewerber*innen deutlich eintrüben. Von den rund 2,2 Millionen Unternehmen in Deutschland war im vergangenen Jahr ohnehin nur noch knapp jedes Fünfte (19,7 Prozent) ein Ausbildungsbetrieb. Im Verlauf der vergangenen zehn Jahre gingen Zehntausende Ausbildungsbetriebe verloren. In welchem Ausmaß sich die Pandemie auf die Zahl der Ausbildungsplätze niederschlagen wird, ist allerdings noch offen. Alles hängt an der Frage, wann die Wirtschaft wieder zu einem Normalbetrieb zurückkehren kann.
Die BA hofft darauf, dass es noch im August und September zu einem Aufholprozess kommen könnte. BA-Chef Detlef Scheele forderte die Arbeitgeber auf, die vor Corona geplanten Lehrstellen nicht zu streichen. Es dürfe kein „Ausbildungsjahrgang Corona“ entstehen, „der auf der Strecke bleibt, weil es keine Ausbildungsplätze gibt“. Anlass zur Sorge bietet eine aktuelle Umfrage unter den Handwerksbetrieben, die traditionell sehr viele Ausbildungsplätze anbieten. Demnach wollen zwar fast 45 Prozent genauso viele oder sogar mehr Auszubildende einstellen wie im Vorjahr. Jeder vierte Betrieb beabsichtigt aber, sich aus der Ausbildung ganz zurückzuziehen.
DGB fordert „Zukunftsfonds zur Fachkräftesicherung“
Die IG Metall berichtet, einige Unternehmen hätten schon jetzt Verträge für das neue Ausbildungsjahr gekündigt. Das sei „eine alarmierende Entwicklung“, sagte die Zweite Vorsitzende Christiane Benner. Laut einer bundesweiten Umfrage der IG Metall führt derzeit nur ein Drittel der Betriebe die laufende Ausbildung „ohne Einschränkungen“ durch. Acht Prozent der Betriebe hätten außerdem angekündigt, dass es zu „Problemen bei der Übernahme der fertig Ausgebildeten“ kommen werde. Die Zweite IG Metall-Vorsitzende hat ein Sicherheitsnetz und finanzielle Unterstützung für Betriebe gefordert, auch um die laufende Ausbildung weiter gewährleisten zu können.
Um ein weiteres Wegbrechen von Ausbildungsplätzen zu verhindern, schlägt der DGB einen „Bonus für Unternehmen vor, die Azubis aus insolventen Betrieben übernehmen“. Die Bundesregierung müsse zudem ein „Sonderprogramm für außerbetriebliche Ausbildungsplätze“ auflegen. Nötig sei ein „Zukunftsfonds zur Fachkräftesicherung“, der sich aus Beiträgen der Arbeitgeber und des Bundes speise, um zu verhindern, dass aus der Corona-Krise eine Ausbildungskrise werde.
Gewerkschaftssekretären Nadine Schröer-Krug, die die Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt in der Region kritisch beobachtet, erinnert die heimischen Arbeitgeber daran, dass das Ausbilden junger Menschen „eine Investition in die Zukunft sei“. „Gerade in diesen schwierigen Monaten sollten Betriebe daran denken und jungen Leuten eine gute Berufsperspektive bieten“, betonte sie. Wer heute Ausbildungsplätze streiche, dürfe sich morgen nicht über Fachkräftemangel beklagen