Beschäftigte zum Kampf bereit

Wabtec: „Standing-Ovation“ in der Betriebsversammlung – ein eindeutiges Signal an den Konzernvorstand
Die Beschäftigten des Eisenbahnzulieferers Wabtec sind bereit, für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze zu kämpfen. Dies demonstrierten sie in der Betriebsversammlung in dieser Woche – mit stehendem Beifall und rhythmischen Klatschen. Aufgrund der Corona-Pandemie nahmen an der mehr als vierstündigen Zusammenkunft im Jahrhunderthaus an der Alleestraße in Bochum nur 70 Beschäftigte in Präsenz teil, rund 13O Kolleginnen und Kollegen waren online dazu geschaltet. „Wir konnten unsere Beschäftigten ausführlich über unsere bisherige Arbeit informieren und den aufgestauten Informationshunger umfassend stillen“, so die Betriebsratsvorsitzende Tanja zum Dohme.
Im Herbst des vergangenen Jahres hatte der Wabtec-Konzernvorstand verkündet, dass bis spätestens Ende 2023 von den derzeit 300 Beschäftigten am Standort Bochum 200 entlassen und die Produktion in die Werke in Poli (Italien) und Hosur (Indien) verlagert werden soll, um für die US-Wabtec Corporation im fernen US-amerikanischen Wilmerding „Synergiemöglichkeiten“ auszuschöpfen. (Siehe Berichte dazu auf dieser Seite) Zu den ersten Schritten des 9-köpfigen Betriebsrates gehörte die Beauftragung des Wittener Ökonomen Prof. Heinz-J. Bontrup, ein Gutachten zu den Konzernplänen zu erstellen. Eine richtige Entscheidung wie sich mittlerweile herausgestellt hat.
Heinz-Josef Bontrup informierte die Beschäftigten über den Zwischenstand seiner Arbeiten an dem Gutachten. In seinem mit viel Beifall aufgenommenen zweistündigen Vortrag arbeitete der Wirtschaftswissenschaftler klar heraus, dass es keinen „rationalen Grund für die Aufgabe der Produktion in Bochum gibt“. Die geplante Verlagerung von Arbeitsplätzen ist aus seiner Sicht mit „der heißen Nadel“ gestrickt. Die Argumentation des Wabtec-Managements, von wegen in Italien seien die Lohnkosten deutlich geringer, greife zu kurz. Schließlich sind nicht allein die Lohnstückkosten entscheidend, sondern wichtiger sind Faktoren wie Produktivität sowie Mehrwert und diese sind in Bochum wesentlich höher. Wenn überhaupt, dann müsste die Produktion aus Italien nach Bochum verlagert werden, so Bontrup.
Unter Beschuss stand in der Versammlung Geschäftsführer Peter Küper. In der Debatte äußerten Teilnehmer:innen ihr Unverständnis darüber, dass es kurz nach dem Umzug von Witten nach Bochum in das moderne Werk auf Mark 51/7 auf dem ehemaligen Opel-Gelände plötzlich geheißen habe: „Bochum ist nicht mehr wettbewerbsfähig.“ Auf die meisten sachlichen Fragen der Beteiligten, insbesondere aus dem Kreis der Ingenieure und Techniker, musste Küper die Antworten schuldig bleiben. Sein Drängen schnellstmöglich Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan aufzunehmen, wiesen der 2. IG Metall-Bevollmächtigte Mathias Hillbrandt und die Betriebsratsvorsitzende entschieden zurück. „Um überhaupt in Gespräche oder Verhandlungen einsteigen zu können, müssen wir erst alle wirtschaftlichen Informationen, die dazu nötig sind, vorliegen haben“ sagte Tanja zum Dohme. Schon jetzt habe sich herausgestellt, dass nicht alle notwendigen Berechnungen vorgenommen wurden, so der IG Metaller Mathias Hillbrandt. Es fehle beispielsweise die Berechnung der Verlagerung der Produktion vom kleineren Standort Poli in Italien nach Bochum. Auch Heinz Bontrup machte unmissverständlich klar: „Erst wenn mir alle notwendigen Unterlagen vorliegen, kann ich mein endgültiges Gutachten dem Betriebsrat und der Geschäftsführung präsentieren.“
Viel Beifall erhielt Thomas Kalkbrenner, der die Wabtec-Beschäftigten auf den Kampf für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und des Standorts einschwor. Der Bahnbeauftragter beim IG Metall-Vorstand in Frankfurt/Main berichtete über Strategien der Eisenbahnproduzenten sowie über Initiativen der Gewerkschaft in Richtung Politik im Zusammenhang mit der Transformation.
Das kämpferische Signal aus der Versammlung heraus an die Geschäftsführung und die Konzernspitze war eindeutig: Wenn wir zusammenhalten, ist alles möglich, dann ist die Messe für den Standort noch nicht gesungen.