Arbeitswelt

Beschäftigungssicherndes Instrument – Koalition beschließt Verlängerung des KUG

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Autor: Otto König

Deutschland steckt in der Wirtschaftskrise. Kurzarbeit ist die Brücke, die Beschäftigung sichert. In der Corona-Pandemie ist sie die wichtigste sozialpolitische Maßnahme: 5,3 Millionen Beschäftigte, die wegen der Corona-Krise in den Unternehmen weniger oder gar nicht arbeiten können, erhalten Kurzarbeitergeld (KUG).

Laut der jüngsten Konjunkturumfrage des Münchner Ifo-Instituts ist die Zahl der Betriebe mit Kurzarbeit im August auf 37 Prozent gesunken gegenüber 42 Prozent im Juli. Die Unterschiede in den einzelnen Branchen sind jedoch riesig: 80 Prozent der Metallerzeuger und – bearbeiter fahren weiterhin Kurzarbeit. In der Autoindustrie betrug der Anteil 65 Prozent, in der Chemieindustrie hingegen nur 34 Prozent, bei den Herstellern von Nahrungsmitteln 14 Prozent und in der Pharmaindustrie vier Prozent.

Mittlerweile haben die Spitzen der schwarz-roten Regierungskoalition beschlossen, die Regelungen zur Bezugsdauer und Aufzahlung auf das Kurzarbeitergeld zu verlängern und, dass es steuerliche Erleichterungen für die Arbeitgeberzuschüsse zum Kurzarbeitergeld gibt. Nun gilt es sicherzustellen, dass die Beschlüsse des Koalitionsausschusses im parlamentarischen Verfahren nicht verwässert bzw. an einigen Stellen noch nachgeschärft werden.

Die Beschlüsse im Detail: Die Bezugsdauer des Kurzarbeitergelds steigt auf 24 Monate, längstens bis zum 31.12.2021. Auch Leiharbeiter*innen können bis 31.12.2021 Kurzarbeitergeld beziehen. Der im Zuge der Corona-Krise eingeführte erleichterte Zugang zur Kurzarbeit gilt weiter: Bis zum 31.12.2021 für alle Betriebe, die bis zum 31.03.2021 mit der Kurzarbeit begonnen haben. Vereinfachter Zugang heißt: Beschäftigte müssen keine Minusstunden aufbauen und Kurzarbeit ist möglich, sobald zehn Prozent der Belegschaft von einem Arbeitsausfall betroffen sind.

Die Erhöhung des Kurzarbeitergelds wird bis zum 31.12.2021. fortgeführt. Das heißt, b dem 4. Monat Kurzarbeit steigt das Kurzarbeitergeld auf 77 Prozent des ausgefallenen Lohns (Kinderlose: 70 Prozent), ab dem 7. Monat auf 87 Prozent (Kinderlose: 80 Prozent). Die von den Betriebsräten mit Unterstützung ihrer IG Metall durchgesetzten Arbeitgeberzuschüsse zum Kurzarbeitergeld gelten bis zum 31.12.2021 weiterhin Steuererleichterungen.

Derzeit bezahlt die Bundesagentur für Arbeit (BA) die Sozialversicherungsbeiträge der Kurzarbeiter vollständig, damit greift die Bundesregierung den Arbeitgebern erheblich unter die Arme. Ab Juli 2021 soll es die vollständige Erstattung nur noch geben, wenn Unternehmen die Kurzarbeit für Qualifizierung der Beschäftigten nutzen. Dies begrüßt die IG Metall ausdrücklich, denn angesichts des gleichzeitig stattfindenden industriellen Strukturwandels ist es richtig, die volle Erstattung der Beiträge zur Sozialversicherung davon abhängig zu machen, dass Kurzarbeit mit Qualifizierung verbunden wird.

Über die Verlängerung der Kurzarbeit war zuvor ein heftiger Streit ausgebrochen. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher begrüßte die Vereinbarungen: “Die Verlängerung von Kurzarbeitergeld und Hilfen für die Unternehmen sind zielführend und unausweichlich“. Dagegen wetterte der Chef der „sogenannten“ Wirtschaftsweisen, Lars Feld, gegen die Verlängerung des Kurzarbeitergelds. Das Kurzarbeitergeld und die Überbrückungshilfen seien zwar „richtige Instrumente“, aber sie längerfristig einzusetzen, habe Nachteile.

Hinter der Argumentation der Ordoliberalen verbirgt sich These des österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter, demzufolge sich wirtschaftlicher Fortschritt als Prozess einer permanenten „schöpferischen Zerstörung“ entfaltet: Altes verschwindet, Neues entsteht. Federe der Staat jedoch die Kosten und Einbußen zu stark ab, dann schaffe er für die Betroffenen – Arbeitgeber wie Arbeitnehmer*innen – einen unguten Anreiz, sich vor harten Zukunftsentscheidungen zu drücken: Unternehmen, die im Strukturwandel an der Kante stehen, bleiben dort und werden nicht über die Kante gestoßen, gehen also nicht Pleite.

Der Leipziger Wirtschaftsprofessor Gunther Schnabl spricht von einer „Zombiefizierung“ der Wirtschaft – eigentlich tote Unternehmen leben weiter. In den Zombiefirmen seien Ressourcen gebunden, die der Wirtschaft anderswo fehlten. Diese These, dass über einen Anstieg der Arbeitslosigkeit erst Druck ausgeübt werden müsse, um die Wirtschaft innovativer zu gestalten, grenzt an Menschenverachtung. Denn ungeachtet der existentiellen Nöte der betroffenen Beschäftigten, plädieren diese Wissenschaftler unterstützt von konservativen Medien für die Pleite solcher Firmen, da sie die irrige These vertreten, Innovationen würden nur von neuen Unternehmen gekommen.

Dabei geht es ihnen zugleich um den Umbau des Sozialstaats zu Lasten der Arbeitnehmer*innen. Im Zuge dessen wird das gewerkschaftliche Bemühen bestehende Wirtschaftsstrukturen und Arbeitsplätze zu erhalten, als rückwärtsgewandt und strukturkonservativ denunziert. Fakt ist: Der Abbau von Arbeitsplätzen in bestehenden Unternehmen schwächt die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften. Der ein oder andere Gegner der verlängerten Kurzarbeit nimmt das billigend in Kauf nehmen.

Dass die Kurzarbeit eine gute Einrichtung des Sozialstaates ist, dürfte nach den Erfahrungen in der Finanzkrise eigentlich niemand bestreiten. Schon 2008/2009 hat sich das KUG, finanziert unter anderem aus den Sozialversicherungsbeiträgen als „beschäftigungssicherndes Instrument“ bewährt. Das Team um Almut Balleer von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen ermittelte, dass die Kurzarbeit damals 466.000 Jobs gesichert hat. In den Jahren danach galt Deutschland als eine Art Beschäftigungswunder, auf das die europäischen Nachbarstaaten neidisch blickten. Wie wichtig das Sicherungsversprechen des Sozialstaats in krisenhaften Zeiten ist, zeigt ein Blick in die USA.

Dies hält den Direktor des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, nicht davon ab, vor „Breitbandanwendungen“ des Kurzarbeitergelds zu warnen. Denn wegen der hohen Zahlungen für Kurzarbeitergeld, mehr Arbeitslosengeld und den entsprechenden Sozialleistungen in der Corona-Krise leere sich die BA-Kasse.  Detlef Scheele, BA-Vorstandschef, kündigte bereits ein Haushaltsdefizit der Bundesagentur von 30 Milliarden Euro für das Jahr 2020 an und hält auch ein Defizit im Jahr 2021 für möglich.

Damit die Bundesagentur die Kurzarbeit weiterhin finanzieren kann, ohne ihre Handlungsfähigkeit zu gefährden, haben die schwarz-roten Koalitionäre beschlossen, dass die BA Bundeszuschüsse erhält. Das ist richtig so, denn die Kosten der verlängerten Kurzarbeit machen mit einem einstelligen Milliardenbetrag nur einen Bruchteil der riesigen Rettungspakete für die Wirtschaft aus.

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