
Metall-Tarifabschluss in NRW: Sicherung der Einkommen und der Beschäftigung
Gevelsberg. (OK/CB) Nach zehnstündigem Ringen gelang in Düsseldorf der nächtliche Durchbruch in der festgefahrenen Metall-Tarifrunde. IG Metall und Metallarbeitgeber einigten sich für die rund 700.000 Beschäftigten in NRW auf folgende Eckpunkte: Im Juni gibt es für die Beschäftigten 500 Euro Corona-Prämie netto, Auszubildende erhalten einmalig 300 Euro. Ab Februar 2022 kommt dann ein jährliches Transformationsgeld von 18,4 Prozent des Monatsentgelts dazu, das 2023 auf 27,6 Prozent steigt und auch als Teilentgeltausgleich bei Arbeitszeitverkürzung genutzt werden kann. „Mit diesem Tarifabschluss sichert die IG Metall Einkommen, Beschäftigung und Zukunft. Das ist vollkommen in Ordnung“, so die Erste Bevollmächtigte und Mitglied der Verhandlungskommission Clarissa Bader.
Eckpunkte des Verhandlungsergebnisses
Entgelterhöhung: Im Juli 2020 erhöhen sich die Entgelte um 2,3 Prozent. Diese Erhöhung fließt jedoch nicht in die Tariftabelle ein, die 2,3 % vom jeweiligen individuellen Brutto-Monatsentgelt fließen monatlich in einen Topf, werden angespart und künftig im Februar eines jeden Jahres an die Beschäftigten ausgezahlt – im Februar 2022 in Höhe von 18,4 Prozent und im Februar 2023 in Höhe von 27,6 Prozent. Dies ist der Einstieg in eine jährlich dauerhafte Zahlung die 27,6 Prozent eines monatlichen Bruttoentgelts entspricht. Mit dem neuen Transformationsgeld (T-Geld) wurde nach den tariflichen Zusatzgeldern A und B eine weitere tarifliche Jahreszahlung geschaffen.
Transformationsgeld (T-Geld): Den Transformationsbetrag können Betriebe je nach Beschäftigungslage auch zur Sicherung der Arbeitsplätze einsetzen. Betriebe, die keine Beschäftigungsprobleme haben, zahlen das Geld als Einmalbetrag an die Beschäftigten aus. Betriebe, die insbesondere durch Transformationsthemen einen längeren Zeitraum überbrücken müssen, können das Transformationsgeld zum Entgeltausgleich bei Arbeitszeitverkürzung einsetzen.
In Verbindung mit weiteren Tarifelementen wie den Regelungen des Beschäftigungs-Tarifvertrages und den freien Tagen aus dem 2019 eingeführten tariflichen Zusatzgeld (T-Zug A) können Betriebe die Arbeit auf bis zu vier Tage in der Woche verkürzen, ohne dass das monatliche Entgelt der Beschäftigten gekürzt wird. Es besteht daher künftig die Möglichkeit, dass Betriebe eine längere Transformation von bis zu drei Jahren überbrücken können.
Der nordrhein-westfälische IG Metall-Bezirksleiter, Knut Giesler, bezeichnet die Einigung als „richtungsweisendes Ergebnis“. Mit dem Abschluss bestehe die Möglichkeit, „eine Arbeitszeitverkürzung bei Beschäftigungsproblemen ohne wesentlichen Entgeltverlust zu finanzieren, wenn die Betriebsparteien sich darauf im Rahmen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung verständigen“. Wichtig: Beide Betriebsparteien müssen diesem Modell zustimmen; der Arbeitgeber kann es nicht einfach gegen den Willen des Betriebsrats durchsetzen.
Differenzierung: Die von den Arbeitgebern geforderte automatische Differenzierung, sprich Abweichung vom Tarifvertrag ohne Hinzuziehung der Gewerkschaft konnte weitestgehend abgewehrt werden. Dies kann im Jahr 2021 nur einmalig beim T-Zug-B erfolgen. Zum einen wird der Auszahlungstermin auf 31. Oktober 2021 verschoben. Bei wirtschaftlich schwieriger Lage kann die Auszahlung nochmals um sechs Monate verschoben werden. Danach kann der T-Zug B nach Vorlage wirtschaftlicher Daten ganz oder teilweise entfallen.
Zukunftstarifverträge: Zur Sicherung der Zukunft hat die IG Metall Rahmenregeln für firmenbezogene Verbandstarifverträge zur Gestaltung der Transformation durchgesetzt. Mit dem neuen Tarifvertrag „Zukunft, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungssicherung“ können Gewerkschaft und Betriebsräte erstmals die Initiative bei der Gestaltung der Zukunft ergreifen. Das heißt: Sieht der Betriebsrat ein Problem auf das Unternehmen zukommen, kann er Gespräche verlangen. Unternehmen und Betriebsrat analysieren mit Unterstützung der Tarifparteien die Lage und können die nötigen Schritte wie Investitionen in den Standort, in zukunftsfähige Produkte sowie Zielbilder, Personalbedarf und Qualifizierung für die Arbeit in einem Tarifvertrag festschreiben. Wenn es über die Ergebnisse keine Einigung gibt, kann eine Moderation hinzugezogen werden.
Auszubildende: Auszubildende erhalten einmalig eine Corona-Prämie von 300 Euro. Das angesparte Transformationsgeld von 18,4 Prozent des Monatsentgelts kommt im Februar 2021 und im Februar 2022 in Höhe von 27,6 Prozent generell zur Auszahlung, da die Ausbildungszeit nicht gekürzt werden darf. Die bestehende Übernahmeregelung nach § 47 MTV wurde fortgeschrieben.
Tarifvertrag „Dual Studierende“: Erstmals hat die IG Metall in NRW durchgesetzt, dass dual Studierende, die eine Ausbildung im Betrieb absolvieren, in die Tarifverträge einbezogen werden. Für sie gilt nun auch die Übernahme nach der Ausbildung.
Laufzeit: Der neue Tarifvertrag gilt rückwirkend zum 1. Januar und läuft bis zum 30. September 2022. Dann kann die IG Metall wieder über Entgelterhöhungen verhandeln.
In einer ersten virtuellen Zoom-Schalte unter Beteiligung von ehrenamtlichen Funktionär*innen der IG Metall Ennepe-Ruhr-Wupper lautete der übereinstimmende Tenor: Unter den schwierigen Pandemie-Bedingungen ist das Verhandlungsergebnis mehr als akzeptabel. Wir haben gezeigt, dass wir auch in der Krise handlungs- und durchsetzungsfähig sind.

Arbeitgeber: „Es gibt nichts zu verteilen“
„Schon zu Beginn der Tarifrunde zeichnete sich ab, dass die Tarifverhandlungen in der Corona-Krise hart werden“, so Clarissa Bader. Die Arbeitgeber betonten immer wieder, dass es nichts zu verteilen gebe und argumentierten, Arbeitsplätze ließen sich nur durch niedrigere Kosten erhalten. Sie setzten darauf, dass die IG Metall unter Pandemie-Bedingungen nicht mobilisierungsfähig wäre. Noch am Wochenende drohte Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf: „Viele Unternehmen haben Verlagerungspläne ins Ausland in der Schublade“. Wenn sich die Wettbewerbssituation nicht bessere, müsste damit gerechnet werden, „dass weitere Hunderttausende Jobs ins Ausland verlagert werden.“
Das Arbeitgeber-Mantra lautete: Erst wenn die Kennzahlen wieder das Niveau von vor der Krise erreichen – frühestens 2022 – sei wieder mehr Geld drin. Nun gibt es mehr Geld doch schon 2021. Die IG Metall verwies zurecht darauf, dass es zahlreichen Betrieben wieder sehr gut geht – und in der Automobilindustrie trotz Covid-19-Pandemie 2020 Milliardengewinne gemacht wurden. Außerdem seien höhere Löhne nötig, um die Volkswirtschaft anzukurbeln.

Fast eine Million Metaller*innen machten bundeweit Druck
„Inmitten einer schweren Krise ist es uns gelungen, die Einkommen der Beschäftigten zu stabilisieren und Arbeitsplätze zu sichern“, kommentiert die Erste Bevollmächtigte den Abschluss. Dies sei nur möglich gewesen, da fast eine Million Beschäftigte – in NRW 118.865 – in den vergangenen vier Wochen bundesweit mit Warnstreiks und fantasievollen Aktionen coronabedingt – mit Abstand und Maske – Druck gemacht haben. Über 6.100 Metaller*innen legten in 21 Betrieben auch in der Region Ennepe-Ruhr-Wupper die Arbeit nieder. Der betriebliche und öffentlichkeitswirksame Druck hat gewirkt: Die Arbeitgeber mussten ihre Forderung nach einer „Nullrunde“ ohne Entgelterhöhung im Jahr 2021 ebenso vom Tisch nehmen, wie die automatische Absenkung von Tarifen nach betrieblichen Kennzahlen.
Der Tarifabschluss gilt zunächst nur für Nordrhein-Westfalen. In den anderen Tarifgebieten werden IG Metall und Arbeitgeber noch vor Ostern über die Übernahme des Pilotabschlusses aus Nordrhein-Westfalen verhandeln. Die anderen Bundesländer oder Tarifbezirke werden ihn aller Voraussicht nach im Grundsatz übernehmen – wobei es wegen regionaler Besonderheiten im Detail noch Unterschiede geben kann. Der IG Metall-Vorsitzende, Jörg Hofmann, forderte die regionalen Arbeitgeberverbände zu einer schnellen Übernahme auf. „Dazu gehört auch, dass die offenen regionalen Fragen gelöst werden. Dies betrifft etwa die Angleichung der Stundenentgelte in den ostdeutschen Tarifgebieten.“