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„Bodyguard der Reichen“

Finanzminister Lindner lehnt „Reichen-Soli“ der „Wirtschaftsweisen“ ab.

Am 28. Oktober verkündete Bundespräsident Walter Steinmeier in seiner Rede an das Volk: „Jeder muss beitragen, wo er kann. Und diese Krise verlangt, dass wir wieder lernen, uns zu bescheiden.“ Wen meinte er damit?

Die 500 reichsten Deutschen, die Anfang Oktober im Manager Magazin aufgelistet waren. Es waren wieder dieselben Namen, die ihren Nektar aus dem Fleiß von Millionen Menschen ziehen wie u.a. die BMW-Geschwister Susanne Klatten und Stefan Quandt, die Familie Porsche, Theo Albrecht jun. samt Familie Babette Albrecht (Aldi Nord) und Dieter Schwarz aus Heilbronn, dem Kaufland und Lidl gehören. Oder meinte Steinmeier doch in erster Linie die Arbeitnehmer*innen, denen abgehobene Politiker schon seit einiger Zeit mit Dusch- und Strickpullover-Ratschlägen über den Winter helfen wollen.

Nun sprach sich aktuell ausgerechnet eine Institution für eine höhere Steuerlast für „Spitzenverdiener“ aus, von der man dies üblicherweise nicht erwartet: Der konservative Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage der Bundesregierung empfiehlt in seinem neuen Jahresgutachten die „temporäre Erhöhung des Spitzensteuersatzes“ oder die „Einführung eines Energiesolidaritätszuschlags für Reiche“. Die sogenannten „Wirtschaftsweisen“ erklärten, dies würde dazu beitragen, „die Zielgenauigkeit des Gesamtpakets aus Entlastungen und Belastungen zu erhöhen und zu signalisieren, dass die Energiekrise solidarisch bewältigt werden muss“.

Ein richtiger Vorschlag: Denn während die steigenden Preise die Beschäftigten immer stärker belasten, wachsen die Vermögen der Reichsten ungebremst weiter. Nach dem Monatsbericht der Bundesbank vom Juli 2022 verfügen die oberen zehn Prozent der Vermögenbesitzenden über rund 50 Prozent der Nettovermögen in der Bundesrepublik, die untere Hälfte über knapp 1,2 Prozent. Selbst in der Coronapandemie wuchs der Klub der Reichen, wie die Vermögensstudie der Schweizer Bank Credit Suisse zeigt. In Deutschland lebten demnach 2,95 Millionen Dollar-Millionäre, über 633.000 mehr als im Jahr zuvor. Das sind Menschen, die mehr als eine Million Dollar Vermögen in Bargeld, Aktien und Immobilien besitzen.

Viele Konzerne fahren hohe Gewinne ein. Sie müssen abgeschöpft und zur Gegenfinanzierung der Entlastungen genutzt werden. Die Gewerkschaften fordern deshalb schon lange, dass Superreiche und Vermögende mehr Steuern zahlen und über eine einmalige Vermögensabgabe zur Kasse gebeten werden.

Sofort wurde versucht, die Vorschläge des Sachverständigenrates zu diskreditieren und den Experten Unfähigkeit zu unterstellen. „Beim Sachverständigenrat musste der ökonomische Sachverstand dem Zeitgeist weichen“, twitterte der Politikchef des Handelsblatts, Thomas Sigmund. Der Kommentator der Frankfurter Allgemeinen Zeitung begründet die Ablehnung eines erhöhten Steuersatzes mit dem Satz: „Irgendwann sind auch Grenzen für Besserverdienende erreicht.“ Dabei sind die Abgaben für Besserverdienende in Deutschland historisch und auch im internationalen Vergleich gesehen vergleichsweise niedrig.

Auch der „Bodyguard der Reichen“, Finanzminister Christian Lindner (FDP), für den der Schutz für Vermögende und Spitzenverdiener oberste Priorität hat, grätschte sofort dazwischen. Die Bundesregierung beabsichtige, „keine Steuern zu erhöhen“, verkündete der FDP-Politiker lauthals im Interesse seiner Klientel. Es werde keine Steuererhöhungen geben, denn so steht es im Koalitionsvertrag, basta, und überhaupt seien die armen Bürger schon so gebeutelt, dass ihnen keine weiteren Belastungen zuzumuten sind. Meint er die Bürger*innen, die dieses Jahr keine Weihnachtsgeschenke für ihre Kinder kaufen können. Oder meint er die Bürger*innen, die nicht mehr warm duschen oder nicht mehr heizen, während Energiekonzerne Rekordgewinne einfahren? Meint er die Führungskräfte dieser Konzerne?

Wie zu erwarten, findet Lindner Unterstützung vor allem bei den Wirtschaftsverbänden: Es müsse alles getan werden, um Arbeitsplätze und Produktion in Deutschland zu halten, sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. „Steuererhöhungen gehören ganz sicher nicht dazu.“ Und DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben sprach von einem „Schlag ins Kontor“, sollte die Politik die Empfehlungen des Sachverständigenrats umsetzen.

Tatsächlich sind die von den „Wirtschaftsweisen“ vorgeschlagenen Steuererhöhungen bemerkenswert. Allerdings hat das Konzept, bei der Einkommensteuer anzusetzen, seine Grenzen, denn Superreiche haben vor allem sehr große Vermögen und damit Vermögenserträge, die pauschal versteuert werden. Die Empfehlung selbst ist dennoch als Zeichen der Zeit nicht zu vernachlässigen. Das Gremium sprach sich geschlossen dafür aus, samt dem Vertreter der Arbeitgeber: ein Zeichen der Ratlosigkeit des ökonomischen Mainstreams, der neoliberale Denkmuster und Glaubenssätze in der Krise infrage stellt.

Die Steuerpolitik bietet etliche Stellschrauben, um für mehr Verteilungsgerechtigkeit zu sorgen. Sie alle sind wichtig: Von Steuern auf das Arbeits- und Kapitaleinkommen über die Erbschaftsteuer bis hin zur Vermögensteuer. Die Vermögensabgabe, die nun auch die SPD fordert und die schon im Wahlprogramm der Grünen stand, ist ein besonders geeignetes Instrument zur Umverteilung, denn sie hat einige grundlegende Vorteile.

Sie kann zum Beispiel ganz einfach vom Bundestag verabschiedet werden, bei anderen Steuern dürfen die Länder im Bundesrat mitreden. Die CSU/CDU würde hierbei ganz sicher nicht kooperieren, da sie sich auf Kosten der FDP bei Gutverdienern profilieren könnte. Dabei war es die Union, die in der Nachkriegszeit unter Bundeskanzler Konrad Adenauer mit dem Lastenausgleich selbst das Instrument der Vermögensabgabe nutzte. Heute gelten solche Maßnahmen als „sozialistisches Teufelszeug“.

Letztlich stellt sich die Frage: Lassen SPD und Grüne es weiter zu, dass ihnen eine Sechs-Prozent-Partei (da liegt die FDP laut Forsa im Moment) und Christian Lindner auf der Nase herumtanzen?

Autor: Otto König

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