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Danke, Herbert Grönemeyer!

„Tumult“ heißt – nach seinem jüngsten Album – die aktuelle Tournee von Herbert Grönemeyer, die ihn Mitte September auch nach Wien führte. Der 63-jährige Sänger, in Bochum – „Tief im Westen“ – aufgewachsen, hatte sich noch nie davor gescheut, sich politisch klar gegen rechts zu positionieren. Schon in seinem musikalischen Plädoyer gegen Neonazis und rechte Tendenzen im Land seinem Song „Die Härte“ von 1993 heißt es schon: „Hart im Hirn, weich in der Birne, ohne Halt, einfältig und klein. Auf der Suche nach einem Führer: Es ist hart, allein beschränkt zu sein“.

Und erst im Sommer sagte er beim Festival „Kosmos Chemnitz – Wir bleiben mehr“: „Das Land ist unser Land. Wir halten es fest und stabil und lassen es nicht nach rechts ausschwenken.“ Grönemeyer lässt kein Konzert verstreichen, ohne ein paar klare Worte gegen rechten Hass und Hetze zu finden – so auch in der österreichischen Hauptstadt. In einer Pause zwischen zwei Liedern plädierte er für eine offene, humanistische Gesellschaft, die Menschen Schutz bietet, rief dazu aufkeinen Millimeter nach rechts“ zu rücken und sagte in seinem unverwechselbaren Wort-Stakkato und harschem Tonfall, wenn Politiker schwächelten, „dann liegt es an uns, zu diktieren, wie ne´ Gesellschaft auszusehen hat. Und wer versucht, so ne´ Situation der Unsicherheit zu nutzen für rechtes Geschwafel, für Ausgrenzung, Rassismus und Hetze, der ist fehl am Platze.“

Die Kritiker in den sozialen Medien an seinem Auftritt in Wien beziehen sich vor allem auf die Tonalität des Musikers, der Tonfall, mit dem Grönemeyer sein Publikum politisch anheize, mache „ein wenig Angst“. Dass der Deutschrocker auf der Bühne laut wird, ist nichts Neues. Jeder, der schon mal auf einem seiner Konzerte war oder eine Platte von ihm gehört hat, weiß: Grönemeyer ist kein Stimmakrobat, der immer jeden Ton in Perfektion trifft. Die Menschen lieben seine Stimme eher, weil er mit ihr große Emotionen transportiert, und dies gelegentlich auch ungestüm.

Vom Musiker Herbert Grönemeyer und seiner Haltung gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass, zum direkten Vergleich mit Joseph Goebbels Sportpalastrede, dauerte es bloß ein paar Tweets. Den Aufruf Grönemeyers mit einer Sportpalast-Rede zu vergleichen kommentiert der Satiriker Shahak Shapira mit den Worten: „Vergleichen Leute jetzt Grönemeyer mit Goebbels, nur weil er eine Rede in ähnlicher Lautstärke gehalten hat? Mein Föhn ist ungefähr so laut wie eine Kettensäge und ich bekomme trotzdem unterschiedliche Ergebnisse, wenn ich sie mir an den Kopf halte.“ Der Comedian Florian Schroeder schrieb auf Twitter: „Grönemeyers Aufruf mit einer Sportpalast-Rede zu vergleichen, ist infam und vor allem dumm.“ Zur Erinnerung: Der Wuppertaler Joseph Goebbels war ein deutscher Faschist, der für die Novemberpogrome, Deportation und Vernichtung von Millionen Menschen persönlich verantwortlich ist.

Für jeden, der nicht böswillig zuhört, ist eindeutig, was Grönemeyer mit seinem Aufruf meinte: Er will keine Fremdenfeindlichkeit, keinen Rassismus. Deshalb ist es infam, wenn ihm nun ausgerechnet aus der rechten AfD unterstellt wird, er wolle eine Diktatur und habe eine totalitäre Hassrede gehalten. So twitterte die stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Beatrix von Storch: „Das ist die furchterregendste, übelste, totalitärste Hassrede, die ich je gehört habe. Das ist Ton und Furor des neuen Terrors von links.“

Und ihr Kollege der völkisch-nationalistische AfD-Vorsitzende von Thüringen, Björn Höcke, der seit Jahren selbst als Imitator des ehemaligen Propagandaministers durch Säle und Bierzelte tourt, behauptete in einem Tweet, Grönemeyer sei aus dem „bunten Bochum“ geflüchtet und wolle „jene belehren, die mit den Konsequenzen seiner politischen Spinnereien leben und mit ihren Steuern alles bezahlen müssen“. Dass Grönemeyer neben seinem Wohnsitz London auch seine Steuern in Berlin abführt, unterschlägt Höcke natürlich.

Fakt ist: Zum einen möchten AfD-Politiker*innen mit solchen Beschuldigungen den Fokus von sich weglenken: Immer, wenn AfD-Funktionäre auf den Rechtsextremismus in ihren eigenen Reihen angesprochen werden, verweisen sie auf den Linksextremismus. Zum anderen beweisen diese Aussagen, dass die Rechtsradikalen immer dreister versuchen, ihre Gegner*innen als die eigentlichen Feinde der Demokratie zu denunzieren.

Deshalb braucht es in den heutigen Zeiten starke Worte. Und ob die laut oder leise vorgetragen werden, ist nebensächlich. „Wir brauchen Antifaschismus in seiner ruhigen und erklärenden Version, aber wir brauchen ihn auch in der lauten, enthusiastischen Version,“ schreibt die Autorin Margarete Stokowski auf Spiegel online. Letztlich geht es um den Inhalt. Und der stimmt bei Grönemeyer.

Das Lied „Fall der Fälle“, aus dem die von Grönemeyer zu einer Art Kampagnentitel gemachte Zeile „Kein Millimeter nach rechts“ stammt, ist Anfang November 2018 erschienen. In der ersten Strophe von „Fall der Fälle“ hat er den Krawall schon vorweg kommentiert: „Es wird laut gedacht, alles ist erlaubt / Es lallt und hallt von überall / Jeder Geisteskrampf wird ganz einfach mal gesagt / Es wird gejagt ohne Moral.“

Wir leben in Zeiten, in denen es Menschen mit Zivilcourage braucht, die für eine weltoffene Gesellschaft werben. Grönemeyer tut dies. Damit ermutigt er viele in diesem Land, es ihm nachzutun. Dafür muss man einfach sagen: Danke, Herbert Grönemeyer!

Foto: Herbert Grönemeyer – dpa

 

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