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„Das ist ein Riesenerfolg!“

Magna Böcko: Betriebsrat verhindert Ausbluten des Standortes Wuppertal

Wuppertal. (OK) „Du bist Teil von Etwas Größerem“, kann jeder Magna- Beschäftigte auf der Internetseite lesen. Im vergangenen Jahr sollten plötzlich „Teile“ der Belegschaft des Wuppertaler Automobilzulieferers Magna Böco nicht mehr zu dem „Größeren“ gehören. „Die Geschäftsführung überraschte uns mit der Hiobsbotschaft, Produktion nach Polen zu verlagern“, sagt Frank Grawunder. Dank der Hartnäckigkeit des Betriebsrates und gemeinsam mit der IG Metall und dem Ökonomen Prof. Heinz-J. Bontrup sei es gelungen, „dass der Arbeitgeber die Pläne vom Tisch genommen hat“, betont der Betriebsratsvorsitzende.

Magna Böco ist ein mittelständisches Unternehmen im Stadtteil Vohwinkel, das sich auf die Entwicklung, Herstellung und den Vertrieb von Stanzteilen, Schweiß- und Montagebau-gruppen, Schlössern und Verschlusssystemen für die Bereiche Heckklappe, Motorhaube und Rückenlehne für die Automobilindustrie spezialisiert hat. Zu den Kunden gehören Unternehmen aus der Automobilindustrie wie BMW und Daimler.

Die familiengeführte Schloß- und Metallwarenfabrik Böddecker & Co mit Werken in Wuppertal und Tianjin/China wurde 2017 von dem österreichisch-kanadischen Automobilzuliefer-Konzern Magna International Inc. mit Hauptsitz in Aurora/Canada übernommen. Das Werk im Bergischen wurde in den Geschäftsbereich Magna Closures eingegliedert. Nach eigenem Angaben erweiterte die Magna-Gruppe mit diesem Coup ihr Produktportfolio sowie das technische Know-how und stärkte ihre globale Führungsposition auf dem Markt für Verschlusssysteme.

Konzern wollte Produktion nach Polen verlagern

Während der Corona-Krise im Jahr 2020 verkündete die Konzernleitung im kanadischen Aurora einen „Restrukturierungsplan“ für den Produktbereich Verschlusssysteme. „Dem Betriebsrat wurde im vergangenen Herbst von der Geschäftsführung mitgeteilt, dass Schlösser und Verschlusssysteme künftig bei Magna in Polen produziert werden sollen“, erläutert Frank Grawunder. 12 Fertigungsanlagen aus dem Wuppertaler Werk sollten nach Osteuropa verlagert werden. Nur die Produktion von Scharnieren sollte noch In Vohwinkel verbleiben. Die Belegschaft von 380 auf 135 Beschäftigte abgebaut werden.

„Das wollten und konnten wir nicht widerstandslos hinnehmen“, so die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Ute Berg. Auf Anraten des Zweiten IG Metall-Bevollmächtigten Mathias Hillbrandt beschloss das 11-köpfige Betriebsratsgremium einen Berater mit ökonomischen Sachverstand zu beauftragen, ein Gutachten zu den Konzernplänen zu erstellen.

Für den Berater des Betriebsrates Heinz-J. Bontrup entpuppte sich der „Restrukturierungsplan“ des Konzerns als eine „betriebswirtschaftliche Fehlentscheidung“ am grünen Tisch.“ Wie in den meisten Fällen von Produktionsverlagerung haben „die niedrigeren Lohnkosten in Polen als Begründung herhalten müssen“, kritisiert der Ökonom die Pläne der Kapitalseite. Dabei mache doch die Produktion an einem Standort viel mehr aus als nur die Lohnkosten. Es gehe um die Kenntnisse und Erfahrungen der qualifizierten Beschäftigten vor Ort, das technische Knowhow bei Arbeitsorganisation und -abläufen, die Nähe zwischen Entwicklung und Produktion, aber auch um eingespielte Kundenbeziehungen. Und letztlich sprachen auch die Verlagerungs- und Anlaufkosten sowie Kosten für entstehende Qualitätsmängel gegen die Verlagerung.

Konzernpläne wurden vom Tisch genommen

Die gewerkschaftliche Interessenvertretung entwickelte mit Unterstützung von Heinz-J. Bontrup alternative Szenarien, unterlegt mit einem tragfähigen betriebswirtschaftlichen Zahlengerüst, wie die Produktion in Wuppertal gewinnbringend gehalten werden kann. „In den im Oktober 2020 begonnenen Verhandlungen über einen Interessenausgleich haben wir mit sachkompetenten Argumenten hartnäckig für unsere Vorschläge gestritten“, so Frank Grawunder, der auch Mitglied im Ortsvorstand der IG Metall Ennepe-Ruhr-Wupper ist. So sei es gelungen, den örtlichen Geschäftsführer zu überzeugen und ihn zu veranlassen, die Pläne der Konzernzentrale in Kanada vorzulegen.

Mehr noch, die Konzernleitung lenkte ein und revidierte ihre Pläne für Wuppertal: Nur noch drei statt der geplanten 12 Fertigungsanlagen gehen „auf die Reise“ nach Polen. Der Kahlschlag der Arbeitsplätze ist vom Tisch. Die Ausbildung ist gesichert. Es gibt eine Unternehmensplanung verknüpft mit einer Personalentwicklungsplanung bis ins Jahr 2027 „Das ist ein Riesenerfolg“, kommentieren Frank Grawunder und Ute Berg stolz das erarbeitete und erstrittene Ergebnis. Es hätte sich gezeigt, wie wichtig die externe wirtschaftliche Unterstützung war. Nur mit einem Juristen als Berater wäre der Erfolg nicht möglich gewesen.  

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