Der Absturz ins Bodenlose

Ergebnis der Bundestagswahl: Wähler*innen wollen einen Regierungswechsel
Der Bundestagswahlkampf mit den zentralen Themen soziale Sicherheit und Sorge um den Klimawandel ist zu Ende. Die Wähler*innen haben entschieden und die Unions-Parteien CDU/CSU abgewählt. Die Botschaft dieser Wahl ist eindeutig: Die Menschen in unserem Land wollen einen Regierungswechsel – das Lager links der Mitte hat gewonnen.
Das Wahlergebnis unterstreicht das Aufwärts der Sozialdemokratie. Noch vor acht Wochen stand die SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Olaf Scholz in Umfragen bei 15 Prozent, nun hat sie nach dem vorläufigen Endergebnis 25,7 Prozent der Zweitstimmen erreicht. Mit der Betonung auf soziale Gerechtigkeit hat sich die Partei den Titel, Repräsentant der »kleinen Leute« teilweise zurückgeholt. Kurzarbeitergeld, Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro und eine Sicherung der Altersrenten waren ihre klassischen Themen der sozialen Sicherung, die sie durch die Zusage von Reformen im Pflege- und Gesundheitssektor erweitert hat.

Die Grünen erzielen mit ihrer Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ihr bislang bestes Ergebnis im Bund, bleiben mit 14,8 Prozent aber hinter den Erwartungen zurück. Sie konnten aber massiv von der erstarkenden Umwelt- und Klimabewegung profitieren. Die FDP verbesserte sich auf 11,5 Prozent. Die Linke erlebte einen bitteren Wahlabend mit einem katastrophalen Ergebnis: Sie rutschte auf 4,9 Prozent ab. Da sie aber drei ihrer zuletzt fünf Direktmandate verteidigt, zieht sie aufgrund der Grundmandatsklausel entsprechend ihrem Zweitstimmenergebnis in den Bundestag ein.
CDU/CSU stürzen nach 16 Jahren Regierungszeit von Kanzlerin Angela Merkel fast ins Bodenlose. Die Unions-Parteien verlieren gegenüber 2017 4,1 Mio. Wähler*innenstimmen und kommen nur noch auf 24,1% der Zweitstimmen. Ihr Kanzlerkandidat Armin Laschet hat einen grausam schlechten Wahlkampf geführt und seiner Partei ein verheerendes, historisch schlechtes Ergebnis eingebrockt. Was er an Politik anzubieten hatte, überzeugte die Wähler*innen nicht. Die Forderungen nach Steuerentlastung und Einhaltung der Schuldenbremse erreichten keinen Durchbruch bei der Mehrheit der Wahlbevölkerung. Denn die Forderungen nach Steuererleichterungen für Unternehmen und Wohlhabenden untermauerten die Gegenthese: »Einen deregulierten schlanken Staat können sich nur reiche Leute leisten.«
Die Machtmaschine CDU ist schwer ins Stottern geraten. Der Aderlass bei dieser Bundestagswahl fällt so üppig aus, dass es der Partei wie kaum je zuvor in der Nachkriegsgeschichte an die Substanz geht. Doch trotz der verheerenden persönlichen Klatsche will Laschet Kanzler werden. Jetzt gehe es darum, eine Regierung zu bilden. „Wir haben einen klaren Auftrag erhalten“, sagte er am Wahlabend in der „Berliner Elefantenrunde“ und zielte auf eine „Jamaika“ Koalition mit der FDP und den Grünen. Mit diesem Verhalten bestätigt er das schlimmste Klischee gegen Politiker*innen: Dass es ihnen immer nur um Posten und Pfründe geht und nicht um die Sorgen der arbeitenden Menschen. Jetzt würde jemand mit Autorität in der CDU gebraucht, der dem gescheiterten CDU-Kanzlerkandidaten klarmacht, dass es vorbei ist und es an der Zeit ist, dass sich die bisherigen CDU/CSU-Regierungsparteien in der Opposition regenerieren müssen.
Eine Rolle bei dem Wahlergebnis hat sicher auch die Corona-Pandemie gespielt. Nicht der unmittelbare Umgang mit der Bekämpfung des Virus, aber die gesellschaftliche Stimmung, die dadurch entstanden ist. Denn diese Krise hat das Bewusstsein dafür gestärkt, dass es einer Gesellschaft nur gelingen kann, große Herausforderungen zu bestehen, wenn sie sich solidarisch zeigt. Und das ist nun mal eine Kompetenz, die der SPD zugeschrieben wird.

Jetzt braucht es einen Neuanfang: Eine Politik die Klimawandel, geopolitische Verwerfungen und soziale Spaltung ernst nimmt. „Die Bundesregierung muss mit Zukunftsinvestitionen und schlüssigen Konzepten den Umbau einer klimafreundlichen Industrie vorantreiben und dabei auf Sicherheit und Perspektive für die Beschäftigten achten“, so der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann. Um dies umzusetzen, bleibt als einzige, wenn auch schwierige Alternative – eine rot-grün-gelbe Ampel-Koalition aus SPD, und FDP.
Man muss sich jedoch darüber im Klaren sein, dass es vor allem in der Wirtschafts- und Sozialpolitik zwischen SPD und Grünen mit der FDP schwierig werden wird. Mehr öffentliche Investitionen oder höhere Steuern für Reiche etwa könnten an der FDP-Ideologie „wir überlassen alles dem Markt“ scheitern. Es bedarf deshalb gewerkschaftlichen Drucks, damit die eben erst zurückgewonnene politische Glaubwürdigkeit der SPD nicht auf dem „marktwirtschaftlichen“ Altar geopfert wird. Die nächsten vier Jahre dürfen nicht von Minimalkonsensen und Formelkompromissen in der Sozial- und Klimapolitik geprägt sein. Der Handlungsbedarf ist riesig, es bedarf grundsätzlicher Weichenstellungen, um das Vertrauen in die Politik wiederherzustellen.
„Wir erwarten nun eine zügige Regierungsbildung“, so Jörg Hofman in einer ersten Bewertung der Wahlergebnisse. Die Beschäftigten brauchen eine stabile Regierung, die für Sicherheit im Wandel und für Investitionen in die Zukunft sorgt. Die künftige Bundesregierung muss Klimaschutz und nachhaltige Industriepolitik zusammendenken und darf die soziale Komponente nicht vergessen. Es geht um „fairen Wandel“ – sozial und ökologisch. Zukunftsfähig heißt: an die nächsten Generationen zu denken, und soziale Gerechtigkeit zu einem entscheidenden Kriterium von Politik zu machen. Dafür werden die Metaller*innen am 29. Oktober auf die Straße gehen und die Politik mit einem bundesweiten Aktionstag in die Pflicht nehmen. Zukunftsfähig hießt: an die nächsten Generationen zu denken und soziale Gerechtigkeit zu einem entscheidenden Kriterium von Politik zu machen. nehmen.
Ein Kommentar von: Otto König