Der Unmut wächst

IG Metall-Forderung: „Krisengewinne abschöpfen – Kosten deckeln“ aktueller denn je.
Wirtschaftsminister Robert Habeck präsentierte die „Gasumlage“ bei ihrer Einführung als „alternativlos“ und prahlte: sie ist die „gerechteste aller Lösungen“. Alarmistisch warnte der Grünen-Politiker: „Ohne Gas-Umlage droht der Zusammenbruch des Gasmarkts.“ Die inflationstreibende Umlage von 2,419 Cent pro Kilowattstunde (plus 7% Mehrwertsteuer) , die am 1. Oktober in Kraft tritt und zu den schon gestiegenen Energiepreisen Familien weitere Kaufkraft raubt, wurde vom Bundeskabinett mittels Verordnung für eineinhalb Jahre angeordnet. Sie soll die Unternehmen vor der Insolvenz bewahren, die wegen dem Ausfall russischer Gas-Lieferungen aufgrund des Wirtschaftskrieges den Rohstoff teuer auf dem Weltmarkt einkaufen und ihn zu alten Konditionen auf dem deutschen Markt weiterverkaufen müssen. Anlass war das kriselnde Unternehmen Uniper SE. Der Bund stützt den größten deutschen Gas-Importeur mit insgesamt bis zu 15 Milliarden Euro und wird sich mit 30 Prozent an diesem beteiligen sowie bei der Finanzierung des Düsseldorfer Unternehmens helfen.
Inzwischen stellte sich jedoch heraus, dass durch die Gasumlage eingenommenen Mittel, nicht allein Unternehmen wie Uniper SE, die in Schieflage geraten sind, zugutekommen, sondern auch einer Reihe von Krisengewinnern. Der Mehrheit der zwölf Firmen, die offiziell Anspruch auf die Gasumlage angemeldet haben und diese erhalten werden, geht es sehr gut; einige von ihnen konnten im ersten Halbjahr 2022 Gewinnsteigerungen zwischen 30 und 200 Prozent verbuchen. So hat beispielsweise der österreichische Erdöl-, Erdgas- und Chemiekonzern OMV allein im ersten Halbjahr einen Gewinn von 5,6 Milliarden Euro gemacht – deutlich mehr als im Vorjahreszeitraum. Auch der Energiekonzern „Gunvor“ darf die Umlage einsacken – trotz einer Halbjahresbilanz mit einem Gewinn von rund zwei Milliarden Euro. Auch das Energieversorgungsunternehmen EnBW Energie Baden-Württemberg AG kann seinen Aktionären aufgrund der Gasumlage drei Milliarden Überschuss vermelden und satte Dividenden an die Aktionäre ausschütten.
Krisengewinner bekommen Milliarden geschenkt
Das Konstrukt Gasumlage stößt in den letzten Wochen auf immer mehr Ablehnung. Zurecht, bestätigt doch die Konstruktion, dass mit tatkräftiger Unterstützung aus dem Bundeswirtschaftsministerium „Krisengewinner“-Konzerne – statt mit einer Übergewinnsteuer belegt zu werden – zusätzliche Milliarden geschenkt bekommen. Die Bürger*innen sichern so nicht die Existenz der Firmen, sondern die Renditen der Eigentümer, während sie gleichzeitig seit Wochen von Politiker*innen darauf eingeschworen werden, „weniger zu duschen“, den „Waschlappen wieder zu benutzen“ und sich einen „Pullover mehr anzuziehen“, um im Winter nicht zu frieren, wenn die Mindesttemperatur in den Arbeitsräumen auf 19 Grad abgesenkt wird, so der Beschluss der Ampel-Koalition. (1)
Für das Wirtschaftsministerium ist das akzeptabel: „Wir stehen auf dem Standpunkt, dass ein Unternehmen auch Gewinne machen muss, um sich breiter aufzustellen und sich auch letztlich unabhängiger von russischen Gaslieferungen zu machen“, sagte eine Sprecherin. Das heißt also: Wenn der Vize-Kanzler Habeck von „Versorgungssicherheit in Deutschland“, die zielgenau sei, fabuliert, so ist tatsächlich nur die Absicherung von Konzerngewinnen auf Kosten der arbeitenden Menschen zielgenau.
Fakt ist: Jede zweite Heizung in Deutschland wird mit Gas betrieben – und ist dadurch direkt von steigenden Gaspreisen betroffen. Das Ausmaß der Kostenexplosion bei den Gaspreisen für private Verbraucher wird immer deutlicher. Viele Haushalte dürften die in ernste Schwierigkeiten bringen, da bereits die Gas- und Strompreise auf einem hohen Niveau sind und allgemein die Lebenshaltungskosten stark angestiegen sind. „Jeder dritte Haushalt in Deutschland hat kein nennenswertes Erspartes, auf das er in diesen Krisenzeiten zurückgreifen kann, um die höheren Kosten für das Heizen oder die Lebensmittel abzudecken“, sagte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). „Sie sind es, die in dieser Krise doppelt hart getroffen sind: Sie erfahren persönlich eine drei- bis viermal höhere Inflation als Menschen mit hohen Einkommen, und sie haben keinerlei Absicherung, um mit den Mehrkosten umzugehen.“
Gewerkschaften fordern einen Energiepreis-Deckel
Immer dann, wenn Politiker*innen ihre Vorhaben ohne Debatte gegen den Willen der Mehrheit durchdrücken wollen, heißt es: „There is no alternative“. (Es gibt keine Alternative). Welch ein blühender Unsinn. Statt Konzerne zu pampern, wäre ein „Gaspreisdeckel“ für den Grundverbrauch ein gerechter Schutzschirm vor allem für die Niedrigverdienenden, die besonders unter den stark gestiegenen Lebenshaltungskosten leiden.
Die Deckelung des Gaspreises für Verbraucher*innen wie für die Stromproduktion würde sowohl eine Entlastung für die abhängig Beschäftigten bedeuten als auch die Inflation insgesamt bremsen. Die IG Metall und der DGB fordern deshalb eine Deckelung des Gaspreises für den Grundverbrauch eines Haushaltes in Höhe von 8.000 KWh. Der Deckel sollte sich am Preisniveau von Ende des letzten Jahres orientieren und etwa 7,5 Cent pro KWh betragen. Für jeden Verbrauch, der darüber hinaus geht, müssten Verbraucher*innen den Marktpreis für Gas bzw. Strom zahlen. Die Mehrkosten der Gasversorger sollte die Bundesregierung orientiert am Großhandelspreis kompensieren, um übermäßige Entschädigungen zu vermeiden
In diesem Modell werden zwar wohlhabendere Haushalte für ihren Grundverbrauch gleichermaßen entlastet wie ärmere, aber der Staat subventioniert hier keinen Luxusverbrauch, das Heizen von großen Villen, Pools oder Saunen zum Beispiel. Das oberste Zehntel der Haushalte verbraucht im Durchschnitt etwa doppelt so viel Gas wie das unterste. Bei reicheren Haushalten sind daher die Spielräume, Gas zu sparen, viel größer als bei Ärmeren.
In Anbetracht der sich im Herbst abzeichnenden zweistelligen Preisentwicklung, so die Bundesbank, ist 2023 weder ein Ende der Preisspirale noch ein „Zurück zu Normal“ zu erwarten. Auch im kommenden Jahr werden die hohen Preise vor allem die arbeitenden Menschen und Rentner*innen treffen. Die bisher beschlossenen Entlastungs-Maßnahmen laufen aus, neue gibt es nicht, und im Land wächst der Unmut. Die IG Metall fordert deshalb, dass die Bundesregierung schnellstmöglich nachsteuert: „Es braucht staatliche Eingriffe, die die galoppierende Inflation bremsen, private Haushalte effektiv entlasten und Profite der Krisengewinner abschöpfen“, so der Zweite IG Metall-Bevollmächtigte Mathias Hillbrandt. Um ihren Forderungen gegenüber der Bundesregierung Nachdruck zu verleihen hat die IG Metall die Kampagne „Krisengewinne abschöpfen – Kosten deckeln“ gestartet.
Anmerkung
(1) Die Raumtemperatur unter das gesundheitsverträgliche Maß abzusenken, könne im Herbst nicht nur zur Gefährdung für die Beschäftigten werden“, warnte Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. „Hohe Krankenstände könnten sich als Bumerang für die Wirtschaft erweisen. Und es braucht nicht viel Phantasie, um sich die produktivitätsbremsende Wirkung von Schal und Handschuhen im Büroalltag vorzustellen“, fügte der Gewerkschafter hinzu.