Arbeitswelt

Der Wandel der Arbeitswelt rückt Bildung in den Blickpunkt

Industrie 4.0 könnte nach einer Studie des Weltwirtschaftsforums in Davos viele Arbeitsplätze kosten, gleichzeitig aber auch neue entstehen lassen. Der Beirat der IG Metall „Zukunft der Arbeit“ befasst sich mit der Studie. Gewerkschafter, Betriebsräte und Experten beraten frühzeitig die Veränderungen und diskutieren die Gestaltungsmöglichkeiten für Beschäftigte.

Die Zahl sorgte für einiges Aufsehen – aber genau so war es ja auch geplant. Pünktlich zum Beginn des Weltwirtschaftsforums in Davos schaffte es am Montag vergangener Woche eine neue Studie mit der Aussage in die Schlagzeilen, dass der Vormarsch der digitalen Welt in den Fabriken und Büros bis zum Jahr 2020 mehr als fünf Millionen Jobs kosten könnte. Die vierte industrielle Revolution, so die Publikation des Weltwirtschaftsforums, werde in den wichtigsten entwickelten und aufstrebenden Volkswirtschaften rund 7 Millionen herkömmliche Arbeitsplätze überflüssig machen, zugleich aber nur rund 2 Millionen Stellen mit neuem Anforderungsprofil schaffen.

So weit, so alarmistisch. Die Frage ist nur: Wie realistisch ist das düster gemalte Szenario, das die Studie aus Davos liefert, in Wirklichkeit? Ist tatsächlich ausgemacht, dass es so kommt?

Jörg Hofmann hat da große Zweifel. „Wie viele Jobs verloren gehen, wie viele neue entstehen, wir dürfen weiterhin skeptisch sein, was die empirische Evidenz der Befunde betrifft“, sagte der Erste Vorsitzende der IG Metall auf der zweiten Sitzung des Beirats „Zukunft der Arbeit“, zu der nun Expertinnen und Experten aus Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie, der Wissenschaft und Politik nach Frankfurt kamen. 

Das von Jörg Hofmann geleitete und vom Ressort „Zukunft der Arbeit“ koordinierte Gremium, dem unter anderem Vorstände und Gesamtbetriebsratsvorsitzende sowie namhafte Wissenschaftler und Staatssekretäre angehören, hat es sich zur Aufgabe gesetzt, Veränderungen der Arbeitswelt frühzeitig zu erkennen und Gestaltungsmöglichkeiten für Beschäftigte zu erschließen. Auf der Beiratssitzung wurde jetzt das Thema Bildung aus unterschiedlichen Perspektiven und Blickwinkeln beleuchtet. „Der Wandel der Arbeitswelt rückt Bildung in den Blickpunkt“, so Jörg Hofmann. „Denn der Wandel ist nur nachvollziehbar, wenn er in neue Bildungskonzepte, neue Formen von Bildung, vor allem aber auch in eine neue Normalität der Qualifizierungskultur von Unternehmen eingebettet ist.“
     
Wie das gelingen kann, was dazu nötig ist, darüber diskutierten die Beiratsmitglieder in Frankfurt intensiv. Klar ist: Fortschreitende Digitalisierung bietet Chancen wie Risiken, sie wird die Arbeitswelt dramatisch verändern – die qualitativen Befunde, die die Studie aus Davos hierzu liefert, sind interessant: Vorausgesagt wird, dass es in den kommenden fünf Jahren zu einer Verschiebung bei den Kern-Anforderungen für Beschäftigte kommt. Bei diesen Kern-Anforderungen handelt es sich um grundlegende Fähigkeiten kognitiver, sozialer wie persönlicher Art, von Selbstlernen bis zu Kreativität, von grundlegenden IT-Kenntnissen bis zu Systemdenken. Die Studie, so Jörg Hofmann, bestätige „nachdrücklich den zentralen Stellenwert, den Bildung als Beschäftigungsstrategie in einer Arbeitswelt hat, die sich radikal wandelt.“ Methodisch allerdings habe sie große Schwächen. Eine Einschätzung, die das Gremium teilte – und die nachfolgend mit drei ausgewählten Statements dokumentiert wird.

  • Prof. Dr. Sabine Pfeiffer, Universität Hohenheim:
    „Die Studie steht methodisch auf wackligen Beinen: nur 371 Personalchefs der größten Arbeitgeber weltweit wurden befragt. Das ist alles andere als repräsentativ. Und darauf aufbauend Ableitungen für unterschiedlichste Branchen, Länder und Tätigkeiten zu machen, ist methodisch hochgradig fragwürdig. Deutschland ist stark mittelständisch geprägt und hat einen starken, innovationsfähigen industriellen Kern. Darüber hinaus: Deutschland hat durch das berufliche Bildungssystem eine Beschäftigtenstruktur, die auch in der Mitte hervorragend ausgebildet ist. Damit sind auch die Voraussetzungen in Deutschland deutlich anders. Wird das Potenzial dieser gut ausgebildeten Beschäftigten heute in die Gestaltung der Arbeitswelt 4.0 partizipativ einbezogen, dann kann mit den neuen Technologien gute Arbeit gestaltet werden. Diese Chance ist jetzt noch da. Wir müssen sie nur nutzen.“

  • Prof. Dr. Henning Kargermann, acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften:
    „Die Digitalisierung wandelt die Arbeitswelt ebenso wie die Unternehmenskultur. Aber die menschenleere Fabrik wird es auch in Zukunft nicht geben. Durch die Automatisierung werden bestimmte Arbeitsplätze wegfallen. Diese potentiellen Arbeitsplatzverluste können aber durch die Wachstumsimpulse der Industrie 4.0 und Smart Services überkompensiert werden. Die Voraussetzungen dafür sind verstärkte Anstrengungen in der Aus- und Weiterbildung. Nur so kann es uns gelingen, alle Beschäftigten mitzunehmen.“

  • Prof. Dr. Christoph Igel, DFKI Berlin
    „Bildung und Qualifizierung werden in Zeiten zunehmender Digitalisierung für den Einzelnen von entscheidender Bedeutung sein. Die Beherrschung zunehmender Komplexitäten, die agile Entwicklung von Inhalten, aber auch die geforderter Flexibilität erfordern auf allen Ebenen industrieller Produktion neue Kompetenzen, neue Bildungsinhalte und insbesondere auch neue Methoden wie zum Beispiel arbeitsplatzintegrierte Qualifizierung. Es gilt nun, bewährte Konzepte etwa zur dualen Ausbildung oder zur berufsbegleitenden Fort- und Weiterbildung, um die wir weltweit beneidet werden, mit neuen Möglichkeiten der Digitalisierung und des digitalen Lernens zu verknüpfen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir in Deutschland dann eine positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt für Beschäftigung gestalten können. Die Digitalisierung von Bildung und Qualifizierung wird eine Schlüsselrolle dabei einnehmen.“
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