AktuellesArtikelWas macht eigentlich

„Der Willkür gemeinsam entgegen stellen“

Es ist Anfang Mai. Über 500 Beschäftigte aus Ennepetaler Metallbetrieben ziehen auf den Markplatz in Milspe. Mit dabei KollegInnen aus dem Voerder-Betrieb mit der „Roten Krone“ – mitten unter ihnen Markus Reiniger, stellv. Betriebsratsvorsitzender der Firma Dorma. Das neugewählte Mitglied im Ortsvorstand applaudierte nicht nur kräftig, wenn es um die Ablehnung der Magerkost der Arbeitgeber und die IGM-Forderung nach 5% ging.

Der IG Metaller unterstützte besonders den Appell in tariflosen Betrieben die Tarifbindung wieder herzustellen, als Antwort auf Arbeitgeber, die mit Lohndumping Schmutzkonkurrenz betreiben und Extra-Profite machen wollen. Er hat es am eigenen Leib erlebt, was es bedeutet, wenn der Arbeitgeber plötzlich aus der Tarifbindung aussteigt. Anfang der 2000er Jahre habe die Dorma Automatic aus der Dorma KG ausgegliedert, den Beschäftigten sei die Tarifbindung in der neuen Tochtergesellschaft schriftlich zugesichert worden.

„Plötzlich im Sommer 2005 brach die Geschäftsführung den Vertrag mit dem Hinweis, es fehle der Begriff „dynamisch“ und verweigerte uns künftige Entgelterhöhungen“, schildert Markus den damaligen Konflikt. In der Ausgabe des metall-blitz von März 2007 wird er mit den Worten zitiert: „Da streichen sich die DORMA-Geschäftsführer dicke Gehälter ein, und wir sollen auf die uns zustehende Gehaltserhöhung verzichten. Dieser Willkür müssen wir uns gemeinsam entgegen stellen“.

Und das taten sie:  In stürmisch verlaufenen Betriebsversammlungen im Haus Ennepetal, im RLC an der Stadtgrenze Schwelm und in Langenhagen, „in denen ein Geschäftsführer schon mal dem damaligen IG Metall-Bevollmächtigten mit Klage drohte“, schildert Markus, der zwischenzeitlich in den Betriebsrat gewählt wurde. Die Servicetechniker im Außendienst und Sachbearbeiter im Innendienst wurden für die IG Metall geworben. 500 von ihnen demonstrierten anlässlich einer Aufsichtsratssitzung in Sichtweite der Dorma-Krone für die Tarifbindung.

Im Juli 2012 war es geschafft. „Für die Automatic D und die  Standorte Bad Salzuflen konnten wir unter Federführung der IG Metall die Tarifbindung unterzeichnen“, sagt Markus Reiniger und fügt zufrieden hinzu: „Unser Einsatz führte zum Erfolg und dazu, dass ich nun die abgeschlossene Entgelterhöhung 2016 auch bekomme“.

Markus Reiniger wurde 1963 in Hagen geboren. Die prägenden Ereignisse in seinem Geburtsjahr sollte er erst später erfahren: Die Ermordung des US-amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy und das schwere Grubenunglück im Eisenerzbergwerk Lengede-Broistedt. Die kaum noch für möglich gehaltene Rettung von elf eingeschlossenen Kumpeln nach 14 Tagen ging als „Wunder von Lengede“ in die Geschichte ein.

Aufgewachsen in Fröndenberg besuchte er in Unna das Gymnasium, das er mit dem Abitur abschloss. „Ja, widerborstig“ sei er in der Schulzeit schon gewesen, meint Markus und schiebt nach, „ich habe halt alles in Frage gestellt, das nervte die Lehrer schon“. Nicht die schlechteste Voraussetzung um später betrieblicher Interessenvertreter zu werden. In der Freizeit betätigte er sich in der Leichtathletik und schraubte am „Moped“.

Mitte der 1980er-Jahre begann er bei UNION Fröndenberg, die Fahrradteile produzierte, eine Ausbildung als Werkzeugmechaniker. Hier wurde er 1988 auch Mitglied der IG Metall. Markus erinnert sich, dass der Ausbildungsmeister ihn auf die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft angesprochen habe. „Mir leuchtete die Logik, dass sich Arbeitnehmer organisieren müssen, um sich gemeinsam wehren zu können, ein“. Nach dem Facharbeiterabschluss begann er an der Fachhochschule Dortmund sein Maschinenbau-Studium. Finanziell nicht gerade rosig gebettet, arbeitete Markus Reiniger zuerst ein Jahr im Dortmunder VEW Sonnenenergie-Forum und montierte danach Dorma-Türen.

Das war sein Einstieg in die Berufstätigkeit beim Türschließer-Produzenten Dorma zuerst in Ennepetal und dann als Sachbearbeiter im Service-Innendienst an der Stadtgrenze Schwelm. Zu seinem Aufgabengebiet gehörte die Integration von Niederlassungen in den Service-Bereich West. An der Schnittstelle Innen- und Außendienst bekam der Gewerkschafter die Sorgen und Probleme der Service-Techniker, aber auch die Ignoranz der Vorgesetzten, mit.

Es sei Uli Windmüller, der damalige stellv. Betriebsratsvorsitzende, gewesen, der ebenfalls aus dem Bereich Automatic D kam, der ihn für eine Kandidatur bei die Betriebsratswahl ermutigt habe. Die schreiende Ungerechtigkeit, dass der Service-Bereich durch den Vertragsbruch der Dorma-Geschäftsführung von der Tariflohnentwicklung abgekoppelt worden war, sei für ihn ein entscheidender Grund gewesen, anzutreten. „Im Jahre 2006 bin ich zum ersten Mal in das siebzehnköpfige Gremium gewählt worden“, erzählt Markus. 2013 freigestellt, wählten ihn seine Betriebsratskollegen ein Jahr später als Stellvertreter von Jörg Kannapin an die Spitze des Gremiums. Zwei Jahre später wählten ihn IG Metall-Mitglieder in die Delegiertenversammlung. In diesem Kreis wurde er in den Ortsvorstand der IG Metall Gevelsberg-Hattingen gewählt.

Aktuell müsse sich die Betriebsratsspitze und das Gremium  mit den Auswirkungen der Fusion der Ennepetaler DORMA-Gruppe mit  der Kaba Gruppe aus Rümlang bei Zürich (Schweiz) auseinandersetzen. Außer dass weltweit 800 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen, halte die Geschäftsführung mit ihren „Planungen über die Strukturveränderungen im Zuge des Fusionsprozesses“ bisher hinter dem Berg. „Dies führt vor allem im Verwaltungsbereich zur Unruhe“, sagt Markus Reiniger. Denn gerade hier bestünden Überschneidungen mit kaba-Standorten.

Der Leidenschaft fürs Motorradfahren frönt er immer noch. Geschraubt wird jetzt noch zusätzlich am Cabrio seiner Freundin Kerstin. „Und neben dem Badminton spielen, kann ich am besten beim spaziergehen mit Kerstin und unserem Hund Stress abbauen.“ Kaum gesagt, sitzt der stellv. Betriebsratsvorsitzende schon wieder in der Betriebsrätevollversammlung im Bildungszentrum Sprockhövel, in der die Betriebsratsmitglieder aller Standort der dorma + kaba Gruppe ihr weiteres Vorgehen beraten. Natürlich mit der IG Metall, die sich für die Interessen der arbeitenden Menschen einsetzt.

 

Foto: IGM G-H

Weitere Artikel

Back to top button
Close