„Der Zug muss jetzt nur noch losfahren!“

1,5 Millionen Metaller*innen erkämpften sich im Frühjahr mit Warnstreiks einen guten Tarifabschluss: akzeptable Entgelterhöhungen, ein Recht auf „verkürzte Vollzeit“ mit Rückkehrrecht zur „Normal-Vollzeit“ und die Wahloption für Schichtarbeiter*innen und Beschäftigte mit bis zu acht Jahre alten Kindern sowie pflegebedürftigen Angehörigen, das ab 2019 anstehende „Tarifliche Zusatzgeld“ (TZUG) in Höhe von 27,5% eines Monatsentgelts in acht zusätzliche freie Tage umzuwandeln.
Bei den Warnstreiks, mit dabei die Beschäftigten der Schmiede Bharat Forge CDP, die u.a. am Aktionstag in Ennepetal von „ihrem“ Betrieb zur IG Metall-Kundgebung am Industriemuseum demonstrierten, um gemeinsam mit anderen Belegschaften Druck zu machen. „Die Bereitschaft unserer Kollegen mitzumachen, sich am Warnstreik zu beteiligen ist deutlich gestiegen,“ stellt der Betriebsratsvorsitzende Udo Kuhlmann nicht ohne Stolz fest. Doch die CDP ’ler haben den Tarifvertrag nicht nur miterkämpft, sie nutzen ihn auch. „Wir können feststellen, dass die tarifvertraglich vereinbarte Wahloption „Acht freie Tage statt zusätzlichem Urlaubsgeld bei uns im Betrieb gut angenommen worden ist,“ sagt sein Stellvertreter Andreas Steinke.
Foto: Die beiden Betriebsratsvorsitzenden von Bharat Forge CDP Udo Kuhlmann und Andreas Steinke (v.l.n.r.) – Foto: IGM-GH
Von den rund 560 Beschäftigten (ohne Leiharbeiter) hatten zum Zeitpunkt der Antragstellung 280 Metaller*innen Anspruch auf die Wahloption, davon haben 138 einen Antrag auf Nutzung der Option „freie Tage statt Geld“ für das Jahr 2019 gestellt: 130 Schichtarbeiter, fünf Arbeitnehmer mit pflegebedürftigen Angehörigen und drei Beschäftigte mit bis zu acht Jahre alten Kindern. Zwei Kollegen nutzen die „verkürzte Vollzeit“, d.h. Absenkung der Arbeitszeit auf 28 Stunden ohne Lohnausgleich.
Dass die meisten Anträge auf Umwandlung von Geld in Zeit von den in Schicht Arbeitenden gestellt wurden, verwundert die beiden Betriebsratsvorsitzenden, die auch Mitglied des Ortsvorstandes der IG Metall Gevelsberg-Hattingen sind, nicht. Zum einen habe dies natürlich etwas mit den Belastungen, also der zunehmenden Arbeits- und Leistungsverdichtung in der Produktion zu tun, zum anderen bekommen sie durch die Verblockung auch tatsächlich ihre freien Tage und müssen nicht wie bei den im Arbeitszeitkonto angesammelten Stunden hinterherlaufen bis sie daraus ihre feien Tage entnehmen können.
„Wer Anspruch hat und will, der kann!“
„Um unsere Kolleginnen und Kollegen über ihre Ansprüche kompetent informieren zu können, haben sich Betriebsratsmitglieder und Vertrauensleute auf IG Metall-Seminaren kundig gemacht,“ schildert Udo Kuhlmann den Start des Prozesses zur Umsetzung des Tarifvertrages. und fügt hinzu: „Wir wollten von Anfang an im Betrieb eine transparente und beteiligungsorientierte Umsetzung der neuen tariflichen Ansprüche.“ Die Beschäftigten konnten bis Ende Oktober in der Personalabteilung ihren Antrag zur Nutzung der Wahloption stellen. Danach nahm der Betriebsrat mit der Arbeitgeberseite die Gespräche zur Umsetzung auf.
Die Marschroute des Betriebsratsgremiums lautete von Anfang an: „Wer Anspruch hat und will, der kann!“ Andreas Steinke: „Damit sind wir auch in die betrieblichen Gespräche mit dem Arbeitgeber gegangen. Denn Flexibilität darf keine Einbahnstraße sein, auf der die Arbeitgeber die Fahrtrichtung vorgeben.“ Nach anfänglichen kontroversen Debatten über „wer darf, wer darf nicht“ hätten sie, im Gegensatz zur offiziellen Linie des Metallarbeitgeberverbandes, schnell eine „pragmatische Lösung“ gefunden: Alle die einen Anspruch haben dürfen die Wahloption in Anspruch nehmen, fünf der acht freien Tage werden geblockt und drei können flexibel genommen werden.
„Damit können im Betrieb alle gut leben. Eine Blockadehaltung der Geschäftsführung hätte nur Ärger gegeben und die Motivation der Betroffenen wäre in den Keller gegangen“, sind die beiden Betriebsratsvorsitzenden überzeugt. Der Zug stehe jetzt auf den Gleisen, jetzt muss er nur noch losfahren. Im Übrigen: Udo und Andreas und ihre Mann- und Frauschaft sind auch davon überzeugt, dass es sich lohnt Mitglied der IG Metall zu sein, um solche Tariferfolge gemeinsam durchsetzen zu können.
Warnstreik und Demonstration der Bharat Forge CDP-Beschäftigten während der Metall-Tarifrunde 2018 Foto: IGM GH-Archiv