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„Der Zusammenhalt ist wichtig“

Der O&K- Antriebstechnik-Betriebsratsvorsitzende Gerd Starosta wechselt in den Ruhestand

Vor 43 Jahren – im Jahr 1979 – nahm Gerd Starosta bei der Orenstein & Koppel AG im Werk Hattingen seine Tätigkeit als Maschinenschlosser auf. Zu diesem Zeitpunkt produzierten auf dem Werksgelände an der Nierenhofer Straße noch rund 1.300 Beschäftigte Achsen, Getriebe und Rolltreppen. Als der langjährige Betriebsratsvorsitzende der O&K Antriebstechnik nun nach vier Jahrzehnten in den Ruhestand wechselt, sind noch rund 140 Beschäftigte im neuen Werk an der Werksstrasse auf dem ehemaligen Hüttengelände tätig. „Aber auch nur deshalb, weil wir 2009 wochenlag gegen die geplante Produktionsverlagerung und den damit verbundenen Arbeitsabbau durch den Carraro-Vorstand gekämpft haben“, sagt das Mitglied des IG Metall-Ortsvorstandes. Man spürt seinen Stolz als er feststellt: „Unsere Solidarität führte zum Erfolg“.  Zurecht: Denn der Betrieb, der heute zum italienischen Bonfiglioli-Konzern gehört, blieb erhalten, Investitionen wurde getätigt und der Umzug in neue Hallen aufs ehemalige Hüttengelände an der Ruhr vollzogen.

Es war Mitte der 1980er-Jahre als ihn die Kolleg*innen in seiner Abteilung zum ersten Mal als Vertrauensmann wählten. „Damals gab es auch bei Vertrauensleutewahlen noch einen regelrechten Wahlkampf“, erinnert er sich. 1994 wurde er in den Betriebsrat gewählt. In den 1988er und 1990er-Jahren folgte in der O&K AG ein Restrukturierungsprogramm nach dem anderen. Immer habe es geheißen: Noch dieser Schnitt, dann sei der Standort gesichert. Der Belegschaftsabbau sei „sozial verträglich“ über das Ausscheiden der 58er-Regelung vollzogen worden, doch „das ändert nichts an der Tatsache, dass die Zahl der Beschäftigten immer kleiner wurde“, schildert Gerd die Auswirkungen. Die Rolltreppen-Produktion wurde an den finnischen Konzern KONE verkauft und von diesem 2005 stillgelegt. Im Jahr 2000 schluckte der italienische Konzern Carraro SpA die Antriebstechnik am Standort Hattingen.

„Konfliktbereitschaft der Belegschaft ist wichtig“

Doch auch nach dem Verkauf der O&K AT kehrte im Hattinger Betrieb keine Ruhe ein. „Die Italiener wollten unseren Fertigungsbetrieb amputieren und uns auf eine Montagebude reduzieren“, berichtet Gerd. „Wir ließen uns nicht einschüchtern“. In einer „dreitägigen Betriebsversammlung“ diskutierten wir mit unseren Kolleginnen und Kollegen „Alternativen zum Restrukturierungsplan der Geschäftsführung“. „Wir hätten noch länger getagt, wenn uns nicht eine durch den Geschäftsführer Paolo Menegozzi erwirkte einstweilige Verfügung gestoppt hätte“. Nicht nur in dieser Auseinandersetzung habe sich gezeigt, wie wichtig „die Konfliktbereitschaft einer Belegschaft“ ist. Dies hätten all die vielen Geschäftsführer, die sich zum Teil die Türklinke gegenseitig in die Hand gaben, erfahren müssen.

Und für den Betriebsrat und die Vertrauensleute sei es immer vom „großen Vorteil gewesen, durch die Hauptamtlichen der IG Metall in Wirtschaftsausschuss-Sitzungen, Betriebsversammlungen und bei Aktionen unterstützt zu werden.“ „Deshalb war es auch selbstverständlich, dass unsere Kolleginnen und Kollegen, wenn sie von ihrer Organisation aufgerufen wurden, die Arbeit niederzulegen und Druck auszuüben, auf den Werkshof oder auf die Straße gingen“, hebt Gerd hervor. Dabei habe die Kreuzung an der Martin-Luther-Straße immer wie „ein Magnet“ gewirkt. „Hier mussten wir immer erst eine etwas längere Pause einlegen, bevor wir weiter in die City demonstrierten“, sagt er schmunzelnd.

Foto IGM ERW-Archiv: Demonstration vor dem Landgericht in Hamm
Demonstration vor dem Landgericht in Hamm

Im Jahr 2009 als die Carraro-Gruppe einen großen Teil der Getriebeproduktion nach China verlagern und die Zahl der Beschäftigten am Hattinger Standort auf 60 zusammen streichen wollte, erlitt sein Vorgänger im Amt Norbert Hogrebe einen Schlaganfall und Gerd musste den Vorsitz übernehmen. Und dies in einer schwierigen Phase: „Wir erarbeiteten mit dem Info-Institut „Alternativen gegen die geplante Produktionsverlagerung“, gleichzeitig übten wir mit betrieblichen und  öffentlichkeitswirksamen Aktionen und Kundgebungen Druck auf den Vorstand in Italien aus.“ Er werde nie vergessen wie sie am 25. November 2009 kurz nach fünf das „Feuer der Solidarität“ entzündet hätten, während am Werkszaun ein Transparent „Sciopero – Streik!“ verkündete.

Nach 28 Wochen Kampf gegen Räumungsklage, drohender Produktionsverlagerung und Stellenabbau konnte Gerd im Auftrag des Betriebsrates mit den Verhandlungsführern des Carraro-Vorstandes einen Interessenausgleich und Sozialplan unterzeichnen. Das Herzstück der Vereinbarung beinhaltete die Festschreibung der Produktpalette, die benötigten Maschinen, Auslösung der genehmigten Investitionen sowie die Zahl von 120 Beschäftigten und den Erhalt der Ausbildung. „Es war der Zusammenhalt der Belegschaft und die Unterstützung durch unsere  Gewerkschaft die letztlich zum Erfolg führten“, sagt Gerd aus tiefster Überzeugung.

Etwas Wehmut lag schon über unserem Gespräch an seinem letzten Arbeitstag, an dem er seinen Spind leeräumte und die Schlüssel übergab. Doch Gerd war auch anzumerken, dass er sich auf die kommenden Aktivitäten in seinem neuen Lebensabschnitt freut.

Autor: Otto König

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