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„Die IG Metall war meine politische Heimat“

Franz Bogen – der „Styrumer Junge“ und ehemalige IG Metall-Bevollmächtigte wird 80.

Gefragt was die IG Metall für ihn persönlich bedeutet hat, kommt wie aus der Pistole geschossen: „Die IG Metall war meine politische Heimat!“ Sowohl die Betriebsratsarbeit in einem montanmitbestimmten Unternehmen als auch die Bildungsarbeit sowie die gewerkschaftliche Arbeit vor Ort waren für den ehemaligen Bevollmächtigten der IG Metall Gevelsberg, Franz Bogen, prägende Elemente in seinem Leben. In dieser Woche – am 25. Februar  wird der „Styrumer Junge“ 80 Jahre – er kann auf mehr als 40 Jahre ehren- und hauptamtliche Gewerkschaftsarbeit zurückblicken.

Zu Beginn war es eine Zeit des Aufbruchs, in der es hieß „Mehr Demokratie wagen“: „Wir wollten mehr Mitbestimmung für die arbeitenden Menschen, wir wollten politische Veränderungen bewirken und gestalten“, so der langjährige Gewerkschafter, und dies gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen in den Bertrieben. „Für uns Bildungsarbeiter stand fest, wir müssen ihnen die Hintergründe erläutern, helfen die Zusammenhänge zu erkennen und ihnen Alternativen zu den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen  aufzeigen“, hebt Franz Bogen hervor. Heute nenne man das wohl „beteiligungsorientierte Gewerkschaftsarbeit“. In den vielen Auseinandersetzungen in den 1990er-Jahren um den Erhalt von Standorten und Arbeitsplätzen im Bereich der IG Metall Gevelsberg, die Franz gemeinsam mit den Gewerkschaftssekretären und den betrieblichen Funktionären führte, zahlte sich diese gewerkschaftliche Orientierung aus.  

Der „Stierumer Junge“ kam im Schatten der Röhrenwerke in Mühlheim, die später einen Teil seines Lebensweges bestimmen sollten, zur Welt. Gemeinsam mit seinen Brüdern und Schwestern ist er im Arbeiterviertel Stierum – zwischen Fabrikschloten und Kohlehalden – aufgewachsen. Nach dem Schulabschluss nahm er 1956 bei Thyssen -später Mannesmann-Röhrenwerke seine Ausbildung zum Schmelzschweißer auf. Alle Vorstöße seiner Lehrer bei seinen Eltern, ihn doch auf eine weiterführende Schule zu schicken, scheiterten am Geld – Schulgeld, Geld für Schulbücher und Fahrgeld zur Schule für mehrere Kinder waren in einem Arbeiterhaushalt nicht aufzubringen.

Während seiner Ausbildung wurde Franz Mitglied der IG Metall. Es dauerte nicht lange, dann wählten ihn die Lehrlinge zum Jugendvertreter. Er war einer der den Mund aufmachte, sich nicht alles gefallen ließ – eine Eigenschaft, die ihn auf allen seinen gewerkschaftlichen Stationen begleiten sollte. Vertrauensmann der IG Metall, 1968 erstmals Wahl in den Betriebsrat und nach der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes 1971 freigestelltes Betriebsratsmitglied im 33-köpfigen Gremium, lauteten die nächsten Stationen. Es war die Zeit als die Mannesmann-Röhrenwerke noch über 10.000 Beschäftigte hatte. In Folge der beginnenden Politik der „friedlichen Koexistenz“ boomte das Röhrengeschäft mit der damaligen Sowjetunion.

Viele seiner damaligen Betriebsratskollegen seien im montanmitbestimmten Betrieb in Funktionen des arbeitsdirektoralen Bereiches gewechselt. „Für mich war dies nie ein erstrebenswertes Ziel“, sagt der ehemalige Bevollmächtigte. „Ich wollte das Wissen und die Kenntnisse, die ich mir auf Seminaren der IG Metall angeeignet hatte, weitergeben“:  Zunächst in der betrieblichen Bildungsarbeit, denn im Juni 1978 wechselte er aus dem Stahlbetrieb in das IG Metall Bildungszentrum Sprockhövel. Hier vermittelte er den Vertrauensleuten und Betriebsratsmitgliedern das notwendige Wissen zur Bewältigung der betrieblichen Konflikte. Franz Bogen gehörte zu jenen Lehrer-Kollegen, die ihre  Aktivitäten nicht nur auf die Bildungsstätte beschränkten, sondern vor Ort mitmischten: In Mülheim baute er den Referenten-Arbeitskreis mit auf, für die Verwaltungsstelle Gevelsberg führte er Tages- und Wochenendseminare für die ehrenamtlichen Funktionär*innen durch.

Im Jahr 1985 wählten ihn die Delegierten als Nachfolger von Hans Hirsch zum neuen Ersten Bevollmächtigten der IG Metall Gevelsberg. Franz Bogen übernahm im südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis die Leitung der IG Metall in einer Phase, in der der industrielle Strukturwandel massiv Arbeitsplätze bedrohte.  Hinzu sei gekommen, dass die Subventionen in den neuen Bundesländern unter Helmut Kohl, der in der ehemaligen DDR „blühende Landschaften“ schaffen wollte, die Gießereien im heimischen Raum reihenweise in die Knie gehen ließ. In den Städten Ennepetal, Gevelsberg und Schwelm und Volmarstein waren Belegschaften und ihre Betriebsräte sowie die IG Metall-Vertrauensleute zunehmend mit Insolvenzen, Standortverlagerungen und Betriebsschließungen konfrontiert. Beispielhaft stehen dafür die Arbeitskämpfe bei Linde und die Schwelmer Tanksysteme in Schwelm, Maschinenfabrik Niepmann, Intertractor, Schmermund Verpackungstechnik – alle in Gevelsberg – und die Knorr-Bremse in Volmarstein.

Besonders der Kampf für den Erhalt des Schmiedebetriebes Paul Ferdinand Peddinghaus in Gevelsberg habe bei ihm „tiefe Spuren hinterlassen“.  „Da war zum einen das miese Spiel der Eigentümer mit der Existenz der Beschäftigen, und zum anderen der Kampfeswille der Kolleginnen und Kollegen und die große Solidarität aus der Bevölkerung heraus“, erinnert er sich. „Wir kämpften nicht nur mit allen Mitteln gegen die geplante Stilllegung, sondern auch mit den Kolleg*innen und externen Beratern für alternative Modelle“, betont Franz selbstbewusst und verweist auf das Arbeitnehmermodell bei PfP in Gevelsberg, das nach einem 18-monatigen Kampf zustande kam, doch zwei Jahre später an widrigen Umständen scheiterte.

Gemeinsam mit seinem Nachbar-Bevollmächtigten in Hattingen stellte Franz Bogen Ende der 1990er Jahre die Weichen für die Zukunft der IG Metall in der Region. 54 Jahre nach dem gewerkschaftlichen Neubeginn bündelten die Metaller*innen ihre Ressourcen und schlugen ein neues Kapitel in der Geschichte der Arbeiterbewegung im Ennepe-Ruhr-Kreis auf: die IG Metall Gevelsberg-Hattingen. Bis zur Bildung der heutigen neuen IG Metall Geschäftsstelle Ennepe-Ruhr-Wupper sollte es mehr als 20 Jahre dauern.

Franz Bogen, der auch im wohlverdienten Ruhestand die Aktivitäten der IG Metall als Gesamtorganisation kritisch begleitet, findet insgesamt die Entwicklung nicht gerade „optimal“, formuliert er zurückhaltend. Diese Zurückhaltung gibt der „Schalker, der mit Leib und Seele dabei ist“, sofort auf als wir in unserem Gespräch abschließend auf das Thema „Abstieg in die 2. Bundesliga“ kommen. „Wer was von Fleisch versteht, versteht noch lange nichts von Fußball“, kommentiert Franz die Fehlentscheidungen des Wurstfabrikanten Tönnies als Schalke-Aufsichtsratschef. Dennoch die aktuelle Entwicklung der Mannschaft macht ihm „schon wieder Spaß“ und er hofft darauf, dass bald wieder das vollgefüllte Stadion bebt. Das Team der IG Metall Ennepe-Ruhr-Wupper hofft mit ihm und gratuliert ihm ganz herzlich zu seinem 80. Geburtstag.

Autor: Otto König

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