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Die Reichen zur Kasse bitten!

DIW- Studie: Einmalige Vermögensabgabe würden 310 Milliarden Euro in die Staatskasse spülen

Der Sturm der Entrüstung der neoliberalen Ökonomen und konservativen Politiker war zu erwarten. Der Ifo-Präsident Clemens Fuest twitterte erbost: „Zehn bis 30 Prozent einmalige Steuer auf das Vermögen: Das muss ein schlechter Scherz sein“. Die Milliardäre würden sich einer solchen Abgabe durch Abwanderung entziehen. Es sei der alte Versuch der Linken, „mit der Hetze auf Superreiche auf Stimmenfang zu gehen“, empörte sich der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. (05.11.2020) Ein klassische Pawlow‘sche Reaktion: Immer wenn von Vermögensabgabe die Rede ist und damit die BMW-Erben Quandt und Klatten gemeint sind, reden einige über die Oma und ihr Häuschen, das enteignet werden soll.

Was war geschehen? Die LINKE und die Rosa-Luxemburg-Stiftung haben an den Tresortüren der Multimillionäre und Milliardäre gerüttelt. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin hat in ihrem Auftrag eine Studie (1) über eine mögliche Vermögensabgabe verfasst. Diese soll als einmalige Abgabe auf das bestehende Nettovermögen der privaten Haushalte erhoben werden. Das Aufkommen soll dazu beitragen, die finanziellen Belastungen der öffentlichen Haushalte durch die Corona-Krise zu finanzieren. Die Reichen sollen so zur Finanzierung des Gemeinwesens und zum Abbau der Corona- und krisenbedingten staatlichen Schuldenberge leisten. Je nach Ausgestaltung könnte der Staat bis zu 560 Milliarden Euro mit einer solchen Vermögensabgabe einnehmen. Die Abgabe soll zugleich ein Einstieg in die Wiedererhebung der Vermögenssteuer sein

Fakt ist: Durch die Corona-Krise sind die öffentlichen Haushalte in eine erhebliche Schieflage geraten. Neben den rezessionsbedingten Einnahmeausfällen und Mehrausgaben schießen die staatlichen Defizite durch die Hilfsprogramme und das Konjunkturpaket in die Höhe. Hinzu kommen Kredite und Beteiligungen sowie Bürgschaften und Garantien für notleidende Unternehmen. Dadurch wird die gesamte Staatsverschuldung in Deutschland bis 2022 um mindestens 10 Prozentpunkte des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen. Je nach weiterem Verlauf der Pandemie und deren wirtschaftlichen Folgen ist auch eine Erhöhung um 15 Prozentpunkte und mehr möglich. Diese belaufen sich nach den Plänen von Bundesfinanzminister Olaf Scholz bisher auf insgesamt rund 314 Milliarden Euro. Scholz hält bisher an dem Plan fest, nach der Bundestagswahl schnell mit der Tilgung der wegen der Coronakrise aufgenommenen Schulden zu beginnen.

„Damit drohen eine wirtschaftliche Vollbremsung und der Abriss des Sozialstaats“ so der Linken-Finanzpolitiker Fabio De Masi. Wenn zur Schuldentilgung nicht Sozialausgaben, „Zukunftsinvestitionen“ für Infrastruktur, Forschung und Bildung, oder andere Ausgaben eingeschränkt werden sollen, müssten die Steuern erhöht werden. Doch dies muss genauso wie eine Kürzung von Sozialausgaben abgelehnt werden, da die Steuer- und Abgabenbelastungen der Arbeitnehmer*innen und Mittelschichten schon jetzt recht hoch sind. Stattdessen müssen die Vermögen ins Visier genommen werden.

Milliardäre und Multi-Millionäre wie die Quandts und Klattens haben beispielsweise trotz Corona-Pandemie hunderte Millionen Euro Dividende aus BMW-Aktien gezogen. Besonders stark stiegen die Vermögen der Milliardäre, die ihre Gelder aus der Technologie- und Gesundheitsbranche herausholen. Hasso Plattner, Dietmar Hopp, Stefan Quandt (Delton: biologische Heilmittel), Klaus Kühne gehören zur Kategorie der von Corona profitierenden Technologie-, Medizin- und Logistik-Konzernen.

Name Reichtums-Quelle Vermögen 2020 Vermögen 2019 Zuwachs
Albrecht/Heister Aldi-Süd 41,1 Mrd.$ 36,1 Mrd.$ 5,0 Mrd. $
Dieter Schwarz Lidl 35,6 Mrd.$ 22,6 Mrd.$ 13,0 Mrd.$
Susanne Klatten BMW, Altana 24,2 21 3,2
Theo Albrecht jr. Aldi-Nord 21,3 17,4 3,9
Reinhold Würth Würth-Gruppe 19,9 11,2 8,7
Dietmar Hopp SAP, CureVac 18,5 13,4 5,1
Stefan Quandt BMW, Delton 18,1 17,5 0,6
Hasso Plattner SAP/Software 17,6 13,5 4,1
Klaus-M. Kühne Kühne+Nagel, Hapag-Lloyd 17,5 12,9 4,9
Hermann Thiele Lufthansa, Knorr-Bremse 16,7 13,6 3,1
Summe 1 – 10:   230,5 Mrd. $ 179,2 Mrd. $ 51,6 Mrd. $ (+28,8%)
Quelle: Forbes: The World’s Billionaires List; 1 $ = 0,84 Euro.

Es sei an der Zeit, „dass sich die obersten Ein-Prozent fragen, was sie für dieses Land tun können, und nicht immer nur fragen, was dieses Land für sie tun kann“, so De Masi. Nach der Bewältigung der Corona-Krise werde eine „einmalige Vermögensabgabe“ gebraucht. Als Vorbild für eine solche Abgabe könne der Lastenausgleich in Westdeutschland von 1952 gelten, mit dem Entschädigungen und Hilfen für Kriegsfolgen gezahlt wurden.

Quelle: Tagesschau, DIW/ Die Linke

Die DIW-Studie favorisiert kein bestimmtes Modell; es wurden mehrere Varianten durchgerechnet. Beim vom Linken-Politiker De Masi präferierten Konzept soll die Abgabe auf das abgabepflichtige Vermögen zum 1. Januar 2020 erhoben und über 20 Jahre abgezahlt werden. Bemessungsgrundlage ist das individuelle Nettovermögen der natürlichen Personen, ermittelt aus den abgabepflichtigen Vermögenswerten abzüglich darauf lastender Verbindlichkeiten. Für Betriebsvermögen ist ein gesonderter Freibetrag in Höhe von 2 oder 5 Millionen Euro vorgesehen. Ferner soll ein persönlicher Freibetrag von 1 oder 2 Millionen Euro vom abgabepflichtigen Vermögen abgezogen werden. Der Abgabetarif der Vermögensabgabe ist progressiv, er beginnt mit 10 Prozent und steigt mit höheren abgabepflichtigen Vermögen bis auf 30 Prozent. Der Spitzen-Abgabesatz soll bei einem abgabepflichtigen Vermögen von 30 Millionen Euro einsetzen, alternativ wurden Varianten mit 50 Millionen Euro oder 100 Millionen Euro untersucht. Dabei soll entweder ein Stufentarif oder ein linear-progressiver Tarifverlauf angewendet werden, letzterer belastet die Abgabepflichtigen im Eingangsbereich des Tarifs stärker.

Die Vermögenskonzentration in Deutschland ist erheblich. Das reichste Prozent der Bevölkerung, das bei einem persönlichen Nettovermögen von 1,8 Millionen Euro beginnt, besitzt 32 Prozent des gesamten Vermögens. Die reichsten 0,1 Prozent, die ab einem persönlichen Nettovermögen von 8,7 Millionen Euro beginnen, besitzen 16 Prozent des gesamten Vermögens. Daher kann eine Vermögensabgabe auch bei hohen Freibeträgen ein beträchtliches Aufkommen erzielen. „Dies würde die reichsten 0,7 Prozent der Gesellschaft belasten“, so der Autor der DIW-Studie Stefan Bach. Die Höhe der Abgabe soll zum Stichtag 1. Januar 2020 ermittelt werden. Sie kann einmalig gezahlt oder bis zu einem Zeitraum von 20 Jahren gestreckt werden. Nach den DIW-Berechnungen kämen in diesem Zeitraum insgesamt 310 Milliarden Euro in die Staatskasse, pro Jahr also 15,5 Milliarden Euro.

Die Möglichkeit einer Vermögensabgabe ist im Grundgesetz vorgesehen. Als juristisch notwendige Bedingung dafür wird in der Regel eine Ausnahmesituation angesehen, die einen außerordentlichen Finanzbedarf des Bundes erfordert. Vor acht Jahren nahmen die Befürworter*innen der Abgabe eine solche Situation für die milliardenschweren Kosten der Bankenrettung an. Nun könnten es die Mittel werden, die der Bund zur Stützung der Wirtschaft während der Pandemie zur Verfügung stellt. Die politische Resonanz auf die Studie zur Vermögensabgabe war zu erwarten: Die Union strikt dagegen, die Grünen haben Probleme sich klar zu positionieren, bei der SPD gibt man sich offen für den Vorschlag.

Kommt es nicht zu einer einmaligen Vermögensabgabe der Reichen und Super-Reichen, dann zahlen wie nach der Finanzkrise 2008/09 die Arbeitnehmer*innen über Abzüge, die Verbraucher über die Mehrwert-/Umsatzsteuer und die sozial Schwachen über Kürzung der Sozialleistungen die Schulden und Zinsen. Das gilt es zu verhindern. „Wir werden in den kommenden Verteilungskämpfen zusammenhalten und da abkassieren, wo der Reichtum überquillt«, kündigte das im Zuge der Coronakrise gegründete Bündnis „Wer hat, der gibt“ an.

Autor: Otto König

Anmerkung:

(1)Stefan Bach Vermögensabgabe DIE LINKE. Aufkommen und Verteilungswirkungen Forschungsprojekt im Auftrag der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag und der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Berlin, 30. Oktober 2020

 

 

 

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