Die Villa bleibt warm

Vorschläge der Expert*innen-Kommission: Der Gaspreisdeckel kommt
Der Winter steht bevor, viele Menschen haben angesichts der kühlen Herbsttemperaturen bereits im September die Heizung aufgedreht. Möglicherweise mit schlechtem Gewissen, schließlich ist Gas teuer und die Angst, die Rechnungen nicht zahlen zu können, ist gewachsen.
Schnelle finanzielle Hilfen für die von Inflation und Energiepreis-Steigerungen gebeutelten Haushalte, das Gewerbe und Industrie war das Ziel des „Doppel Wumms“- Entlastungspaketes der Bundesregierung. Nun soll die Gaspreisbremse kommen, aber sie kommt für die meisten zu spät. Jetzt rächt sich, dass die „Ampel“ zu lange an der „Gasumlage“, die ökonomisch unsinnig, ungerecht und juristisch fragwürdig war, festhielt und die Forderungen der Gewerkschaften nach einem Gaspreisdeckel ignoriert und erst im September eine Kommission eingesetzt hat, obwohl die Probleme seit dem Frühjahr absehbar waren.
Die IG Metall forderte schon im Frühjahr „eine Deckelung des Gaspreises für den Grundverbrauch eines Haushaltes in Höhe von 8.000 KWh“. Der Gaspreisdeckel sollte sich am Preisniveau von Ende des letzten Jahres orientieren und etwa 7,5 Cent pro KWh betragen. Die Mehrkosten der Gasversorger sollte die Bundesregierung orientiert am Großhandelspreis kompensieren, um übermäßige Entschädigungen zu vermeiden.
Im Eiltempo hat nun die Expert*innen-Kommission „Energie und Wärme“ ein Konzept vorgelegt, mit dem Privathaushalte und Unternehmen geholfen werden soll, die steigenden Gaspreisen zu stemmen. Allerdings entlastet die sogenannte Gaspreisbremse laut einer Analyse des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung „Haushalte mit viel Geld mehr als Haushalte mit wenig Geld“.
Hinzu kommt: Für die privaten Haushalte soll die Preisbremse erst von März oder April 2023 an gelten – für jeden rational denkenden Menschen ist das ein Hohn. Da die Heizsaison bereits begonnen hat und bis Ende April 2023 gehen wird, umfasst diese Regelung nur einen Bruchteil des Zeitraums, in dem die meisten Haushalte ihr Gas zu extrem teuren Konditionen beziehen müssen.
Nach den Vorstellungen des Gremiums sollen Gas- und Fernwärmekunden im Dezember 2022 erstmal mit einer Einmalzahlung abgespeist werden. Um die Privathaushalte zu entlasten, soll der Staat im Dezember eine Einmalzahlung in Höhe der Abschlagszahlung vom September 2022 leisten, was über den Versorger abgewickelt wird. Was nach einer unkomplizierten Idee klingt, ist eine billige Maßnahme, um für einen Monat das Schlimmste zu verhindern und die Haushalte über Weihnachten zu besänftigen. Was für die Monate Oktober, November, Januar und Februar helfen soll, ist überhaupt nicht geklärt. Zumal die Einmalzahlung auch besteuert wird und der Staat paradoxerweise dadurch sogar wieder Einnahmen hat, mit denen er vorher nicht rechnete.
Für bis zu 25.000 Unternehmen soll bereits ab Januar für 16 Monate eine Preisbremse greifen, die bei einem Beschaffungspreis von 7 Cent pro Kilowattstunde liegt. Sie soll für 70 Prozent des Verbrauchs im Jahr 2021 gelten. Diese Unternehmen haben spezielle Großkundentarife.
Für private Haushalte erstreckt sich die Bremse, die bis Ende April 2024 gelten soll, zwar auf 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs – dort schlägt aber ein immer noch saftiger Preis von zwölf Cent pro Kilowattstunde zu Buche. Für Fernwärmekunden soll eine sogenannte Wärmepreisbremse kommen. Analog zum Gaspreis soll es hier einen garantierten Bruttopreis von 9,5 Cent pro Kilowattstunde Fernwärme geben. Für den Verbrauch oberhalb des Grundkontingents wird der – voraussichtlich sehr hohe – Marktpreis fällig.
Am schwersten wiegt jedoch, dass für die ab April geplante Preisbremse keine konkrete Untergrenze für den Grundverbrauch angesetzt ist. Ebenso ist keine konkrete Obergrenze ausdefiniert, was praktisch bedeutet, dass Villen- und Poolbesitzer, die auf die Preisbremse gar nicht angewiesen sind, mitentlastet werden. „Das vorgeschlagene Modell der Gaspreisbremse ist nicht ausreichend sozial ausbalanciert“, kritisierte ver.di-Vorsitzender Frank Werneke. Durch das Modell werde eine Zweizimmerwohnung genauso behandelt wie eine Villa mit Pool. Auch Armutsforscher Christoph Butterwegge wies daraufhin: Die Einmalzahlung begünstige Vielverbraucher, „also vermutlich eher Wohlhabende mit großen Wohnungen und Reiche mit florierenden Unternehmen“.
Laut der eingangs erwähnten IMK-Studie bekommen die ärmsten zehn Prozent der Haushalte durch die Gaspreisbremse im Schnitt 893 Euro im Jahr erstattet. Ihre Heizrechnung würde sich bei unverändertem Verbrauch fast halbieren. Sie müssten statt 2116 Euro nur noch 1222 Euro für Gas ausgeben. Die oberen zehn Prozent der Haushalte würden laut der Studie im Schnitt um 1375 Euro entlastet werden. Die Besitzerin einer Villa mit Pool und einem Verbrauch von 90.000 Kilowattstunden im Jahr etwa erhält nach Berechnungen des IMK eine Erstattung von 9648 Euro im Jahr. Beim Mieter einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus mit einem Verbrauch von 11.000 Kilowattstunden jährlich sind es nur 1179 Euro. (Spiegel.de)
Nach der Vorlage der Kommission ist es nun Aufgabe der Bundesregierung, daraus Politik und ein Gesetz zu machen. Richtet sich die Ampelregierung nach dem Vorschlag der Kommission riskiert sie hohe Inflationsraten und eine massive Verarmung. Es kommt nun auf die „Ampel“ an, ob sie dieser politischen Richtschnur folgen wird. Und darauf, ob es ausreichend Protest gibt für jede Kilowattstunde, die gerechter verteilt wird. Einen ersten Aufschlag macht die IG Metall beispielsweise an vielen Orten im Bezirk Berlin, Brandenburg und Sachsen. Unter dem Motto „Gerechtigkeit. Jetzt!“ ruft die Gewerkschaft mit vielen demokratischen Bündnispartnern gemeinsam zu Demonstrationen auf.
Autor: Otto König