„Eine Welle der Veränderung!“
Millionenfacher Klimaprotest
Der Klimawandel treibt die Menschen auf die Straßen: Rund um den Globus sind am 20. September Millionen Menschen in rund 5.500 Städten in 150 Staaten auf die Straßen gegangen, um für mehr Klimaschutz zu protestieren. Allein in Deutschland haben sich 1,4 Millionen Menschen in rund 600 Städten an Aktionen beteiligt: Berlin 270.000, Hamburg 100.000, Köln 70.000, Frankfurt 40.000, München 50.000 und Essen 8.000 usw. Die Schüler*innen von Fridays for Future haben gerufen, und alle sind gekommen. Vom Kindergarten-Kind bis zum Opa.
Es war die Fridays for Future – Bewegung, die das Thema Klimawandel durch ihre Aktionen zentral auf die politische Agenda gesetzt hat. Sie werden mittlerweile von vielen anderen Organisationen und Initiativen unterstützt. Darunter sind unter anderem die Gewerkschaften ver.di und IG Metall, die Evangelische Kirche sowie Kinderschutz-, Umwelt- und Hilfsorganisationen, Künstler sowie Eltern- und Großelternnetzwerke.
„Wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“
Auch in Hattingen versammeln sich mindestens 300 Junge und Oldies auf dem Untermarkt in der City, um Flagge zu zeigen: Denn die Klimakatastrophe geht alle an. Schüler, Hausfrauen, Arbeitnehmer, Rentner – sie alle verfolgen das gleiche Ziel: Endlich etwas gegen den Klimawandel tun. Es wird zugehört, musiziert und applaudiert. Selbstgemalte Plakate mit Aufschriften wie „Wäre die Erde eine Bank, hättet ihr sie schon längst gerettet“ oder auf das Thema Mikroplastik anspielend „Früher war der Fisch in der Verpackung, heute ist die Verpackung im Fisch“ „There ist no Planet B“ werden hochgehalten. Die Demonstrant*innen skandieren: „Wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“
Einige von ihnen ergreifen spontan das Wort. Schülerinnen und Schüler, die fordern, dass schleunigst etwas getan werden muss. Denn immer mehr Menschen bemerken die Worthülsen in der Politik und dass in Wirklichkeit nichts passiert. Man müsse sich doch nur den CO2-Ausstoß angucken. Der IG Metaller, der sich mit den Klimaleugnern der AfD auseinandersetzt und fordert: Die neue Klimapolitik muss auch eine soziale Politik sein, die Veränderungen dürfen nicht allein auf den Schultern der Beschäftigten abgeladen werden. Die Aktivistin vom Frauenverband Courage, die daran erinnert, dass Frauen Kinder gebären und dafür sorgen müssen, dass ihnen eine intakte Umwelt übergeben wird. Der Politik- „Oldie“, der an die Umweltkatastrophe in Fukushima erinnert und auf die systemischen Ursachen für die Klimakrise hinweist. Die Pfarrerin und viele mehr – allen machen klar: Ohne Druck von unten, passiert oben nichts. Das ist einfach so.
Rund 1500 Menschen kommen zur Klima-Demo auf dem Rathausplatz in Witten zusammen. „Eins, zwei, drei, vier – für das Klima sind wir hier. Fünf, sechs, sieben, acht – RWE wird plattgemacht“ schallt es von der Bühne, und die Teilnehmer*innen singen mit. Zahlreiche Schilder und Transparente mit Aufschriften wie „Rettet die Erde“, „Oma, was sind Bäume?“ oder „Ich bin jung und brauche die Welt“ wurden in die Höhe gereckt. In Wuppertal demonstrieren rund 5000 Menschen – neben Schüler*innen auch viele Erwachsene vom Döppersberg über die B7 vor das Rathaus Barmen, wo u.a. Vertreter von Greenpeace, Extinction Rebellion und dem Wuppertal Institut sprechen. Die Organisatoren fordern mehr Einsatz von der Stadt in Sachen Klimaschutz. In Niedersprockhövel demonstrieren rund 200 Schüller*innen bewaffnet mit Pappschildern durch das Städtchen zur Zwiebelturmkirche.
Der Tenor auf allen Kundgebungen ist eindeutig: Wir sind ein Teil der Welt, die es zu retten gilt. Und: Es ist allerhöchste Zeit. Wir stecken mitten im Klimawandel, und seine Folgen sind auch schon in Deutschland spürbar: Starkregen und Überschwemmungen, Ernteausfälle in Folge von Dürresommern – was man früher allenfalls im Urlaub im Süden erlebte, gehört in unseren Breiten inzwischen zum Alltag. Die jüngsten Erkenntnis der Wissenschaft deuten darauf hin, dass die Erderwärmung viel schneller voranschreite, als bislang gedacht.
Kein „großer Wurf“: Klimapaket der Bundesregierung
Die Demonstrant*innen gehen u.a. für die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens auf die Straßen und Plätze, in dem vereinbart wurde, dass die durchschnittliche Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden soll. Um dieses Ziel zu erreichen, bleibt der Menschheit nur noch ein bestimmtes Budget an Restemissionen. Doch mit den „Maßnahmen für einen verbesserten Klimaschutz“, die die Große Koalition am Aktionstag beschlossen hat, wird das nicht zu erreichen sein. Das Maßnahmenpaket, auf das sich die Bundesregierung geeinigt hat, ist eher „Pillepalle als ein großer Wurf“.
Das „Päckchen“ sieht unter anderem vor, Benzin und Diesel zu verteuern, die Pendler-Pauschale anzuheben und den Einbau neuer Ölheizungen ab 2026 zu verbieten. Den CO2-Ausstoß will die Koalition auch über einen Handel mit Verschmutzungsrechten verringern.
Die Fridays For Future-Aktivist*innen twitterten nach der Bekanntgabe: „Wir hatten minimale Erwartungen und wurden trotzdem noch enttäuscht. Wir sind fassungslos, wie vehement die Regierung vor so dringend notwendigen Maßnahmen zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels zurückschreckt. Das kann nicht die Antwort auf neun Monate Klimastreiks und auf den Weckruf von über 26.000 Scientists for Future sein.“
Zusammen sind wir nicht aufzuhalten!
Deshalb muss der Druck von der Straße weitergehen. Mit Blick auf den Klimagipfel der Vereinten Nationen, der den nächsten Weltklimagipfel im Dezember in Santiago de Chile vorbereiten soll, sagte die Schwedin Greta Thunberg vor 250.000 Demonstrant*innen in New York: „Wir sind nicht nur ein paar junge Leute, die die Schule schwänzen oder ein paar Erwachsene, die nicht zur Arbeit gegangen sind – wir sind eine Welle der Veränderung. Zusammen sind wir nicht aufzuhalten.“ Es lohnt sich: Es geht um eine lebenswerte Welt!
Klimaprotest auf dem Hattinger Untermarkt – alle Fotos: IGM GH