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„Fette Gewinne mitten in der Krise“

Gewerkschaften fordern: „Übergewinne“ von Energiekonzernen versteuern

Immer mehr Menschen können ihre Rechnungen aufgrund der steigenden Preise nicht bezahlen. Inzwischen hat die Inflationsrate fast 8 Prozent erreicht. Währenddessen streichen Teile der Energiewirtschaft infolge des Ukrainekrieges ungeniert „fette Gewinne“ ein. „Einige Wenige bereichern sich an der Krise, während ein großer Teil der Bevölkerung die Zeche zahlt: „Dem muss ein Ende bereitet werden“, fordert die IG Metall-Bevollmächtigte Clarissa Bader.

Die Kehrseite der gigantischen Übergewinne seien die sozialen Härten, die die Berliner Ampel-Koalition zu wenig abfängt – und mit der Habeck‘schen „Gasumlage“ sogar noch verstärkt. Während die Bürger*innen gezwungen werden, sich an den außerordentlichen Verlusten der Energieunternehmen wie dem Düsseldorfer Konzern Uniper SE zu beteiligen, sind sie an den Extraprofiten der Unternehmen in der Branche nicht beteiligt. „Die Regierung kann nicht die Verluste sozialisieren, die Gewinne aber privatisieren. Das ist mit einer funktionierenden Marktwirtschaft nicht vereinbar“, sagt der DIW-Präsident Marcel Fratscher.

Übergewinne versteuern

Gewerkschaften und Sozialverbände, Vertreter der Linken sowie Teile der Grünen und der SPD fordern deshalb eine „Übergewinnsteuer“. Dahinter steht die Idee, einen Teil der Extragewinne der Rüstungs- oder Logistikkonzerne, von Sonnenblumenöl-, Düngemittel- oder Zementproduzenten, aber vor allem von Mineralölkonzernen und Stromproduzenten abzuschöpfen. Sie alle häufen „Übergewinne“, also überdurchschnittliche Gewinne an, die vor allem durch den Anstieg der Börsenpreise entstanden sind. Das hat unter anderem die Energiekosten in die Höhe getrieben. Diese überschüssigen Gewinne sind also nicht das Ergebnis einer zukunftsgerichteten Innovation oder zusätzlicher Investitionen der Unternehmen. Sie sind ein unverdienter Kriegsgewinn.

Für die arbeitenden Menschen und Rentner*innen bedeutet das: stark steigende Preise, die zunehmend für Unmut sorgen. Die privaten Haushalte stehen vor dem Problem, mit der aktuell hohen Inflationsrate zurechtkommen zu müssen, die neben Lieferkettenproblemen und steigenden Energiepreisen auch auf der Entwicklung der Lebensmittelpreise beruht. Alle Haushalte haben erhebliche reale Einkommensverluste zu verzeichnen, wobei Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen hierunter besonders leiden.

Übergewinnsteuer könnte bis zu 100 Milliarden Euro einbringen

Dabei wäre eine Besteuerung dieser Übergewinne problemlos möglich, wie die Studie „Kriegsgewinne besteuern“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung nachweist. Eine Übergewinnsteuer könnte – je nach konkreter Ausgestaltung und Steuersatz (25, 50 oder 90 Prozent) – dem deutschen Fiskus zwischen 30 und 100 Milliarden Euro jährlich einbringen, so die Autoren der Studie. Größtenteils käme das Geld von Eon, RWE, EnBW und Vattenfall, die mehr als die Hälfte des deutschen Strommarktes beherrschen.

Die Autoren Christoph Trautvetter und David Kern-Fehrenbach vom Netzwerk Steuergerechtigkeit (NSG) rechnen mit Übergewinnen der beiden Branchen von rund 113 Milliarden Euro, was fast einem Viertel des gesamten Bundeshaushalts entsprechen würde. Diese teilen sich auf die unterschiedlichen Sektoren wie folgt auf: 38 Milliarden Euro Übergewinne bei Ölkonzernen, 25 Milliarden bei Gaskonzernen und 50 Milliarden im Stromsektor. Vor allem Letzteres dürfte überraschen. Der Grund hierfür ist, dass der Strommarkt nach dem sogenannten „Merit-Order-Prinzip“ funktioniert. Das bedeutet, dass das teuerste Kraftwerk den Preis für alle Marktteilnehmer bestimmt. Und da nun einmal die Preise für Erdgas stark gestiegen sind, können auch die Betreiber von Wind-, Kohle oder Atomkraftwerken mehr verlangen.

Die Autoren der Studie stellen fest: „Eine Übergewinnsteuer ist rechtlich machbar.“ Sie empfehlen ganz konkret die kurzfristige Einführung einer Übergewinnsteuer für Mineralölkonzerne und Stromproduzenten – wie sie etliche europäische Nachbarländer bereits vollzogen haben. Mittelfristig unterstützen sie den Vorschlag, dass im Rahmen der OECD-Mindestbesteuerung eine dritte Säule (neben der Mindeststeuer und den Verteilungsrechten) geschaffen wird, die Übergewinne dauerhaft steuerpflichtig macht.

FDP – die „Lobby-Partei“ des Kapitals stellt sich quer

Fünf Monate sind vergangen, seit die EU-Kommission in Brüssel „Leitlinien für Übergewinnsteuern“ veröffentlicht hat. In Italien gibt es sie inzwischen für Mineralöl- und Stromunternehmen, in Griechenland, Rumänien und Spanien für Stromerzeuger. Spanien hat zudem gerade die Sonderbesteuerung des Bankensektors angekündigt, Ungarn besteuert eine Vielzahl von Branchen, das aus der EU ausgetretene Großbritannien die lokale Öl- und Gasförderung.

Es gibt gute Argumente für eine Übergewinnsteuer, die nach den Veröffentlichungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages verfassungsrechtlich zulässig wäre, dennoch wird sie insbesondere von der FDP und ihrem Bundesfinanzminister Christian Lindner abgelehnt. Als „Lobby-Partei“ des deutschen Kapitals verweigern sich die Freidemokraten selbst in der derzeitigen Situation einer Stärkung der Staatsfinanzen durch eine höhere Besteuerung von Profiteinkommen. Dabei könnten die so erhobenen Mittel genutzt werden, um weitere Entlastungsmaßnahmen für kleine und mittlere Einkommen auf den Weg zu bringen. Was dringend notwendig ist.

Autor: Otto König

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