Finales Stadium – die Farbe ist braun!
Das Bild der „national-radikalen“ Sammlungspartei AfD in der Öffentlichkeit, wird aktuell durch den Machtkampf zwischen den Rechtsextremen, dem „völkisch-nationalistischen Flügel“ und den sogenannten „Gemäßigten“, den angeblich Bürgerlich-Konservativen, geprägt. Sechs Jahre nach ihrer Gründung und nach vielen Häutungen rumort es derzeit in vielen Landesverbänden. In den größten Landesverbänden, Bayern und Nordrhein-Westfalen, herrscht offener Streit.
Der Konflikt der divergierenden Strömungen um die Vorherrschaft ist allerdings so alt wie die Partei selbst. Die AfD wurde als rechtsliberale Anti-Euro-Partei von Euro-Kritikern wie Bernd Lucke und dem ehemaligen BDI-Chef Hans-Olaf Henkel gegründet. Die AfD hat alsbald ihre Gründer gefressen: Lucke und Co. traten gefrustet mit 2000 Anhänger*innen aus der Partei aus. Die AfD rückte nach rechts, ihr neues Gesicht wurde Frauke Petry und die Partei entwickelte sich von der „Anti-Euro-Partei“ zur „Anti-Flüchtlings- und Anti-Islam-Partei“. Auch Frauke Petry war den Radikalrechten nicht rechts genug; sie wurde daher von Jörg Meuthen und Alexander Gauland ersetzt. Die Partei wurde noch rechter.
Die AfD durchläuft seit Jahren einen Radikalisierungsprozess, bei dem die ultrarechte Gruppierung, der „Flügel“, mehr und mehr die Macht übernimmt, und die Partei zum völkischen Kampfverband ausbaut, dessen Argumentation und Ton sich nicht von der NPD unterscheidet. Die Partei nähert sich damit mehr und mehr dem finalen Stadium: Und das ist braun.
Zur Charakterisierung der Partei wurde bisher von vielen kritischen Beobachtern die glatt polierte Formel ‚Rechtspopulismus‘ bevorzugt. Doch dieser Begriff sei „irreführend, vernebelnd, ja verniedlichend angesichts der Ausrichtung der AfD gegen die offene Gesellschaft und die liberale Demokratie“, so der ehemalige Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld, Wilhelm Heitmeyer. Tatsächlich ist es ein Irrtum zu glauben, dass die „bürgerliche“ Fassade der AfD weit vom rechtsradikalen Gedankengut entfernt ist.
Die Politik der sogenannten „Gemäßigten“ unterscheidet sich vielleicht in Nuancen, aber keineswegs grundlegend von der Ideologie des rechtsextremen Höcke aus Thüringen. Es ist der „moderne Rassismus“, der die beiden sogenannten „Strömungen“ eint: Die Ideologie des Ethnopluralismus, das heißt, jede Nation, jede Kultur bleibt auf ihrem angestammten Boden unter sich. Oder anders ausgedrückt: Nichts gegen Ausländer, wenn sie zu Hause bleiben.
Der auf dem diesjährigen „Kyffhäuser-Treffen“ (1) als „heilsbringender Messias“, gefeierte Thüringer AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke sucht vornehmlich sein ideologisches und verbales Rüstzeug in der braunen Vergangenheit. Seine berüchtigte Rede auf einem Kongress der Neuen Rechten im November 2015 war gespickt mit ideologischen Bezügen zur „nationalsozialistischen Rassenpflege“.
Auch in seiner Rede zwei Jahre später in Dresden, in der er das Holocaust-Mahnmal in Berlin verunglimpft und die Kultur der Erinnerung als „mies und lächerlich“ gemacht hat, bediente sich Höcke munter beim NS-Vokabular und mit Anspielungen auf die Nazi-Diktatur: „Ich zeige euch den langen entbehrungsreichen Weg zum absoluten Sieg! Denn die AfD braucht den absoluten Sieg!“ Ein Volk, ein Reich, ein Höcke, scheint es während der Rede in der „Hauptstadt des Widerstands“ durch die Köpfe der Anwesenden gespukt zu haben, da steht er, unser Führer, der endlich mal Klartext redet.
Höckes Gedankengut entstammt so offensichtlich den Traditionen einer nationalistischen und rassistischen Erweckungsbewegung, dass eine Distanzierung im Sinne der vorgeblichen Ideale der AfD längst hätte durchgesetzt werden müssen – wenn es diese Ideale von Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie tatsächlich in der AfD gäbe. Eine Partei jedoch, deren angeblich gemäßigter AfD-Co-Vorsitzender Alexander Gauland Naziverbrechen als ‚Vogelschiss‘ bezeichnet, menschenverachtende Gewaltphantasien gegen soziale Minderheiten äußert und Migranten die Menschenwürde abspricht, lässt keinen Zweifel daran, dass sie am ganz rechten Rand steht.
Doch obwohl die AfD und ihre Repräsentanten immer offener demokratiefeindlich auftreten und der faschistoide Flügel sich in parteiinternen Machtfragen immer mehr durchsetzt, wird ihnen in der öffentlichen Debatte vor allem in Talk-Shows der öffentlich-rechtlichen Fernsehens immer wieder eine Agitationsbühne geboten, wo sie ihre autoritären, nationalistischen und menschenfeindlichen Haltungen verbreiten können. Nein, sie wollen nicht überzeugen, sondern einen Verängstigungsdruck erzeugen und destabilisieren. Das rechtsextreme Gedankengut sei innen stärker, als man von außen sehe, „Höcke sei ein ‚überzeugter Neonazi“, sagt die AfD-Aussteigerin und Buchautorin Franziska Schreiber.
Es war der AfD-Patriarch Gauland, der sich in der Vergangenheit im Zweifel wiederholt schützend vor ihn gestellt hat. Die AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen und Alexander Gauland haben sein rechtes Netzwerk bisher auch nicht kritisiert. Im Gegenteil: Sie traten als Redner beim Kyffhäuser-Treffen des „Flügels“ auf. Gaulands Mäßigungsappell in Leinfelde in 2019, die AfD sei nicht gegründet worden, um „einen Raum zu schaffen, in dem jeder alles sagen darf“, klingt wie das Eingeständnis, dass die AfD den Extremismus salonfähig gemacht hat.
Aber auch das ist nur Taktik, denn Gauland schiebt nach, man müsse sich „auf die Lippen beißen“. Mit anderen Worten: Der Rechtsextreme Höcke spricht aus, was die AfD denkt, während Gauland, Meuthen, Weidel und Co. die rechte Ideologie hinter einem bürgerlich-konservativen Anstrich verstecken. Deshalb ist auf dem Holzweg, wer sich der Erzählung von den „Gemäßigten“ auf der einen und den nationalistisch-völkischen Rechten auf der anderen Seite einlullen lässt. Auch wenn die AfD auf ihre Plakate ein blau drucken lässt, wird sie im Inneren immer brauner.
Das Bundesverfassungsgericht hat die NPD als verfassungsfeindlich eingestuft, jedoch nicht verboten, weil man sie für zu unbedeutend gehalten hat. Sie war dem Gericht nicht groß, nicht einflussreich, nicht gefährlich genug. Ihr fehle die notwendige Kraft zu prägender, politischer Einflussnahme, so die Richter. Von der AfD kann man das nicht sagen. Sie sitzt in allen deutschen Parlamenten. Das heißt, wenn Neonazis sich nun das Fell der AfD überziehen und so deren parlamentarisches Gewicht für sich nutzen, dann ist es an der Zeit, die Waffen des Grundgesetzes zu schärfen.
Andererseits liegt an uns allen, klare Haltung zu beziehen. Es ist unsere Aufgabe als Gewerkschafter*innen gemeinsam mit allen demokratischen Kräften in unserem Land die Demokratie zu verteidigen. Wir dürfen auf keinen Fall rassistische Äußerungen ignorieren. Wer darüber hinweggeht geht, rechter Hetze nicht widerspricht, unterstützt, dass menschenfeindliche Begriffe – beim Elternabend, beim Sport, bei der Podiumsdiskussion, im Betrieb oder im Klassenzimmer – sich festsetzen und zur Normalität werden. Um dies zu verhindern, müssen wir antidemokratische Positionen als solche benennen, den Hetzern der AfD ihre Basis entziehen und Mehrheiten für eine offene, solidarische Politik mobilisieren. Nur so können wir gemeinsam verhindern, dass Menschenfeindlichkeit zur Normalität wird.
Anmerkung
(1) Im März 2015 hatte Höcke den „Flügel“ gegründet, der mit seiner „Erfurter Resolution“ die AfD vor einem moderaten Kurs warnte. Mit dem Papier setzten sich die rechten Kreise gegen den damaligen Bundesvorsitzenden Bernd Lucke durch. Das Kyffhäusertreffen in Leinefelde ist das jährliche Treffen des völkisch-nationalistischen „Flügels“ in der AfD. Es dient der radikalen Gruppierung zum Netzwerken und zur Selbstvergewisserung. In der AfD soll von den rund 33.650 Mitgliedern mittlerweile ein Drittel dem „Flügel“ nahestehen
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