
Als „schwarzer Tag“ ging der 29. November 1996 in die Geschichte der Firma Paul Ferd. Peddinghaus ein. An diesem Tag machte sich Dr. Carl Ullrich Peddinghaus auf den Weg zum Schwelmer Amtsgericht und beantragte die Eröffnung des Konkursverfahrens über das traditionsreiche Unternehmen in Gevelsberg.
Ein Jahr zuvor – im Frühjahr 1995 – bereiteten die Geschäftsführer hinter dem Rücken des Betriebsrates die Aufsplittung des Unternehmens in fünf selbstständige GmbH & Co KGs vor. In der Betriebsversammlung warf der damalige Betriebsratsvorsitzende Peter Schnurbusch den „Managern im Nadelstreifen“ Versagen vor: Eine Geschäftspolitik, die nur darauf ausgerichtet sei, Personalkosten zu reduzieren, sichere nicht den Fortbestand des Unternehmens. So sei am 23. Februar der vierte Sozialplan unterzeichnet worden. Unter Pfui-Rufen der Belegschaft verließ Personalchef Heinz Brunke beleidigt den Saal.
Als es Ende der 60er-Jahre für PFP im Ruhrgebiet schwieriger wurde, billige Arbeitskräfte zu rekrutieren, wurde in Bitburg in der Eifel ein weiteres Werk eröffnet. Danach folgte die Gründung von Tochterfirmen in Spanien und 1976 in Chicago (USA). Nach der Wende 1989 brach der Umsatz des Unternehmens ein. Die Auftragsbestände halbierten sich. Im Februar 1993 begann am Standort Gevelsberg die Entlassungswelle. „Die Tinte unter dem gerade ausgehandelten Sozialplan war noch nicht trocken, da folgte schon der Nächste“, so der ehemalige stellv. Betriebsratsvorsitzende Werner Engelhardt
Die Schraubstockproduktion wurde im März 1996 an den amerikanischen Konzern Ridge Tool verkauft. Im Juni war es dann mit dem „Betriebsfrieden“ an der Haßlinghauser Straße vorbei. Geschäftsführer Peter Heiden verkündete in der Betriebsversammlung, dass die Fertigung am Standort Gevelsberg weitgehend eingestellt und in „Länder mit niedrigerem Kostenniveau“ verlagert werde. Danach rührte sich im Betrieb für Stunden keine Hand mehr. „Wir hatten den Eindruck, dass neben der krisenhaften ökonomischen Lage Aufträge am Gevelsberger Werk vorbei in die Werke PESA (Spanien) und zur Peddinghaus Corporation (USA) verschoben wurden“, kommentierte der damalige IG Metall-Bevollmächtigte Franz Bogen die Entwicklung.
Die Tore werden blockiert
In den letzten November-Tagen des Jahres 1996 spitzte sich die Situation zu: Seit Oktober waren keine Löhne und Gehälter mehr ausbezahlt worden. Die Commerzbank verweigerte eine Anweisung von 550.000 DM, die zur Auszahlung des Weihnachtsgeldes vorgesehen war“, schrieb die „Gevelsberger Rundschau“. Der Bankenpool lehnte einen Antrag der Geschäftsführung auf einen zusätzlichen Kredit in Höhe von 3,5 Millionen DM ab. Im Unternehmen hielt sich währenddessen hartnäckig das Gerücht, dass der Firma zuvor neben Aufträgen 32 Millionen DM liquide Mittel entzogen worden waren.
Ein letzter Versuch, bei einem Treffen im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium den Konkurs abzuwenden, scheiterte. Nachdem die Information, die Geschäftsführung sei auf dem Weg zum Amtsgericht in Schwelm, im Betrieb die Runde machte, blockierten die wütenden „Peddinghäuser“ die Zufahrt mit Eisenblöcken, um den Abtransport von Maschinen zu verhindern. Tage zuvor war noch eine fertige Anlage im Wert von 1,5 Millionen DM ausgeliefert worden. In den kommenden Wochen loderten auf dem Werkgelände in aufgestellten Blechkästen „Flammen der Hoffnung“.
Als die Geschäftsleiter Peddinghaus, Heiden und Brunke in ihre dicken Wagen vom Werkgelände fahren wollten, wurden sie von den „Bewachern gestoppt“. Sie mussten am Feuer Rede und Antwort zu stehen. „Es war eine brenzlige Situation, als der Kreis sich um die drei immer mehr zusammenzog. Trotz der Kälte war die Stimmung angeheizt“, berichtet Werner Engelhardt. Tag und Nacht bewachten Arbeiter und Angestellte bis Ende Dezember in Vier-Stunden-Schichten ihre Arbeitsplätze.
Welle der Solidarität
Es entstand spontan eine große Hilfsbereitschaft. KollegInnen aus Betrieben in der Region kamen ans Werkstor. Frauen und Männer brachten Schnittchen und heißen Kaffee. Betriebsräte und Vertrauensleute in den metallverarbeitenden Betrieben sammelten Spenden. WR-Redaktionsleiter Ulrich Polzien und Opel-Geschäftsführer Udo Meier riefen die BürgerInnen auf, für die „Peddinghaus“-Kinder zu spenden. Eine große „Welle der Solidarität“ rollte an. „Der Zuspruch aus der Bevölkerung war überwältigend und gab uns Mut, weiter zu kämpfen“, sagt der damalige IGM-Vertrauensmann Calogero Mazzarisi. Für die Kinder der Peddinghaus-Beschäftigten wurde eine eindrucksvolle Weihnachtsfeier organisiert.
Peter Schnurbusch, Franz Bogen und Werner Engelhardt (v.l.n.r.) Foto:privat
Gründung der „Arbeitnehmergesellschaft“
„Wir dürfen nicht zulassen, dass der Betrieb mit seinen qualifizierten Arbeitnehmern zugemacht wird.“ Darin stimmten die Betriebsratsmitglieder und Vertrauensleute mit den Hauptamtlichen der IG Metall Gevelsberg überein. Die Strategie lautete nun: Abwicklung der alten Aufträge mit einem Volumen von 13 Millionen DM, Akquirierung neuer Aufträge ab Januar 1997 und Erarbeitung eines Konzeptes Arbeit für eine Auffanggesellschaft.
Der vorläufige Konkursverwalter Dr. Winfried Andres aus Düsseldorf unterstützte die Bemühungen der Betroffenen zur Fortführung „ihres“ Betriebes. Externe Berater des Instituts „Automation, Informations- und Produktmanagement“ (AIP) in Hagen erarbeiteten mit Unterstützung von Knowhow-Trägern im Betrieb ein Zukunftskonzept. Derweil tüftelten Rechtsanwalt Lutz Ellinghaus und Gewerkschaftssekretär Jochen Stobbe an der gesellschaftsrechtlichen Konstruktion für die Arbeitnehmergesellschaft.
„Um die 80 Arbeitsplätze können durch eine Fortführungsgesellschaft bei Peddinghaus gerettet werden“, erklärte Prof. Dr. Günter Fandel am 24. Mai 1997 im Gevelsberger Rathaus. AIP-Geschäftsführer Peter Francois stellte das Wirtschaftlichkeitsgutachten vor: Der angepeilte Umsatz von 22 Mio. DM sollte von 50 ehemaligen Beschäftigten erwirtschaftet werden. Mit den 30 Arbeitnehmern, die im Auftrag des Konkursverwalters noch vorhandene Aufträge abarbeiteten und den acht Auszubildenden könnten 88 Arbeits- und Ausbildungsplätze gesichert werden. Commerzbank und Deutsche Bank sowie die Sparkasse Gevelsberg sagten notwendige Betriebsmittelkredite in Höhe von 11 Mio. DM zu, 80 Prozent davon würden durch eine Landesbürgschaft abgedeckt.
Beschäftigte, Vertrauensleute und Betriebsratsmitglieder gründeten den Verein „Gevelsberger Arbeitsplatz- und Ausbildungsinitiative e.V.“, der als Gesellschafter der neuen „PfP GmbH“ fungieren sollte. Den Vorsitz übernahm Werner Engelhardt. Als Treuhänder des Vereins wurden Jochen Stobbe, Peter Schnurbusch und Hans-Joachim Mesek, der eine Position im Verkauf übernehmen sollte, berufen. Die finanziellen Mittel in Höhe von 50.000 DM zur Gründung einer GmbH stellte Konkursverwalter Dr. Winfried Andres zur Verfügung. Die Garthe Metallgießerei GmbH in Ennepetal wurde als neuer Kooperationspartner gewonnen.
Wir haben es geschafft
„Wir haben es geschafft“, bilanzierte Franz Bogen den 18-monatigen zähen Kampf. Es gelang den Arbeitnehmern die Firma aus dem Konkurs heraus zu übernehmen. Am 1. Juli 1998 nahmen 35 Arbeitnehmer bei der Paul F. Peddinghaus GmbH – Partner für Profilbearbeitung – ihre Arbeit auf. Nach dem Rückzug der bisherigen Hausbanken, Commerzbank und Deutsche Bank, stieg die Sparkasse Gevelsberg als Kreditgeberin ein. Vom Konkursverwalter erwarb die neue Gesellschaft Gebäude, Maschinen und Vorräte sowie den Namen der Firma.
Die Arbeitnehmer-„Gesellschafter“ brachten als Kapital die ihnen zustehenden Abfindungen aus dem ausgehandelten Sozialplan ein. Der neue Geschäftsführer Peter Schnurbusch konnte nach sechs Monaten in der „Gesellschafter-Versammlung“ eine erste positive Bilanz ziehen. Ende 1999 konnte die auf 43 Beschäftigte angestiegene Belegschaft stolz die Auslieferung der Bohrbrennanlage FDB 600/3 nach Nordirland verkünden. Der Umsatz war auf fünf Millionen angestiegen.
Das Pilotprojekt scheitert
Zwei Jahre später scheiterte jedoch das Pilotprojekt. Mit dazu beigetragen hatten zwei weitere Peddinghaus-Firmen, die sich im Gewerbepark auf dem ehemaligen Firmengelände angesiedelt hatten und der PfP nicht nur Konkurrenz, sondern auch Markanteile streitig machten – die Peddinghaus Anlagen und Maschinen GmbH (PAM) und die Peddinghaus Corporation GmbH (PC).
Mitgesellschafter Karl Wolff musste im Herbst 2001 selbst Konkurs anmelden, damit blieben die Aufträge der Metallgießerei Garthe aus. Als PfP die Zahlungsunfähigkeit drohte, schlug die Stunde der Kinder des Pleitiers: Carl Georg und Cäcilie Peddinghaus kauften fünf Jahre nach dem Konkurs ihres Vaters die PfP für eine DM auf und vereinigten sie unter dem gemeinsamen Dach mit der PAM und der PC – unter dem Namen Paul Ferd. Peddinghaus. 28 Beschäftigte wurden übernommen.
Für 19 KollegInnen blieb nur die Alternative, Wechsel in die „Transfergesellschaft“. Unter ihnen die ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden Peter Schnurbusch und Werner Engelhardt. „Nach der langen Zeit des gemeinsamen Kampfes war das für uns sehr bitter“, erklärt Werner. Dagegen stellte der Journalist Udo Phillip in seinem Buch „Die Pleitemeister“ fest: (Geschäftsführer) „Peddinghaus hat den für ihn bequemeren Weg gewählt, er ist in Konkurs gegangen. Seitdem kann er ruhig schlafen“.
Der Text stützt sich u.a. auf folgende Quellen:
Otto König, „Band der Solidarität – Widerstand, Alternative Konzepte und Perspektiven“, VSA Verlag Hamburg 2012
Foto 1: Beschäftigte entzünden am 29.11.1996 am Werkstor ein „Mahnfeuer“ – Foto: WR Gevelsberg
Foto 2: Peter Schnurbusch, Franz Bogen und Werner Engelhardt (v.l.n.r.) – Foto: Privat