Gevelsberg. Eine aktuelle Studie zeigt: Die Altersarmut steigt, bald schon könnte jeder fünfte Neurentner betroffen sein. „Die Zahlen zeigen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel irrt, wenn sie meint, man müsse bis 2030 nichts tun“, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Der DGB fordere mit seiner aktuellen Rentenkampagne einen Kurswechsel in der Rentenpolitik.
Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung zeigt: Ohne Reformen wird die Altersarmut in Deutschland weiter steigen. Schon jetzt sind 22.000 Rentner in Deutschland auf Grundsicherung angewiesen. Sie müssen eine staatliche Unterstützung bekommen, damit sie etwa Miete und Nebenkosten bezahlen können.
Insbesondere alleinstehende Frauen, Menschen ohne Berufsausbildung und Langzeitarbeitslose sind laut der Untersuchung bis zum Jahr 2036 von Altersarmut bedroht. Die Armutsrisikoquote steigt in der Altersgruppe der dann 67jährigen in den kommenden Jahren von heute 16 auf 20 Prozent an. Bei alleinstehenden Frauen ist die Zunahme noch stärker. Im Jahr 2026 werden 27,8 Prozent von staatlichen Leistungen abhängig werden statt heute 16,2 Prozent.
Ursache: Prekäre Arbeit
Als Ursache für die wachsende Altersarmut sehen die letzten Rentenstudien unter anderem die Zunahme von Unterbrechungen im Arbeitsleben und die unsicheren Beschäftigungsverhältnisse im Niedriglohnsektor. Außerdem sinkt das Rentenniveau durch die demografische Entwicklung und rentenrechtliche Veränderungen kontinuierlich. Nicht nur nach Auffassung der Bertelsmann-Stiftung entfalten die zum Ausgleich geschaffenen Instrumente der privaten Altersvorsorge nicht die gewünschte Wirkung.
„Die Berechnungen des DIW und ZEW belegen einmal mehr, dass die Politik heute handeln muss, um zukünftig Armut und sozialen Abstieg im Alter zu vermeiden“, sagte die IG Metall-Bevollmächtigte der GS Gevelsberg-Hattingen Clarissa Bader. „Dazu müssen wir prekäre Arbeit und Arbeitslosigkeit bekämpfen, für gleiche Löhne von Frauen und Männern sorgen und gleichzeitig die Rente stark aufstellen. Ein stabiles und verbessertes Rentenniveau und ein starker Solidarausgleich für niedrige Renten müssen jetzt umgesetzt werden.“
Erhöhung des Renteneintrittsalters ist Brandbeschleuniger
Stattdessen fordert immer wieder ein mehrstimmiger Chor – von Politikern der CDU/CSU und FDP gemeinsam mit den Arbeitgebern – die Rente mit 70. Diese ständigen Rufe nach einer weiteren Erhöhung des Renteneintrittsalters sind gefährliche Brandbeschleuniger. Sie zerstören gezielt die Leistungsfähigkeit und Akzeptanz der gesetzlichen Rentenversicherung.
Der Vorschlag, das Rentenalter anzuheben, ist allein darauf ausgerichtet, die Rentenausgaben zu senken: Es soll weniger Rente gezahlt werden, um den Beitragssatz für die Arbeitgeber senken zu können. Steigt das Rentenalter von 65 auf 67 Jahre, bedeutet das für jemanden, der mit 75 Jahren stirbt, eine Kürzung der Zeit des Rentenbezugs um 20 Prozent, steigt das Rentenalter gar auf 70, wäre es eine Halbierung der Rentendauer. Am Ende würde ein höheres Rentenalter bei niedrigerem Rentenniveau und groteskerweise höheren Beiträgen für die ArbeitnehmerInnen stehen. Die müssten außerdem noch die Kosten für die notwendige zusätzliche Altersvorsorge privat zahlen werden.
Rente muss ein Leben in Würde ermöglichen
Rente ist nicht nur einfache Mathematik, wie selbsternannte Rentenexperten, Arbeitgeber und konservative Politiker den Menschen weismachen wollen. Bader: „Es geht um vielfältige Lebens- und Arbeitsrealitäten, um Erfahrungen und Belastungen der Beschäftigten.“ Deshalb lehnt die IG Metall eine Anhebung des Rentenalters strikt ab und fordert stattdessen die gesetzliche Rentenversicherung zu stärken, um sie für künftige Generationen zu sichern. „Die gesetzliche Rentenversicherung muss ein Leben in Würde im Alter ermöglichen“, so die Gewerkschafterin, die mit Blick auf die Bundestagswahl im September einen Kurswechsel in der Rentenpolitik fordert. Das Rentenniveau müsse stabilisiert und im weiteren Schritt wieder angehoben werden auf etwa 50 Prozent. Damit wären die Renten im Jahr 2045 rund 20 Prozent höher als nach geltendem Recht.
Foto: Rente muss zum Leben reichen Foto dpa