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Freie Tage – Triebfeder für Mitgliederzuwachs

Dass Gewerkschaften, die in den vergangenen Jahren oftmals schon als „aussterbende Dinosauriere“ abgeschrieben wurden, auch im 21. Jahrhundert wachsen können und durchsetzungsfähig sind, zeigt die aktuelle Bilanz der IG Metall für das Jahr 2018. Organisatorisch und wirtschaftlich steht die größte DGB-Gewerkschaft glänzend da. Den ehrenamtlichen Funktionär*innen gelang es insgesamt 133.167 Menschen bundesweit neu aufzunehmen. Dies sind rund 25 Prozent mehr als im Vorjahr.

Die IG Metall hatte am Jahresende 2,271 Millionen Mitglieder – nach Abzug der Austritte und Sterbefälle knapp 8000 mehr als im Vorjahr. Insbesondere bei ihren Mitgliedern in den Betrieben konnte die Gewerkschaft zulegen – auf 1,587 Millionen, so Christiane Benner, 2. Vorsitzende der IG Metall, auf der Jahrespressekonferenz in Frankfurt am Main. Deutliche Mitgliederzuwächse verzeichnete die IG Metall bei Frauen (+0,8 Prozent), Menschen mit Migrationshintergrund (+2 Prozent) und Angestellten (+2,5 Prozent).

Benner: „Die gute Entwicklung bei den Frauen haben wir einer auch für Frauen attraktiven Tarifpolitik, engagierten Ehrenamtlichen und mehr weiblichen hautamtlichen Gewerkschafterinnen zu verdanken“. Bei den Ingenieur*innen ist die IG Metall sogar um 13,7 Prozent gewachsen und auch junge Menschen finden die Gewerkschaft attraktiv. So haben sich 129.610 junge Mitglieder unter 27 Jahre und mittlerweile auch über 50.000 Studierende organisiert. Auch in der Region „Ennepe-Ruhr-Wupper“ haben sich die Mitgliederzahlen in 2018 positiv entwickelt, so der 2. Bevollmächtigte und Kassierer Mathias Hillbrandt.

Die Gewerkschaft werde sich auch künftig um eine schlagkräftige Mitgliederbasis in bisher unorganisierten Betrieben ohne Betriebsrat und Tarifbindung bemühen. „Wir werden in den kommenden drei Jahren 60 Millionen Euro in Gewerkschaftliche Erschließungsprojekte investieren“, sagte die 2. Vorsitzende. Eines dieser Projekte wird derzeit erfolgreich beim Ennepetaler Türschließer-Spezialisten dormakaba durchgeführt, ergänzt die zuständige Erste Bevollmächtigte Clarissa Bader.

„Freie Tage“ – eine Triebfeder für Mitgliederzuwachs

Ein Erfolgsfaktor und eine wichtige Triebfeder für den Mitgliederzuwachs war die von massiven Warnstreiks, einschließlich Tagestreiks, begleitete Metall-Tarifrunde Anfang Februar vergangenen Jahres, bei der die Gewerkschaft erstmals seit Jahrzehnten die Arbeitszeitfrage wieder in den Mittelpunkt rückte. „Mit dem Tarifergebnis haben wir mehr Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit durchgesetzt und damit ganz konkret die persönliche Lebenssituation der Metaller*innen verbessert”, betonen Clarissa Bader und Mathias Hillbrandt.

Und der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann sagte gegenüber der Presse: „Wir haben den Nerv der Beschäftigten getroffen.“ Dies zeigen die neuesten Umfrageergebnisse aus mehr als 2600 Betrieben: Bundesweit haben 260 000 Beschäftigte, ihren tarifvertraglichen Anspruch auf zusätzliche acht freie Zeit statt tarifliches Zusatzentgelt (T-Zug) angemeldet. Die Wahloption „Zeit statt Geld“ wurde von 170.000 Schichtarbeiter*innen wahrgenommen. 55.000 mal wurde sie für Kindererziehung und 17.000 mal für die Pflege von Angehörigen in Anspruch genommen. 93 Prozent dieser Anträge seien nach Gesprächen in den Betrieben von den Arbeitgebern genehmigt worden. Nur selten stellten sich die Arbeitgeber quer, so die Erfahrungen vor Ort.

IG Metall vor großen Herausforderungen

2019 sieht die IG Metall große Herausforderungen auf die deutsche Wirtschaft zukommen: Durch die Gefahr eines Handelskriegs der USA mit China, die Auswirkungen des britischen Ausstiegs aus der EU („Brexit“) sowie die Gestaltung der künftigen Mobilitäts- und Energieentwicklung. Eine wirkliche Mobilitäts- und Energiewende müsse „Klimaziele, bezahlbare Mobilität und Perspektiven für die Beschäftigen zusammen denken und mit konkreten Maßnahmen hinterlegen“, fordert Jörg Hofmann

Insbesondere den tiefgreifenden Umbruch in der Automobilindustrie und bei den Zulieferern sieht die IG Metall mit Sorge. Durch das „Vordringen der Elektromobilität“ in den nächsten Jahren drohe bundesweit ein Wegfall von rund 150.000 Arbeitsplätzen der 800.000 Arbeitsplätzen bei der Produktion von Verbrennungsmotoren. Dem stehe nur ein Plus von etwa 40 000 Jobs gegenüber, wenn alle Komponenten der Elektromobilität in Deutschland gefertigt würden. Daher sei es nötig, in die Entwicklung von Batterien, eine flächendeckende Ladeinfrastruktur und neue Mobilitätskonzepte im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) bzw. die Verlegung des Logistikverkehrs weg von den Straßen zu investieren.

Darüber hinaus will sich die Gewerkschaft schwerpunktmäßig mit dem Thema „Digitalisierung“ in auseinandersetzen. Mit der Erstellung eines „Transformationsatlas“ über den Wandel und seine Auswirkungen in jedem Betrieb wird sich die IG Metall mit den Betriebsräten und Vertrauensleuten in den kommenden Monaten einen detaillierten Überblick verschaffen und mit ihnen eine gemeinsame Strategie entwickeln. Als weiterer inhaltlicher Schwerpunkt steht das Thema „Künstliche Intelligenz“ auf der Agenda. „Wir brauchen eine realistische Folgenabschätzung, eine breite Qualifizierungsoffensive und gute Betriebsvereinbarungen für neue Arbeitsformen wie agile Projektarbeit,“ betont Christiane Benner. Die Profite der Digitalisierung müssen in gute Arbeit investiert werden, denn die Beschäftigten dürfen nicht in Digitalisierungsgewinner und Verlierer gespalten werden.

Solidarität – Quelle der politischen Stärke, der finanziellen Kraft und Unabhängigkeit

„Wer meint, er könne Digitalisierung gegen die Beschäftigten wenden und ihre Rechte schleifen, der wird sich an der IG Metall die Zähne ausbeißen. Wir haben – auch finanziell – einen langen Atem,“ sagt der Hauptkassierer der IG Metall, Jürgen Kerner in der Pressekonferenz in der Gewerkschaftszentrale am Main. Die IG Metall ist für die kommenden Herausforderungen „finanziell gut aufgestellt und jederzeit handlungsfähig“.

Im Jahr 2018 sind die Beitragseinnahmen der IG Metall im neunten Jahr in Folge auf 585 Millionen Euro gestiegen. Das ist das Ergebnis der gewachsenen Mitgliederzahlen und höheren Löhnen durch die Tarifkämpfe. Von dem Geld würden 214 Millionen für die lokalen Geschäftsstellen, 88 Millionen für Rückstellungen und Rücklagen, 74 Millionen für den DGB und internationale Organisationen, 51 Millionen zur Unterstützung von Mitgliedern (Rechtsschutz, Freizeitunfallversicherung, Sterbegeld etc.), 32 Millionen für gewerkschaftliche Bildungsarbeit in den Regionen und zentralen Bildungsstätten sowie 17 Millionen für Printmedien wie u.a. die metall-Zeitung verwendet.


Foto: Metaller*innen auf dem Vendomer Platz in Gevelsberg im Frühjahr 2018 für die Wahloption –  Thomas Range

 

 

 

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