
„Der globale Weltmarkt wird konfliktreicher, die Technologie immer leistungsfähiger, Klimaschutz immer dringender. Es geht um einen grundlegenden Wandel, um nichts weniger als eine Transformation unserer Wirtschaft, unserer Lebens- und Arbeitswelt. Selbstbewusst, zuversichtlich und kämpferisch stellt sich die IG Metall auf diese Umbrüche ein,“ heißt es in dem von den Delegierten des Gewerkschaftstages beschlossenen Manifests „Die IG Metall in einer neuen Zeit“. Es soll Kompass in einer Zeit der tiefgreifenden Veränderung sein und aufzeigen, wie die Transformation gestaltet werden kann ― sozial, ökologisch und demokratisch. Wir brauchen, heißt es im Text weiter, einen aktiven demokratischen Staat, der investiert, Regeln bestimmt, Dumping verhindert, Regionen nicht alleine lässt und Beschäftigten die Zeit, das Geld und die Möglichkeiten bietet, die sie brauchen, um den Wandel für sich zu nutzen.
Foto: Claus und Mathias – Gäste aus unserer Region auf dem Kongress
Arbeitgeber „im Blindflug unterwegs“
Zuvor hatte der wiedergewählte IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann im Nürnberger Kongresszentrum in seinem „Zukunftsreferat“ darauf hingewiesen, dass die Gewerkschaft angesichts tiefgreifender Umbrüche in den industriellen Kernbranchen wie Auto, Maschinenbau oder Stahl vor riesigen Herausforderungen stehe. Der IG Metaller forderte klare Vorgaben der Politik: „Wir wollen, dass in Deutschland und in Europa das Politische den Ton angibt und nicht der Markt.“ Und: Wer in der Krise 2008/2009 „Banken gerettet habe“, müsse heute alles tun, „um Arbeitsplätze zu sichern“.
Die Transformation in eine digitale und CO2-freie Wirtschaft lasse sich nur solidarisch und demokratisch meistern. Die Gewerkschaft wolle massiven Arbeitsplatzabbau verhindern und möglichst viele Beschäftigte für neue Tätigkeiten qualifizieren. Für die besonders gefährdeten Gruppen in den Stammbelegschaften müssten die Arbeitgeber Qualifizierungen finanzieren, die zu einer nachhaltigen Beschäftigung führen. Eine Umfrage unter Betriebsräte habe den Eindruck verstärkt, dass die Arbeitgeber die Transformation jedoch verschlafen. Viele seien „offensichtlich im Blindflug unterwegs.“
Um den Einfluss von Finanzinvestoren auf die Unternehmen einzudämmen, fordert Hofmann mehr Mitbestimmung. Konkret: eine Weiterentwicklung des Mitbestimmungsgesetzes zu „einer wirklichen Mitbestimmung, die nicht ihre Grenze bei der Zweitstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden findet“. Der IGM-Vorsitzende kündigte eine Kampagne der IG Metall zur Stärkung der Unternehmensmitbestimmung an.
Die IG Metall wolle sich in der kommenden Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie trotz konjunktureller Schwächen mit Lohnforderungen nicht zurückhalten. Man werde zu Jahresbeginn eine Forderung beschließen, die wie in der Vergangenheit in die Zeit passe, erklärte Jörg Hofmann. Die Firmen Conti, Mahle, ZF hätten Stellenstreichungen oder Werksverlagerungen angekündigt. Beim „kleinsten Abschlag auf ihre Renditeträume“ fielen den Unternehmern nur Personalabbau und Zerschlagung ein, kritisierte der IG-Metall-Chef und kündigte Widerstand an. Die Gewerkschaft verstehe sich als Gegenmacht gegen das blinde Wirken der Marktgesetze.
Überraschungen bei den Wahlen
Am Tag zuvor, am zweiten Kongresstag, bestätigten die Delegierten in Wahlen die IG Metall-Spitze: Jörg Hofmann wurde mit 71 Prozent zum Ersten Vorsitzenden, Christiane Benner mit 87 Prozent zur Zweiten Vorsitzenden und Jürgen Kerner mit 95 Prozent zum Hauptkassierer der IG Metall gewählt. Die Kollegin Irene Schulz (391 Stimmen) und die Kollegen Wolfgang Lemp (363 Stimmen), Ralf Kutzner (346 Stimmen) und Hans-Jürgen Urban (469 Stimmen) wurden als geschäftsführende Vorstandsmitglieder der IG Metall wiedergewählt. Jörg Hofmann bezeichnete die Abstimmung als „ehrliches Wahlergebnis“. Es zeige das Spannungsfeld, in dem die IG Metall angesichts der Umbrüche im Zeichen von Klimaschutz und Digitalisierung stehe.
Foto: Neugewählte IGM-Spitze – Ralf Kutzner, Wolfgang Lemp, Irene Schulz, Christiane Benner, Jörg Hofmann, Jürgen Kerner und Hans-Jürgen Urban (v.l.n.r.)
Für eine offensive und kämpferische Gewerkschaftspolitik
In der Aussprache zu den Geschäftsberichten hatte es wenig Kritik von Seiten der Delegierten gegeben. Diese nutzten den Tagesordnungspunkt, um von erfolgreichen Arbeitskämpfen in ihren Betrieben zu berichten und Themen hervor zu heben, die die Gewerkschaft unbedingt im Auge behalten müsse, wie die 35-Stunden-Woche im Osten, die Krise der Stahlindustrie und den Kampf gegen Rassismus im Betrieb. Die Reaktionen der Kolleg*innen bei den Geschäftsberichten zeigten allerdings, dass sie künftig eine offensive und kämpferische Gewerkschaftspolitik erwarten. So wurde die Feststellung von Hans-Jürgen Urban „wir leben heute in einem globalen Kapitalismus, der die Welt in Menschen mit und ohne Lebenschancen spaltet“, und dieser wachse, indem er die Natur zerstöre, deshalb sei „die Überwindung dieses Modells zur Überlebensfrage der Menschheit geworden“, mit viel Beifall bedacht.
Foto1: Die Delegierten aus der Region Ennepe-Ruhr-Wupper – Jürgen, Andreas, Clarissa, Damianos, Uto und Sascha