
Wuppertal. (OK) Die IG Metall in der Region hat sich endgültig neu aufgestellt. „Es ist ein Aufbruch in eine neue Zeit“, kommentierte die Erste Bevollmächtigte Clarissa Bader, den Abschluss des vierjährigen Kooperationsprozesses. Die früher eigenständigen Geschäftsstellen Gevelsberg-Hattingen, Witten und Wuppertal haben sich zur neuen IG Metall-Geschäftsstelle Ennepe-Ruhr-Wupper vereinigt. Den „historischen Prozess“ vollzogen die Delegierten Pandemie bedingt in der Halle der Bergischen Universität in Wuppertal.
Die betrieblichen Kolleginnen und Kollegen wählten in der Zusammenkunft das künftige Führungsduo und den 27-köpfigen Ortsvorstand der Geschäftsstelle für die nächsten vier Jahre. Sie stärkten den beiden Geschäftsführer*innen mit einem sehr gutem Wahlergebnis den Rücken für ihre künftige Arbeit. Die Delegierten wählten Clarissa Bader mit 93,8 Prozent der Stimmen zur Ersten Bevollmächtigten und Mathias Hillbrandt mit 95,4 Prozent der Stimmen zum Zweiten Bevollmächtigten und Kassier. Die Vertreterinnen der Mitglieder honorierten mit ihrem Votum die gute Zusammenarbeit mit den ehrenamtlichen Funktionär*innen beim Zusammenschluss der drei Geschäftsstellen. Auch die neuen Mitglieder des Ortsvorstandes wurden mit einem guten Ergebnis ausgestattet – das Wahlergebnis siehe in „Bericht über die Wahlen“ auf dieser Seite.

Zuvor hatten Clarissa Bader und Mathias Hillbrandt den vorliegenden schriftlichen „Geschäftsbericht 2016 – 2020“ mit Blick auf die aktuellen betrieblichen und politischen Entwicklungen mündlich ergänzt. Zunächst bedankten sie sich bei allen Beteiligten für den relativen reibungslosen Fusionsprozess. Wertvolle Unterstützung sei auch durch Thomas Hay von der IGM-Bezirksleitung geleistet worden. Schließlich wurden in 35 Wahlbezirken insgesamt 175 Delegierten gewählt, davon 69, die erstmals die Funktion übernahmen.
Dass die Entscheidung, „rechtzeitig die gewerkschaftlichen Ressourcen in der Region zu bündeln“ richtig gewesen war, zeige sich gerade jetzt in der aktuellen Corona-Krise, so Clarissa Bader. Nur wenige Unternehmen wie beispielsweise SPAX International in Ennepetal oder Johnson & Johnson und Vorwerk in Wuppertal kommen positiv durch die Rezession. Dagegen herrsche bei den meisten Betrieben Auftragsflaute und Kurzarbeit. Die Automobil-Zulieferbetriebe seien zum einen durch den konjunkturellen Einbruch bei den große Autoherstellern und zum anderen durch die Transformation vom Verbrennermotor zu Elektroantrieben betroffen. Allein in der Metallbranche hätten die Unternehmen binnen zwölf Monaten angekündigt, bundesweit mehr als 200.000 Stellen abzubauen – vom Auto bis Stahl, vom Flugzeug bis zur »weißen Ware“. Die Unternehmen würden die Corona-Krise zum Anlass nehmen, Restrukturierungs- und Rationalisierungsprogramme schneller voranzutreiben, als sie das ohne Corona getan hätten. „Die Corona Pandemie wirke wie ein Brandbeschleuniger“, sagte die Erste Bevollmächtigte.

Solidaritätserklärung verabschiedet „Wir werden um jeden Arbeitsplatz kämpfen“
Es verstärke sich der Verdacht, dass es Unternehmen nicht nur um die Bewältigung des Strukturwandels gehe, sondern um möglichst schnelle Profite. Das machte auch der Betriebsratsvorsitzende Özgür Ecevit Sönmezcicek in seinem Grußwort an die Delegierten deutlich. Die Konzernleitung im fränkischen Herzogenaurach wolle die Corona-Krise nutzen, um den Wuppertal Schaeffler-Standort stillzulegen und u.a. durch Verlagerung von Produkten nach Rumänien Kosten zu sparen und die Profite zu steigern. „Das werden wir verhindern. Wir werden um jeden Arbeitsplatz kämpfen“, sagte der Schaeffler-Betriebsratsvorsitzende unter starkem Applaus der Delegierten, die einstimmig eine „Resolution“ verabschiedeten. Darin erklären sie sich solidarisch mit den kämpfenden Kolleg*innen und unterstützen die Forderungen der Belegschaft und ihres Betriebsrates für den Standort- und Arbeitsplatzerhalt in Wuppertal.
Wie sich Fehlmanagement und unterlassene Investitionen sich zu Lasten der Beschäftigten auswirken, zeige nicht zuletzt die skandalöse Insolvenz von Dieckerhoff Guss in Gevelsberg, erklärte Clarissa Bader. Weitere negative Beispiele seien die Schließung von Hesterberg & Söhne in Ennepetal sowie die Abbauplane bei Brose in Wuppertal. „Statt zukunftsgerichtete Unternehmensstrategien zu entwickeln, fällt den Managern nichts anderes ein, als den Beschäftigten „Arbeitnehmerbeiträge“ wie bei DEW in Witten abpressen zu wollen“, betonte Mathias Hillbrandt.
„IG Metall muss konfliktfähiger werden“
Die IG Metall müsse insgesamt wieder konfliktfähiger werden. „Wir müssen dem „Turbo“-Kapitalismus die Stirn bieten und die Konflikte wieder draußen vor den Werkstoren austragen“, appellierte die Erste Bevollmächtigte an die betrieblichen Gewerkschafter*innen. Beide Bevollmächtigten plädierten in ihren Ausführungen für „die Durchsetzung einer echten wirtschaftlichen Mitbestimmung“. Die innovative Betriebs- und Tarifpolitik der IG Metall müsse fortgesetzt werden, dazu gehöre die Forderung nach Verbindung von „Kurzarbeit mit Qualifizierungsmaßnahmen“ sowie der „Vorstoß für eine Vier-Tage-Woche“ als mögliche Forderung in der zum Jahresende anstehenden Tarifbewegung in der Metall- und Elektroindustrie.
Zur Vorbereitung der drei bevorstehenden Tarifbewegungen in der Metall-, Stahl und Textil- und Bekleidungsindustrie diene auch die aktuell online stattfindende Beschäftigtenbefragung. Ziel der Befragung, die unter dem Motto „Kurs bestimmen“ stehe, sei es, Meinungen, Haltungen und Bewertungen der Beschäftigten zu betrieblichen, tariflichen und den aktuellen wirtschaftlichen Fragen zu erheben. „Es geht darum, wie die Beschäftigten die vergangenen Monate erlebt haben – und wie sie die Herausforderungen der kommenden Monate einschätzen“, so Clarissa Bader.
Mathias Hillbrandt zeigte die Mitgliederentwicklung und die finanzielle Ausstattung der neuen Geschäftsstelle auf. Einen Dank startete er den Kolleginnen in den Büros ab, denen es durch unermüdliche telefonische Gespräche gelungen sei, 15 bis 25 Prozent von austrittswilligen Mitgliedern in der IG Metall zu halten. Der 2. Bevollmächtigte berichtete über die Umbaupläne in Gevelsberg, dem künftigen Sitz der neuen Geschäftsstelle sowie über die Neugestaltung der Anlaufpunkte für die Mitglieder an den bisherigen Orten Witten und Wuppertal.

Nazis keine Stimme und keinen Platz in den Betrieben und der Gesellschaft.
In der Aussprache wiesen Kollegen wie Jakobus Fröhlich und Heinz Vöhringer auf die Notwendigkeit der betrieblichen Abwehrkämpfe hin. Heinrich Vogel hob die Bedeutung des Handwerks hervor. Fritz Hickler begrüßte, dass das Thema kollektive Arbeitszeitverkürzung wieder auf die tarifpolitische Agenda kommen soll. Und die Jugend- und Auszubildendenvertreterin Clara Klingender sprach die Probleme der Jugendlichen vor allem das Thema „Übernahme nach der Ausbildung“ an.
Clarissa Bader verabschiedete mit einer herzlichen Laudatio Kollegin Sigrid Haibach, die nach ihrer Tätigkeit in der Bezirksleitung Hagen und Wuppertal, lange Jahre als Verwaltungsangestellte in der Geschäftsstelle Gevelsberg-Hattingen tätig war. Die Delegierten dankten ihr für ihre Arbeit mit einem stehenden Applaus.
Beide Bevollmächtigten unterstrichen abschließend, wie wichtig der Kampf gegen die gesellschaftliche Spaltung und die Rechtsentwicklung in unserem Land sei. Arbeitslosigkeit und prekäre Arbeitsverhältnisse würden rechtes und autoritäres Gedankengut befördern. Dagegen müssten Gewerkschafter*innen aufstehen – das heißt: aufklären und für Alternativen kämpfen. Es müsse gelten: Nazis keine Stimme und keinen Platz in den Betrieben und der Gesellschaft.