
Der langjährige Betriebsratsvorsitzende der Firma Mönninghoff in Hattingen, Gerd Grevel, ist Anfang Juni im Alter von 90 Jahren verstorben. Ein Monat zuvor – im Monat Mai 2018 – jährte sich zum 35. Mal der fast einjährige Kampf der Mönninghoffer um ihren Standort und ihre Arbeitsplätze, der im Revier und bundesweit Aufmerksamkeit auf sich zog.
Am 31. Januar 1984 beschlossen Betriebsrat, IG Metall-Vertrauensleute und Belegschaft in einer Betriebsversammlung „ihren“ Betrieb in der Nähe des Hattinger Bahnhofs zu besetzen. „Wir mussten diesen Schritt gehen, schließlich stand die Existenz von 800 Beschäftigten und ihren Familien auf dem Spiel,“ begründete Gerd Grevel diese ungewöhnliche Aktionsform gegenüber der Öffentlichkeit. Zuvor hatten die Hausbanken die Kreditzahlungen für Mönninghoff gestoppt.
Die Krise war einerseits durch Missmanagement, zum anderen durch die Insolvenz der „Mutter“, die Bomin-Gruppe in Bochum, herbeigeführt worden.
Ein Jahr vor Ausbruch der verheerenden Weltwirtschaftskrise 1929 wurde Gerd Grevel in Hattingen geboren. Er wuchs in einer Zeit auf, in der die Arbeiter und Angestellten ihrer Rechte beraubt wurden und der Willkür der NSDAP ausgeliefert waren. Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter wurden verfolgt, verhaftet und eingekerkert. „Das bekam man ja unmittelbar mit, denn in unserer Familie waren ja alle sozialdemokratisch organsiert und standen in Opposition zu den Nazis,“ erinnerte er sich in einem Gespräch mit ihm.
Im Jahre 1942 begann Gerd in der Lehrwerkstatt der Ruhrstahl Henrichshütte seine Lehre als Dreher. Kurz vor Ende der Lehre, im Januar 1945; wurde der 16-Jährige zum Reichs-Arbeitsdienst ins ostpreußische – heute polnische – Pillau verschleppt. Er schaffte es noch rechtzeitig vor Kriegsende ins Ruhrgebiet. Am 2. Februar 1946 trat Gerd Grevel in die Gewerkschaft ein. Zehn Tage später fand die erste ordentliche Vertreterversammlung des Westfälischen Gewerkschaftsbundes Gruppe Eisen und Metall – später IG Metall – in Hattingen statt, der er später über drei Jahrzehnte angehörte.
Nachdem der junge Metaller 1947 seine Facharbeiterprüfung auf der Henrichshütte Hütte nachträglich abgelegt hatte, wechselte er am 2. Mai 1948 in die Mechanische Werkstatt der Flanschenfabrik Leo Gottwald in Hattingen als Dreher. Es war die Zeit, als auf dem Gottwald-Werksgelände das Stahlwerk neugebaut und das Hammerwerk erweitert wurde. Die Belegschaft wuchs. In der Spitze waren Ende der 50er-Jahre bis zu 1.250 Arbeitnehmer beschäftigt.
Gerd wurde Anfang der 50er-Jahre Vertrauensmann und baute mit seinen Kollegen im Betrieb einen IG Metall-Vertrauenskörper auf, dessen Leitung er übernahm. Er wurde Betriebsratsmitglied. Als 1964 der amtierende Betriebsratsvorsitzende Erich Rose überraschend verstarb, wählten ihn die Betriebsratskollegen zu ihrem neuen Vorsitzenden und die Mitglieder der Vertreterversammlung in die Ortsverwaltung Hattingen.
Foto: Gerd Grevel mit dem ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau und dem ehemaligen Landtagsabgeordneten Ulrich Schmidt (SPD) vor der Staatskanzlei in Düsseldorf – Foto: IGM GH-Archiv
„Betriebsbesetzung“ und „Das Hattinger Modell“
1980 wurde das Hattinger Gottwald-Werk in einer „Nacht- und Nebelaktion“ an die Mönninghoff GmbH Bochum verkauft. Im Mai 1983 kämpften die Gottwalder/ Mönninghoffer gemeinsam mit ihrem Betriebsrat, Vertrauensleuten und ihrer IG Metall zehn Tage gegen die Banker. Am 17. Mai schallte lautstark der Jubelschrei von 6000 Menschen über den Hattinger Untermarkt am Alten Rathaus: „Mönninghoff ist gerettet!“ „Wir lagen uns alle überglücklich in den Armen.“ Diese Szene hatte sich Gerd Grevel und seinen Kolleg*innen ins Gedächtnis eingebrannt.
Allerdings begannen die Banken neun Monate später erneut das perverse „Katz- und Mausspiel“ mit den Beschäftigten. Die Belegschaft setzte einen vorläufigen Schlusspunkt: Besetzte und bewachte ihren Betrieb und führte die Produktion in eigener Regie fort. „Gemeinsam mit externen Beratern und den Gewerkschaftssekretären Otto König und Hartmut Schulz entwickelten wir das „Hattinger Modell“, schilderte Gerd Grevel später diese hektischen Tage. Letztlich scheiterte das Fortführungsmodell am Veto der Dresdner Bank. Für Gerd und seine Mitkämpfer*innen stand fest: „Es durfte nicht passieren, dass ein Betrieb in Arbeitnehmerhand geführt wurde. Das war ja unmöglich in dieser Wirtschaftsordnung. Unser Bespiel hätte ja Schule machen können.“
Der IG Metaller wurde wie alle seine KollegInnen in die Arbeitslosigkeit entlassen. Der Betrieb wurde zerschlagen und abgewickelt. Der während des Kampfes gegründete Förderverein „Bildung für Arbeitnehmer“ wurde von Gerd Grevel fortgeführt. Im damaligen Aktionshaus in der Roonstrasse in Hattingen werkelten ehemalige Mönninghoffer u.a. Spielzeuge für Kindergärten. Und wöchentlich trafen sich Frauen der ehemaligen Frauen-Initiative. Mit dabei seine Frau Doris, die ihn und seine Tochter Brigitte schon im Kampf engagiert unterstützt hatten.
Der Gewerkschafter Grevel beschränkte seine politischen Aktivitäten nicht nur auf den Betrieb und die Gremien seiner Gewerkschaft, sondern engagierte sich auch gesellschaftspolitisch. Die BürgerInnen wählten ihn als SPD-Stadtverordneten in Winz-Baak in den Hattinger Stadtrat, in dem er über 25 Jahre die kommunalen Entwicklungen in der Ruhrstadt mit beeinflusste. „Mir war die Verbindung von Gewerkschafts- und Gesellschaftspolitik immer sehr wichtig.“
IG Metall betrauert den Tod eines engagierten IG Metaller´s
Die IG Metall Gevelsberg-Hattingen betrauert den Tod eines engagierten IG Metallers. „Seine Familie hat einen wunderbaren Menschen und die IG Metall Hattingen-Gevelsberg einen engagierten Streiter für die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der ArbeitnehmerInnen verloren,“ so die Erste Bevollmächtigte der IG Metall Gevelsberg-Hattingen, Clarissa Bader. Gerd Grevel und seine KollegInnen haben gekämpft „ohne Illusionen, aber mit Hoffnungen“ und haben damit im Revier ein Beispiel für phantasievollen Widerstand gesetzt.
Foto 1: Der Betriebsratsvorsitzende Gerd Grevel (vorne links) und die Belegschaft stimmen einstimmig für die Besetzung des Betriebes – Foto: Manfred Vollmer
Foto 2: Gerd Grevel mit dem ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau und dem ehemaligen Landtagsabgeordneten Ulrich Schmidt (SPD) vor der Staatskanzlei in Düsseldorf – Foto: IGM GH-Archiv