
Der zur Bekämpfung der Corona-Pandemie bundesweit eingeleitete „Shutdown“ – das Herunterfahren des gesellschaftlichen und geschäftlichen Lebens hat erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitswelt. In den noch „normal“ arbeitenden Betriebe, aber auch in den Betrieben, in denen die Produktion in den kommenden Tagen „wieder hochgefahren“ werden soll, besteht für die Beschäftigten Infektionsgefahr. Deshalb muss gerade in diesen Zeit der Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Betrieben Vorrang haben.
Oberstes Gebot für alle, die nicht in Kurzarbeit Null sind bzw. nicht im Homeoffice arbeiten können und ihre Arbeit auch während der Coronakrise an ihrem Arbeitsplatz im Betrieb erledigen müssen: Sich so gut wie möglich vor einer Infektion schützen: Deshalb hat die IG Metall von der Bundesregierung „klare und einheitliche Standards für den Arbeits- und Gesundheitsschutz unter Corona-Bedingungen formuliert“, so die IG Metall- Bevollmächtigte Clarissa Bader. Diese müssen geeignet sein, die Beschäftigten jetzt und in der Zeit nach der Kurzarbeit bestmöglich zu schützen. Die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben werden die Betriebsräte vor Ort überwachen.
Schon jetzt hat der Arbeitgeber gegenüber seinen Beschäftigten eine arbeitsvertragliche Schutz- und Fürsorgepflicht. Deshalb muss er dafür sorgen, dass Erkrankungsrisiken und Gesundheitsgefahren im Betrieb so gering wie möglich bleiben. Die Grundpflichten des Arbeitgebers ergeben sich aus § 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Dem Betriebsrat stehen zwingende Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sowie bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb nach § 87 Abs. 1 Nr.1 BetrVG zu. Als zentrales Instrument gilt es die betrieblichen Gefährdungsbeurteilungen anzupassen. Wir als IG Metall erarbeiten zur Zeit eine Handlungshilfe zur Prävention von COVID 19. Diese wird im Laufe der 17. KW veröffentlicht und unseren betrieblichen Akteuren zur Verfügung gestellt.
Bundesregierung beschließt „Arbeitsschutzstandard Covid 19“
Um den Arbeitgebern die Einsicht in die notwendigen Maßnahmen zu erleichtern, hat das Bundesarbeitsministerium (BMAS) in Kooperation mit Verbänden der Arbeitgeber, Gewerkschaften und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) ein Regelwerk erstellt. Der von der Bundesregierung beschlossene „Arbeitsschutzstandard Covid 19“ (1) gilt ab sofort für alle Unternehmen, in denen vor Ort gearbeitet wird.
Die allgemeine Systematik des Arbeitsschutzes fordert vom Arbeitgeber primär Maßnahmen der Verhältnisprävention gemäß § 4 ArbSchG und erst sekundär Maßnahmen der Verhaltensprävention. Die Verhältnisprävention betrifft in erster Linie die Arbeitsbedingungen wie Gefahrstoffe, Lärm, physische und psychische Belastungen, die Verhaltensprävention betrifft die Förderung eines gesundheitsbewussten Verhaltens des Arbeitnehmers selbst. Die Prävention gegen Ansteckungsgefahren mit dem Corona-Virus erfasst beide Bereiche.
Vor diesem Hintergrund fordert die Verordnung ein betriebliches Konzept für Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen mit dem Covid-19-Virus. Sämtliche betrieblichen Maßnahmen sind dem Zweck zu unterstellen, Infektionsketten zu unterbrechen und die Beschäftigten zu schützen.
Der Zehn-Punkte-Katalog
Der verabschiedete Zehn-Punkte-Katalog sieht unter anderem vor, dass bei der Arbeit überall der Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 Metern eingehalten werden soll. Wo dies nicht möglich ist, soll es alternativen Schutz geben wie Trennwände. Wo auch diese Trennung nicht möglich ist, etwa in Fahrzeugen oder bei der gemeinsamen Arbeit, soll der Arbeitgeber eine persönliche Schutzausrüstung, insbesondere einen Mund-Nasen-Schutz sowie geeignete Schutzhandschuhe zur Verfügung stellen. Die Nutzung von Arbeitskleidung und auch persönlicher Schutzausrüstung darf nur personenbezogen erfolgen. Zu diesem Zweck ist die Arbeitskleidung auch personenbezogen aufzubewahren.
Die Abläufe in Unternehmen sollen so organisiert werden, dass die Beschäftigten möglichst wenig bzw. möglichst wenige wechselnde Kontakte haben. Schichtpläne und Pausenregelungen sollen sich danach richten. Der Arbeitgeber soll geeignete Maßnahmen zur zeitlichen Entzerrung der Belegungsdichte von Arbeitsbereichen und gemeinsam genutzten Einrichtungen vorsehen (versetzte Pausen). An allen Stellen, an den erfahrungsgemäß Warteschlangen entstehen (Zeiterfassung, Kantine, Werkzeug- und Materialausgaben), sollen Schutzabstände mit Klebeband auf der Erde oder an den Wänden markiert werden. In Betrieben mit Kantinen sollen Tische und Stühle mit ausreichendem Abstand aufgestellt werden, sodass eine Einhaltung des vorgeschriebenen persönlichen Mindestabstandes gewährleistet ist.
Den Arbeitgebern wird auferlegt, für genügend Waschgelegenheiten und Desinfektionsmittel zu sorgen. In Sanitärräumen, aber auch in anderen Gemeinschaftsräumen und Pausenräumen sind Seife, Handtuchspender und Desinfektionsspender zur Verfügung zu stellen. Die Räume sind je nach Nutzungsintensität in regelmäßigen, deutlich häufiger als sonst üblichen Abständen zu reinigen und gegebenenfalls zu desinfizieren. Dies gilt auch für Türklinken und Handläufe in den gesamten Betriebsräumen.
Arbeitnehmer*innen in Großraumbüros soll nach Möglichkeit die Arbeit im Home-Office ermöglicht werden. Den Unternehmen wird vorgeschlagen, für das Home-Office klare Arbeitsprozesse zu definieren, die Erwartungen an die Erfüllung der Arbeitszeit und Arbeitsleistung exakt vorzugeben und eine Vereinbarung über die Zeiträume der telefonischen und oder digitalen Erreichbarkeit zu treffen. Empfohlen werden darüber hinaus regelmäßige virtuelle Besprechungen, um die Kommunikation im Team aufrechtzuerhalten und Präsenzzeiten für das Home-Office vorzugeben.
Bei Dienstreisen und Meetings gilt eine absolute Beschränkung auf das unabdingbar Notwendige sowie in möglichst weitem Umfang die Nutzung technischer Alternativen wie Online-Meetings, Telefon- oder Videokonferenzen.
„Arbeitsschutzstandard Covid 19“ kann Rechtswirkungen entfalten
Mit den erarbeiteten Standards soll den Arbeitgebern in Zeiten der Corona-Pandemie die Bedeutung des Gesundheitsschutzes ihrer Beschäftigten in besonderer Weise nahegebracht werden. „Es handelt sich um verbindliche Regeln“, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil. Allerdings besitzen die Standards keine „unmittelbare“ Rechtsverbindlichkeit, was jedoch nicht heißt, dass sie keinerlei Rechtswirkungen entfalten können.
Denn sollten Arbeitnehmer*innen durch Nichtbeachtung dieser Standards in Einzelfällen zu Schaden kommen, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass Gerichte bei Nichtbeachtung dieser Standards durch einen Arbeitgeber, dem das Papier bekannt war, hierin eine Verletzung der Fürsorgepflicht nach §§ 618 Abs. 1 BGB, 3 – 5 ArbSchG sehen und diesen zur Haftung heranziehen. Zumal die zuständigen Behörden die Aufgabe haben, die Einhaltung der Standards stichprobenartig zu kontrollieren. Kleinere Betriebe können sich bei den Unfallversicherungsträgern beraten lassen, wie sie die Regeln am besten umsetzen.
Ein Beraterkreis beim Bundesarbeitsministerium, dem Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgebern sowie Arbeitsmediziner und Wissenschaftler angehören, miteingebunden ist auch das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin, soll die Schutzmaßnahmen weiter im Blick haben und gegebenenfalls weiterentwickeln.
Anmerkungen
(1)https://www.bmas.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/einheitlicher-arbeitsschutz-gegen-coronavirus.html