Politik und Gesellschaft

Gewerkschaftstag: Kraftvolles Zeichen gegen Rechts

„Stunden statt Menschen entlassen“

Knapp 600 Meter lang, mehr als 5000 Menschen waren beteiligt: Damit strebt die „Initiative Respekt!“ den Rekord für das längste antirassistische Banner der Welt mit den meisten Mitwirkenden an. Beim 24. Ordentlichen Gewerkschaftstag in Nürnberg haben IG Metall-Jugendliche und Hunderte Delegierte draußen vor der Tür das Ergebnis monatelanger Arbeit präsentiert. Es wird zur Eintragung im Guinness-Buch der Rekorde angemeldet. Das Banner ist ein kraftvolles Zeichen gegen Rassismus.

Drinnen im Kongresszentrum zog sich wie ein roter Faden durch die Debatte: Die IG Metall steht für eine solidarische, offene und tolerante Gesellschaft. Völkisch-nationalistischer, rassistischer oder sexistischer Programmatik bieten wir keinen Raum. Die Delegierten grenzten sich in Nürnberg unmissverständlich gegen rechts ab. Denn der Hass und die Hetze von Rechtsradikale und Populisten bedrohen den Zusammenhalt in der Gesellschaft, sie schüren Ressentiments, entfachen Konflikte, befeuern Ängste und führen zu Morden wie in Kassel und Halle.

„Vielfalt kein ist Ballast, sondern Lebenselixier“

In der Antragsdebatte berichteten Delegierte, dass beispielsweise rechte Betriebsgruppen, wie das „Zentrum Automobil“ bei Daimler auf Ausgrenzung, Zukunftsverweigerung und Hetze setzen, unterstützt und finanziert von Hintermännern rechtsradikaler und faschistoider Netzwerke. Mit rechtspopulistischen Parteien wie der AfD darf es daher keine Zusammenarbeit geben, heißt es in der einstimmig beschlossenen Entschließung zur Gesellschaftspolitik. Dem Treiben der Rechtsradikalen müsse „nicht nur mit Worten, sondern auch mit Aktivitäten vor Ort“ entgegentreten werden, so der Tenor in der Debatte. Mit Blick auf die AfD sagte die zweite Vorsitzende Christiane Benner: „Wir lassen uns nicht spalten – weder von ’Hundekrawattenträgern’, noch von Politikern mit Nazi-Vergangenheit und Nazi-Vokabular.“ Und das geschäftsführende Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban stellte fest, für die Arbeitnehmerorganisation „ist ethnische und kulturelle Vielfalt kein Ballast, sondern Lebenselixier“.

Der IG Metall Vorstand wurde beauftragt eine Richtlinie mit dem Inhalt zu erlassen: Mitglieder der IG Metall, die unsere Grundwerte für eine solidarische, offene und gerechte Gesellschaft nicht teilen, im oder außerhalb des Betriebes hetzen und rassistisches Gedankengut verbreiten, können nicht gleichzeitig die IG Metall im oder außerhalb des Betriebes als Betriebsrätin/Betriebsrat oder Vertrauensfrau/Vertrauensmann oder in anderen Funktionen vertreten. Gleiches gilt für Funktionäre, die aktiv für rechtspopulistische Bewegungen und/oder Parteien in Erscheinung treten und Mandate für diese Bewegungen und/oder Parteien innehaben oder anstreben. Allerdings habe die Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit Priorität und nicht der Ausschluss. Der Kampf und die konsequente Abgrenzung gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung bleibe auch in Zukunft eine zentrale Aufgabe für alle Metaller*innen.

Um die Aktiven im Betrieb zu unterstützen, sollen Materialien entstehen, die sie gegenüber rechtspopulistischen bis offen rassistischen Arbeitnehmergruppen argumentationsfähiger machen. Multiplikatoren sollen im Umgang mit den Materialien geschult werden. Für die Geschäftsstellen sollen Bildungs- und Veranstaltungsangebote zum Thema „Vielfalt im Betrieb“ erarbeitet werden. Der 21. März, Internationaler Tag gegen Rassismus, soll zu einem festen Bestandteil des politischen Kalenders der IG Metall werden. Dann sollen verstärkt Aktionen stattfinden.

Foto: Gewerkschaftstagdelegierte solidarisieren sich mit der IG Metall-Jugend – Thomas Range


Jugend: „Die Zukunft gestalten“

Die Jugend der IG Metall brachte sich auf dem Gewerkschaftstag aktiv ein. „Unser Anliegen ist ernst. Es geht um unsere Zukunft,“ so Robin Grunenberg im Kongresszentrum. Das junge Betriebsratsmitglied von Demag C+C im nordrhein-westfälischen Wetter forderte stellvertretend für Hunderttausende junge IG Metaller*innen: „Lasst uns die Macht unserer Organisation auch dafür nutzen, um diesen Planeten zu schützen.“ Eine soziale, ökologische und demokratische Transformation müsse der Anspruch sein. Es gebe keinen Widerspruch zwischen Umwelt und Arbeit. Ziel der IG Metall müsse sein: Sicherheit und Perspektiven für alle Beschäftigten.

Die IG Metall-Jugendlichen unterstrichen in Nürnberg Ihre Forderung nach einer sozialen, ökologischen und demokratischen Transformation der Wirtschaft mit einer beeindruckenden Lasershow. Hinterlegt mit futuristischer Elektromusik liefen vor den Augen der Delegierten viele Animationen rund um die Zukunft der Arbeit ab, die im Anschluss Schilder mit dem Text hochhielten: „Wir sind der Wandel, auf den wir gewartet haben.“ Der Jugend geht es um gute Bildung, Arbeit und Lebensbedingungen. Gerade die junge Generation sei vom Klimawandel, der Digitalisierung und Umbau der Industrie betroffen. Sie fordern Reformen und Investitionen und wollen ihre Zukunft gestalten und damit die Gesellschaft verändern. Bewegungen wie Fridays for Future würden zeigen: Klima und Nachhaltigkeit gewinnen für junge Menschen einen immer größeren Stellenwert.

„Die Rente retten“

Die Delegierten setzten sich auch mit dem wichtigen Rententhema, dass alle Metaller*innen betrifft, auseinander. Abstiegsangst im Alter, Minirenten nach einem Leben voller Arbeit, Armut durch Invalidität – all das soll es in Zukunft nicht mehr geben. Um dieses Ziel zu erreichen beschlossen die Kolleg*innen ein Reformprogramm mit zahlreichen Maßnahmen: Das Rentenniveau soll dauerhaft stabilisiert und wieder auf etwa 53 Prozent angehoben werden, um einen sozialen Abstieg im Alter zu verhindern.

Für Menschen, die lange im Niedriglohnsektor beschäftigt waren oder Lücken in ihrem Erwerbsleben haben, soll es bei der Berechnung der Grundsicherung Freibeträge für die gesetzliche Rente geben, dazu eine Grundrente. Zeiten von Pflege, Kindererziehung oder Langzeitarbeitslosigkeit sollen bei der Rentenberechnung besser anerkannt werden. Bei der Erwerbsminderungsrente fordern die Delegierten Verbesserungen, etwa die Beseitigung von Abschlägen. Die Reha- und Präventionsangebote der gesetzlichen Rentenversicherung sollen ausgeweitet werden.

Eine klare Absage erteilten die Delegierten der Rente mit 67, auch den Versuchen, das Rentenalter noch weiter zu anzuheben. Stattdessen beschloss der Gewerkschaftstag die Forderung nach einer erreichbaren Altersgrenze und flexiblen, sozial abgesicherten Übergängen in den Ruhestand. Außerdem soll die Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung weiterentwickelt werden, in die auch Selbstständige oder Freiberufler einzahlen.

Foto: 600 Meter langes Banner gegen Rassismus – Thomas Range

Tarif: „Stunden entlassen, statt Menschen entlassen“

Arbeitszeit soll nach den Beschlüssen und Debatten in Nürnberg auch in den nächsten Jahren ein Schwerpunkt der IG Metall sein. Die Ziele sind: Arbeitsplätze in der Transformation sichern, Leistungsdruck begrenzen und die Selbstbestimmung der Beschäftigten bei ihrer Arbeitszeit stärken. Für die Transformation durch Digitalisierung und ökologischen Umbau strebt die IG Metall zudem die Verkürzung von Arbeitszeiten an. Damit sollen die Arbeitsplätze gesichert werden – nach dem Motto „Stunden entlassen, statt Menschen entlassen“. Die Arbeitgeber sollen gezwungen werden, alle Möglichkeiten der Arbeitszeitverkürzung auszuschöpfen, bevor Beschäftigte entlassen werden. Dazu gehört auch die Einführung von Kurzarbeit mit einer Aufzahlung durch den Arbeitgeber.

Das Thema Angleichung der Arbeitszeiten in allen Branchen und Regionen – beispielsweise in der ostdeutschen Metallindustrie – an die 35-Stunden-Woche bleibt auf der Tagesordnung. Dort arbeiten die Beschäftigten 30 Jahre nach dem Fall der Mauer immer noch 38 statt der in der westdeutschen Metallindustrie geltenden 35 Stunden. Die Blockade der Metallarbeitgeber gegen die soziale Einheit von West und Ost muss durchbrochen werden.

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