Großer Tag für die Demokratie

Berlin. Es war eine der größten Demonstrationen der vergangenen Jahre in Deutschland: 250.000 Menschen aus der ganzen Bundesrepublik demonstrierten in Berlin gegen die geplanten Freihandelsabkommen der EU mit den USA und Kanada – TTIP und CETA. „TTIP untergräbt die Demokratie“, sagte Tina Flügge, die zusammen mit rund 50 Kolleginnen aus der Verwaltungsstelle Gevelsberg-Hattingen mit dem Bus nach Berlin angereist ist.
Zu dem Protestmarsch unter dem Motto »TTIP und CETA stoppen« hatte ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen sowie Globalisierungskritikern aufgerufen. Die Demonstranten fürchten, dass durch die Abkommen bisher gültige soziale und ökologische Standards unterlaufen und Verbraucherrechte geschwächt werden – zugunsten weniger Großkonzerne. „Wir akzeptieren kein Diktat der Konzerne die mit TTIP unsere tariflichen Errungenschaften aushebeln wollen“, begründete IGM Bevollmächtigte Clarissa Bader, warum die IG Metallerinen in Berlin dabei sind.
Bundesregierung und Wirtschaft warben hingegen für das TTIP-Abkommen. „Bangemachen gilt nicht“, hielt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in ganzseitigen – vom Steuerzahler finanzierten – Anzeigen, die am Tag der Demo in überregionalen Tageszeitungen erschienen, den Protestierenden entgegen: „Europa muss selbstbewusst und mutig seine Ideen von Freiheit im Handel und Verantwortung für die Menschen voranbringen.“ Und BDI-Präsident Ulrich Grillo assistierte dienerhaft: „Wer nur blockiert, verliert.“
Breites Bündnis demonstrierte durch Berlin
Genutzt haben diese Anzeigen nichts: Dias wurde durch den Protest gegen TTIP, der die unterschiedlichsten Gruppen in Berlin zusammenbrachte, untermauert. Dass so viele Menschen gegen die eher sperrigen Kürzel demonstrieren, liege daran, dass die Handelsabkommen viele Lebensbereiche berühren, ist Gewerkschaftssekretärin Jennifer Schmidt überzeugt. Sie freute sich darüber, dass neben dem jungen Metaller aus dem Ruhrgebiet, die ältere Dame vom Bund Naturschutz aus Berlin und der Milchbauer aus Bayern demonstrierte. Auch die politische Zugehörigkeit der Demonstranten war klar: Über den Köpfen wehen Fahnen von DGB-Gewerkschaften, Linken und Grünen..
Schon vor dem offiziellen Demonstrationsbeginn platzte der Washingtonplatz am Hauptbahnhof, Treffpunkt der Protestierenden aus allen Nähten. Der Bahnhof musste zwischenzeitlich wegen Überfüllung geschlossen werden, S-Bahnen fuhren bis zur Friedrichsstraße durch. Es waren so viele Menschen unterwegs, dass Zehntausende am Bahnhof noch nicht losgelaufen waren, als die Spitze der Demonstration bereits das Ziel, die Siegessäule, erreicht hatte.
„Heute war ein großer Tag für die Demokratie“.
„Wir sind hier, weil wir die Zukunft nicht den Märkten überlassen, sondern die Demokratie retten wollen“, rief der Auftaktredner Michael Müller, Bundesvorsitzender der Naturfreunde Deutschlands, den 250.000 auf der Abschlusskundgebung zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule zu. Die Gewerkschaften seien weder gegen den internationalen Handel, noch lehnten sie die Globalisierung ab, betonte DGB-Vorsitzender Rainer Hoffmann. „Nur sind die Früchte der Globalisierung immer ungleicher verteilt“. Fairer Welthandel funktioniere nicht ohne starke Rechte für Arbeiter. Mit vereinten Kräften müsse verhindert werden, dass Arbeitnehmerrechte zum Spielball einer ungezügelten Globalisierung werden.
Ein zentraler Kritikpunkt: in den Reden waren die geplanten Schiedsgerichte. „Investoren müssen das Recht beachten und dürfen nicht Sonderrechte beanspruchen“, führte der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, aus. Für den Attac-Vertreter Roland Süß war klar: „Der heutige Tag zeigt: TTIP ist in Deutschland nicht durchsetzbar“. Die Bundesregierung müsse endlich die Reißleine ziehen und die Verhandlungen der EU-Kommission stoppen.
Nicht für die Organisatoren war die Demo und Kundgebung ein Erfolg, sondern vor allem auch für die vielen die den strapaziösen Weg mit Bus oder Sonderzug nach Berlin auf sich genommen hatten. Auch unsere IG MetallerInnen resümieren auf dem Rückweg ins Ruhrgebiet; „Heute war ein großer Tag für die Demokratie“.
Bilder: IG Metall G-H