Wir in den Betrieben

Hesterberg: Verlagerung der Produktion/Montage in die Türkei

Beschäftigte – Opfer einer „katastrophalen Entscheidung“

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Betriebsratssitzung im IG Metall-Haus in Gevelsberg Foto: IGM EN-R-W

240 Jahre nach der Gründung soll die traditionsreiche Firma Hesterberg & Söhne im Heilenbecker-Tal in Ennepetal stillgelegt werden. Die Muttergesellschaft, die BPW-Gruppe in Wiehl bei Gummersbach, will die Produktion/Montage des führenden Herstellers von Verschließ- und Aufbautentechnik für die Nutzfahrzeugindustrie zu BPW Otomotiv nach Gebze (Istanbul) in die Türkei verlagern. Ausgerechnet in ein Land in dem die Menschen-und Arbeitnehmerrechte mit Füßen getreten werden.

Die Marke HESTAL und einige strategisch relevante Bereiche sollen von der BPW in Wiehl übernommen werden. „Die Mehrzahl der 60 Beschäftigten wird jedoch für die katastrophale Entscheidung des BPW-Geschäftsführers Michael Pfeiffer geopfert“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Damianos Koukoudeas. Viele von ihnen seien langjährig beschäftigt. Sie sollen gekündigt werden und stehen damit vor einer ungewissen Zukunft.

Betriebsrat schlägt Kompetenzzentrum der Marke HESTAL vor

Als der Kahlschlagplan für den Standort in Ennepetal bekannt wurde, schaltete der Betriebsrat mit Unterstützung der IG Metall die arbeitnehmernahe Beratung Project Consult (PCG) in Essen ein. Zu Recht: Denn bei der Überprüfung der Verlagerungspläne stellte sich schnell heraus, dass es keine detaillierte Wirtschaftlichkeitsprüfung über alle Produkte hinweg“ gab. Das von den Geschäftsführern Dirk Miesen und Dr. Stefan Hörster vorgestellte Vorhaben ist „von Anfang an mit hohen Risiken behaftet“, stellt Julian Giersch von der PCG fest. Es habe noch nicht einmal eine Risikoanalyse für die Marke HESTAL und in Richtung Kunden sowie bei weiteren Themen wie Logistik- und Zuliefererschwierigkeiten, Qualitätsthemen gegeben. Für den Betriebsrat ein weiterer Beleg, dass „die Verlagerungspläne sowohl für die Betroffenen als auch betriebswirtschaftlich unverantwortlich sind“, betont der Vorsitzende.

Anfang Juli stellten der Betriebsrat und die PCG der Geschäftsführung den Vorschlag der Arbeitnehmerseite zur Umstrukturierung des Standortes Ennepetal zu einem Kompetenzzentrum der Marke HESTAL vor. Der Vorschlag der Arbeitnehmerseite sichert die wirtschaftliche Notwendigkeit zur Veränderung des Standortes ab, stellt jedoch deutliche Vorteile gegenüber dem bisherigen Vorhaben des Arbeitgebers heraus. „Dieser Vorschlag sichert die wirtschaftliche Notwendigkeit zur Veränderung des Standortes ab und stellt deutliche Vorteile gegenüber dem Vorhaben des Arbeitgebers heraus“, erklärt Sven Berg, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Region Ennepe-Ruhr-Wupper.  Kerngedanke des Kompetenzzentrums ist:  Bereinigung einiger Produktbereiche, Verlagerung lediglich der Produktion von Serien-Produkten zur BPW Otomotiv, jedoch die Fertigung von individuellen Kundenlösungen sowie die für Kunden und die BPW-Gruppe wesentlichen Funktionen für die Marke HESTAL am Standort Ennepetal zu halten. Im Gegensatz zu den Plänen der Arbeitgeberseite ist der Vorschlag gründlich durchgerechnet.

„Sie haben uns sogar belogen“

Obwohl der Vorschlag der Arbeitnehmerseite eine wirtschaftlich tragfähige Alternative zu den Planungen des Arbeitgebers der Verlagerung darstellt, wurde er von den „Adlaten“ des Vorstandsvorsitzenden in Wiehl, Miesen und Dr. Hörster, zurückgewiesen. Statt auf das Wissen, die Kenntnisse, also auf das Gold in den Köpfen der langjährig Beschäftigten und ihrer Interessenvertretung zu setzen, wird die Karte des „Direktionsrechts des Eigentümers“ gespielt, so Rechtsanwalt Lutz Ellinghaus, der den Betriebsrat arbeitsrechtlich berät. Lieber gehe man die unkalkulierbaren Risiken ein, die mit einer Standort-Schließung und der Verlagerung verbunden sind.

Der Betriebsrat ist darüber hinaus „stinkesauer“, dass die Geschäftsführung dem Gremium notwendige Informationen im Zusammenhang mit der Veräußerung der Firmen-Immobilie im Heilenbecker Tal vorenthalten hatte. Der Verkauf war zur kurzfristigen Kapitalbeschaffung notwendig. „Sie haben uns sogar belogen“, sagt Koukoudeas. Erst durch die Einreichung eines Antrages auf Einstweilige Verfügung sei die Interessenvertretung in den Besitz des Kaufvertrages gekommen, der Ende August von der Käuferin – der Stadt Ennepetal – unterzeichnet wurde. „Die Zurückhaltung von Informationen ist strafbar“, so Lutz Ellinghaus.

Ennepetaler Bürgermeisterin nimmt keinen Kontakt zum Betriebsrat auf

Maßlos enttäuscht ist die Interessenvertretung auch von den kommunalen Repräsentanten der Stadt Ennepetal: Weder die Bürgermeisterin Imke Heymann (parteilos) noch Vertreter der Verwaltung bzw. der Stadtverordneten hätten es für notwendig gehalten, mit dem Betriebsrat in Kontakt zu treten, um sich über die Zukunftsperspektiven der Beschäftigten zu erkundigen.

Die bekannt gewordenen günstigen Nutzungsbedingungen für das Gelände durch FHS nach dem Verkauf veranlassten den Betriebsrat, die PCG zu beauftragen, das Arbeitnehmer-Konzept nach zu schärfen. „Erst nachdem alle Fakten gecheckt sind, können die Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan aufgenommen werden“, betont Betriebsratsvorsitzender Damianos Koukoudeas.

 

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