
Gevelsberg. Kriegslügen – ob der faschistische Überfall auf den polnischen Sender Gleiwitz 1939, der Zwischenfall in der vietnamesischen Tonkin-Bucht 1964 oder die chemischen Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein 2003 – haben im Allgemeinen kurze Beine. Dies machte Otto König in seinem Vortrag „Krieg als Mittel der Politik?“ vor den Senioren des DGB im Gevelsberger Gewerkschaftshaus deutlich. Diese Lügen werden genutzt um „völkerrechtswidrige Angriffskriege“ zu rechtfertigen, wie der ehemalige IGM-Bevollmächtigte Otto König am Beispiel der Kriege im Irak und Syrien darlegte.
Dreizehn Jahre habe es gedauert bis die britische „Chilcot“-Kommission nach der Analyse von 150.000 geheimen Regierungsdokumenten und der Anhörung von mehr als 120 Zeugen zu dem Ergebnis gekommen sei: Die Behauptungen, der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen, »trafen nicht zu«, um den völkerrechtswidrigen Angriff zu rechtfertigen, wurde ein »Fake« (Fälschung) konstruiert.
Kriege ums Öl
Weder im ersten Golf-Krieg 1990/91 unter Georg W. Bush Senior noch im zweiten Golf-Krieg 2003 unter Bush Junior, sowie dem britischen Premier Tony Blair ging es um „Freiheit oder Demokratie“, sondern immer um geopolitische Interessen, also um „Öl“, führte der Referent aus. Der Krieg habe den Irak zerstört. Vier Millionen Iraker sind auf der Flucht. Der Sturz der Saddam Hussein-Regierung habe Raum für die „verheerende Ideologie der Gotteskrieger“ und des „Islamischen Staates“(IS) geschaffen, sagte der Metaller.
Ein Teil der Ursachen der kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen und Mittleren Osten verortete Otto König in der Politik der ehemaligen Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien nach dem ersten Weltkrieg und dem vom US-amerikanischen Geheimdienst CIA initiierten Putsch 1953 gegen den demokratisch gewählten Präsidenten des Irans, Mohammad Mossadegh. Sein Verbrechen bestand darin, dass er die Ölindustrie seines Landes verstaatlichte.
„Arabischer Frühling wird missbraucht
Der Putsch zeige ein Grundmuster, so Otto König, das die USA bei allen von ihr angestrebten „Regime Change“ – Regimewechseln, ob in Asien, Lateinamerika und auf der arabischen Halbinsel immer angewandt haben: Die Dämonisierung des Gegners im Vorfeld der eigentlichen Operation. Dies sei auch in Syrien nachvollziehbar. Nachdem in Folge des sogenannten „arabischen Frühlings“ sich in Syrien „oppositionelle Kräfte“ bemerkbar machten, seien diese vom Westen mit Waffen und know how beliefert worden, um den „Kampf für Demokratie“ und gegen die „Alawiten-Diktatur“ des syrischen Präsidenten Assad zu unterstützen. In diesem auf syrischem Territorium stattfindenden völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gehe es darum, ob das Land eine säkulare/weltliche oder eine islamisch-fundamentalistische Zukunft habe.
Der Referent analysierte gemeinsam mit den Senioren die Interessen der Akteure in der Region wie der USA, Russland, Türkei, Saudi-Arabien, des Islamischen Staates und der syrischen Kurden.
Geradezu abenteuerlich sei die Begründung der „Koalition der Willigen“, an der auch Deutschland beteiligt ist, die auf den Sturz von Präsident Assad setzen, aber nach der UNO-Charta keine „völkerrechtliche Berechtigung“ für den Luftkrieg haben: Ist ein Staat „unwillig oder unfähig“, einen Aggressor wie den IS, der sich auf seinem Gebiet angesiedelt hat, wirksam zu bekämpfen, so muss es den angegriffenen Staaten erlaubt sein, ihn auf dem fremden Territorium selbst anzugreifen.
Gegen eine interessengeleitete Berichterstattung
Den Ausführungen schloss sich eine kritische Debatte an – über die Rolle des Westens und insbesondere der USA (Willi Ebbinghaus), die Beteiligung Deutschlands (Heinz Müller) und die Möglichkeiten der Friedensbewegung (Wolfgang Lange) zur Beilegung des Konflikts „stärker aktiv zu werden“. Tatsächlich sei es schwierig, angesichts der Vermischung „von politischen und religiösen, sowie ökonomischen Gründen“ die Interessenlage im Mittleren Osten einzuschätzen, war ein Fazit der Diskussion.
Gewerkschaftlerinnen müssten sich immer für eine objektive und gegen eine interessengeleitete Berichterstattung stark machen, wie das am zynischen Spiel mit den „guten und bösen Bomben“ offenkundig werde. Als Beispiel zitierte König aus den Nürnberger Nachrichten vom 01.Oktober:
„Böse Bomben“, das sind jene, welche die Russen über dem Land abwerfen. Sie sind es, die Zivilisten töten und den wahlweise als „Diktator“ oder „blutrünstigen Machthaber“ titulierten syrischen Präsidenten Assad noch an der Macht halten. Die „guten Bomben“ hingegen werden von den USA und ihren Verbündeten eingesetzt — treffen sie doch angeblich „nur“ islamistische Terroristen.“
Foto: Auch in der Pause diskutierten die Senioren im Gewerkschaftshaus weiter – Foto: IGM-GH