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Leiharbeit auf Rekordhöhe

Die Wirtschaft boomt. Die Arbeitgeber jammern über Fachkräftemangel und suchen angeblich händeringend Arbeitskräfte. Trotzdem setzen die Unternehmen verstärkt auf Leiharbeit. Die Anzahl der Leiharbeiter*innen hat sich von 2016 auf 2017 erneut um 4,1 Prozent auf über eine Million erhöht. Haupteinsatzgebiete sind die Metall- und Elektrobranche sowie die Logistik.  „Auf Leiharbeit lassen sich keine vernünftigen Unternehmensstrategien aufbauen. Die Arbeitgeber sollten sich insbesondere in guten wirtschaftlichen Zeiten auf nachhaltigere Personalstrategien konzentrieren und mehr Beschäftigte fest einstellen,“ kritisiert die erste Bevollmächtigte Clarissa Bader.

Auch die strengeren gesetzlichen Regeln, die letztes Jahr im April in Kraft treten, haben am Trend zur Leiharbeit nur wenig geändert. Zwar gelten seitdem feste Fristen, laut denen Leiharbeiter nach neun Monaten den gleichen Lohn wie Stammbeschäftigte erhalten und höchstens 18 Monate im gleichen Betrieb eingesetzt werden dürfen. Allerdings ist nur rund ein Viertel der Leiharbeiter davon betroffen. Der Rest wird bereits vor Ablauf der neun Monate abgemeldet – oder gleich entlassen: Die durchschnittliche Beschäftigungsdauer in der Leiharbeitsbranchen beträgt laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit gerade einmal zehn Monate. Nur ein kleiner Teil der Leiharbeiter*innen wird tatsächlich beim Kundenbetrieb übernommen. Das Risiko, arbeitslos zu werden, ist für diesen Personenkreis fünfmal höher als für andere Beschäftige.

Ergebnisse: Betriebsrätebefragung zu Leiharbeit

Die IG Metall hat in den Betrieben zwischen dem 18. Juni und 6. Juli 2018 eine Befragung zu Leiharbeit und Industrienahen Dienstleistungen (InDl)/ Werkverträgen durchgeführt. Insgesamt haben sich die Betriebsräte und Vertrauenskörperleitungen von 3584 Betrieben an der Befragung beteiligt. Das entspricht einer Rücklaufquote von 38 Prozent. Demnach setzen rund 80 Prozent der Betriebe Leiharbeit ein oder haben Industrienahe Dienstleistungen (InDl) über Werkverträge fremdvergeben. 35,4 Prozent der Befragten erwarten, dass der eigene Betrieb in den kommenden zwei Jahren Arbeit an Fremdfirmen vergeben wird. Vor drei Jahren lag die Quote noch bei 22,6 Prozent. Zudem gaben 27,5 Prozent an, dass durch Leiharbeit und Fremdvergabe in den vergangenen drei Jahren Stammarbeitsplätze verdrängt wurden.

„Die Befragung der Betriebsräte zeigt, dass Leiharbeit und Fremdvergabe immer stärker zum billigeren Ersatz für reguläre Arbeitsplätze genutzt wird,“ so die beiden Bevollmächtigten. Ein wesentlicher Grund für den überproportionalen Anstieg der Leiharbeit ist: Statt zur Abdeckung von Produktionsspitzen, für die sie ursprünglich gedacht war, wird Leiharbeit immer mehr zur Kostenersparnis eingesetzt, in dem dauerhaft Stammarbeitsplätze ersetzt werden.

Von Leiharbeit und Fremdvergaben von Industrienahen Dienstleistungen sind alle Arbeitsbereiche Bereiche eines Unternehmens oder Betriebs betroffen. Dies gilt insbesondere für den produktionsnahen Kernbereich, in hohem Maße für die internen Dienstleistungen (wie Reinigung, Haustechnik, Werkschutz), aber auch für Personalwesen oder Forschung und Entwicklung. Mit Leiharbeit und Fremdvergaben wird direkt in die Wertschöpfungskette eingegriffen. Die Transformation der Industrie durch Digitalisierung und Globalisierung lässt eine Fortsetzung und Verschärfung der Entwicklung erwarten. Die Arbeitgeber können die Prozesse zur Umorganisation missbrauchen, um die Unternehmen und Betriebe auf Kosten der Beschäftigten weiter zu zergliedern.

Zunahme von prekärer Beschäftigung

Dadurch wird die prekäre Beschäftigung in den Betrieben weiter zunehmen. Die Verlierer sind insbesondere die Beschäftigten in Leiharbeit und bei den Industrienahen Dienstleistern, die meist schlechtere Arbeits- und Entgeltbedingungen als die Stammbelegschaft haben. Drei von vier Befragten gaben an, dass die Arbeits- und Entgeltbedingungen bei industrienahen Dienstleistern schlechter sind als bei den eigenen Beschäftigten. Die Industrienahen Dienstleister haben zudem seltener Tarifverträge und Betriebsräte.  Zudem sind die Arbeitsverhältnisse von Leiharbeiter*innen oft geprägt von Unsicherheit und mangelndem Respekt für die Arbeitsleistung.

Schon heute leben mehr als vier Millionen Menschen dauerhaft in prekären Umständen. Kennzeichnend für das Erwerbsleben dieser Klasse sind Niedriglöhne und unsichere, häufig wechselnde Jobs. Zu diesem Ergebnis kommt eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie. Die Autoren sprechen von einem »mehrfachen Strukturwandel der Erwerbsarbeit« in den vergangenen Jahrzehnten, der durch drei Elemente gekennzeichnet sei: den Rückgang von Normalarbeitsverhältnissen zugunsten von Teilzeit- und Leiharbeit, den umfassenden Abbau erwerbsbezogener sozialer Sicherungssysteme und einen starken Anstieg der Erwerbsbeteiligung von Frauen.

Kampagne „Gute Arbeit“ 

Die IG Metall hat in den vergangenen Jahren einiges erreicht: Branchentarifverträge und Betriebsvereinbarungen sichern Leiharbeiter*innen mehr Geld, bessere Arbeitsbedingungen und Chancen auf Übernahme – und sie begrenzen Leiharbeit im Betrieb. „Doch trotz dieser Einzelerfolge besteht das Hindernis, dass es keine ausreichende Mitbestimmung für Betriebsräte bei der Fremdvergabe gibt, um Missbrauch zu vermeiden“, betont Clarissa Bader. Die IG Metall will daher den Missbrauch von Leiharbeit und Fremdvergabe verstärkt in den Betrieben angehen.

Dazu startet die IG Metall eine Kampagne und eine betriebspolitische Offensive unter dem Motto „Gute Arbeit für alle.“ Neben der Leiharbeit nimmt die IG Metall dabei auch die Fremdvergabe von Arbeit über Werkverträge und die Arbeitsbedingungen bei den Industrienahen Dienstleistern in den Fokus. „Die beste Leiharbeit ist die, die gar nicht stattfindet. Wenn das nicht gelingt, geht es ums Begrenzen und Gestalten. Gute Arbeit für alle statt Leiharbeit ist unser Auftrag“, sagt der 2. Bevollmächtigte Mathias Hillbrandt. 

Foto: Aktionstag zum Thema Leiharbeit in der Region – Foto: IGM GH

 

 

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