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Lückenlose Überwachung unzulässig

Mal schnell über den Messenger auf dem Diensthandy klären, wer abends die Kinder abholt, mal schnell eine private Mail an Freunde verschicken: Darf der Arbeitgeber das verbieten oder den Account überwachen und heimlich mitlesen?

Für Schnellleser:

Die Kontrolle von Mails und Messenger-Nachrichten durch den Arbeitgeber ist bei dienstlichen Accounts zwar möglich, unterliegt aber engen Grenzen. Arbeitnehmer müssen vorab informiert werden, ob und in welchem Umfang diese Kontrolle stattfinden wird. Eine lückenlose Überwachung – selbst mit Kenntnis des Beschäftigten – verstößt gegen das Persönlichkeitsrecht und ist deshalb grundsätzlich unzulässig.

Darf der Arbeitgeber das Mail-Postfach überwachen?

E-Mail-Accounts sind, wie Computer oder Smartphones, Betriebsmittel, die dem Arbeitgeber gehören und die er den Beschäftigten zur Verfügung stellt. Deshalb darf er auch darüber entscheiden, wie und wofür diese Dinge verwendet werden. Er kann die private Nutzung erlauben – oder eben auch nicht.

Private Nutzung erlaubt

Erlaubt ist die private Nutzung des dienstlichen Accounts immer dann,

  • wenn es dazu eine ausdrückliche Regelung gibt, im Arbeitsvertrag oder beispielsweise in einer Betriebsvereinbarung, bzw.
  • wenn der Arbeitgeber die private Nutzung über einen längeren Zeitraum hinweg stillschweigend geduldet hat.

Heimlich nur bei konkretem Verdacht

Ein Mitlesen der privaten Mails ist in diesen Fällen grundsätzlich tabu – und nur in ganz bestimmten Ausnahmefällen gestattet. Wenn der Arbeitgeber auf Protokolldaten zurückgreifen will, aus denen sich zum Beispiel ergibt, wann welche Mail an wen geschickt wurde, muss er vorher die Einwilligung des Beschäftigten einholen. Eine heimliche Überwachung ist nur möglich, wenn ein konkreter Verdacht für eine Straftat vorliegt – und dieser Verdacht hinreichend dokumentiert ist. Doch selbst dann muss die Kontrolle verhältnismäßig bleiben.

Anders sieht es bei der dienstlichen Korrespondenz aus. Hier kann der Arbeitgeber jederzeit Einsicht verlangen – es sei denn, es handelt sich um Mails an den Betriebsrat,  den Betriebsarzt, die betriebliche Beschwerdestelle oder ähnliches. 

Private Nutzung verboten

Wenn der Arbeitgeber die private Nutzung des dienstlichen Mail-Accounts grundsätzlich nicht erlaubt hat, darf er stichprobenartig überprüfen, ob sich der/die Beschäftigte daran hält. Dafür kann er Einblick in die Protokolldaten nehmen und so den Mailverkehr auswerten.

Aber auch wenn der Arbeitgeber ausdrücklich nur die dienstliche Nutzung von Postfächern oder Messenger-Diensten erlaubt, heißt das nicht automatisch, dass er Nachrichten einfach mitlesen darf. Auch hier muss er den Beschäftigten vorab über die geplanten Kontrollen informieren. Außerdem muss er bei der Ausgestaltung einer entsprechenden Regelung zwingend den Betriebs- oder Personalrat einbeziehen. 

Gerichtsurteil schafft Klarheit für Europa

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in seinem Urteil vom 5. September 2017 der Kontrolle durch die Arbeitgeber Schranken gesetzt und Klarheit darüber geschaffen, dass Arbeitnehmer*innen über mögliche Überwachungen vorab unterrichtet werden müssen.

Im konkreten Fall ging es um einen rumänischen Arbeitnehmer, der auf Wunsch seines Arbeitgebers einen Account bei einem Messenger-Dienst angelegt hat. Über den Account sollten Kundenanfragen beantwortet werden. Der Mitarbeiter nutzte ihn aber auch, um mit seiner Verlobten und seinem Bruder private Nachrichten auszutauschen. Daraufhin erhielt er die Kündigung – mit der Begründung, die private Nutzung des Messenger-Dienstes sei verboten gewesen. Der Arbeitgeber hatte den Account überwacht und legte 45 Seiten vor, die die privaten Chats dokumentierten.

Das war laut der Richter des EGMR nicht rechtens – weil der Arbeitnehmer weder darüber informiert wurde, dass seine Kommunikation überwacht werden kann, noch in welchem Umfang diese Überwachung stattfindet. Diese Entscheidung gilt auch für Deutschland. (Unter Verwendung eines Textes der dgb-website)

Foto: Thomas Range

 

 

 

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