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Maßnahmenpaket muss ergänzt werden

DGB begrüßt Energie-Entlastungspaket der Ampel-Koalition

Die Menschen mussten im März tiefer in die Tasche greifen. Die Inflationsrate ist nach vorläufigen Berechnungen des Statistisches Bundesamtes (Destatis) auf 7,3 Prozent angestiegen. „Die Folgen des Ukraine-Krieges haben die Inflation in Deutschland im März auf einen neuen Höchstwert springen lassen“, kommentierte Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Konjunkturforschung und Makroökonomie IMK, die neuen Inflationszahlen. Preistreiber sind in erster Linie Energie und Nahrungsmittel.

Ökonom*innen rechnen damit, dass die Inflationsrate auch im Jahresverlauf extrem hoch bleiben wird. Das IMK rechnet mit Inflationsraten von bis zu 6,2 Prozent. „Sollte es zu einem weiteren Anstieg der Energiepreise kommen, etwa bei einem Lieferstopp russischer Energie, könnte die Rate noch einmal deutlich höher ausfallen“, so IMK-Chef Dullien. Deshalb ist es unverantwortlich, dass in Talkshows Politiker massiv für einen „Stopp des russischen Gas- und Ölgeschäfts“ werben.  „Wir können auch einmal frieren für die Freiheit. Und wir können auch einmal ein paar Jahre ertragen, dass wir weniger an Lebensglück und Lebensfreude haben“, erklärte der ehemalige Bundespräsident Hans-Joachim Gauck pastoral. Und der amtierende Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schwor die Deutschen schon einmal auf „härtere Tage“ ein. Die scharfen Sanktionen gegen Russland würden „unvermeidlich auch Unsicherheiten und Einbußen für die Deutschen bringen“. Schon vor der russischen Invasion hatte Außenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) schwadroniert: Deutschland sei im Falle von Sanktionen gegen Russland „bereit, dafür einen hohen wirtschaftlichen Preis zu zahlen“.

Doch wer bezahlt diesen Preis? Auf keinen Fall die Reichen, die über exorbitante finanzielle Mittel verfügen und deren Vermögen in der Corona-Krise noch gewachsen ist. Familien mit niedrigem oder mittlerem Einkommen sowie kinderlose Paare mit mittlerem Einkommen tragen aktuell die höchste Inflationsbelastung, so der IMK Inflationsmonitor. Dieser Trend dürfte sich weiter verschärfen, denn Gas, Strom oder Heizöl fallen als Waren des Grundbedarfs bei den Ausgaben ärmerer Haushalte sehr stark ins Gewicht, während sie bei Haushalten mit hohem Einkommen und insbesondere bei wohlhabenden Alleinlebenden einen deutlich kleineren Anteil des Warenkorbs ausmachen. Bei Familien mit Kindern und niedrigem bis mittlerem Einkommen schlagen aktuell zudem die weiter steigenden Preise für Kraftstoffe relativ stark zu Buche. Grundsätzlich haben Haushalte mit niedrigem Einkommen ein besonderes Problem mit starker Teuerung, weil sie vor allem unverzichtbare Alltagsgüter kaufen und kaum Spielräume besitzen, ihr Konsumniveau durch Rückgriff auf Erspartes aufrecht zu erhalten.

Energie-Preise: Ampel-Koalition beschließt Maßnahmen zur Entlastung

Angesichts gestiegener Energiepreise einigten sich mittlerweile die Spitzenvertreter der Koalition aus SPD, Grüne und FDP im Koalitionsausschuss auf eine Energiepreispauschale, Steuererleichterungen, Subventionen bei Treibstoffen, einen Einmalbonus für Familien mit Kindern, Einmalzahlungen für Empfänger*innen von Sozialleistungen und verbilligte Tickets für den Öffentlichen Personennahverkehr.

Eine einmalige Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro soll pauschal an alle Beschäftigten ausgezahlt werden. Dieses Geld soll „die Begünstigten schnell und unbürokratisch“ erreichen. Ausgezahlt werden soll die Pauschale über die Lohnabrechnung. Während Selbständige alternativ über einen Vorschuss zur einmaligen Senkung der Steuervorzahlungen zumindest ein bisschen Geld geborgt bekommen, schauen Erwerbslose und Rentner bei dieser Maßnahme in die Röhre.

Vorübergehende Preisnachlässe für den Mobilitätsbereich wurden angekündigt. Eine dreimonatige Verringerung der Energiesteuer auf Kraftstoffe soll diese „auf das europäische Mindestmaß absenken“ und Pendler sowie Firmen entlasten. Je nach Kraftstoffart dürfte das zu rund 15 bis 20 Cent pro Liter führen, wobei allerdings davon auszugehen ist, dass der Rabatt nicht vollumfänglich an die Verbraucher weitergegeben wird. Einen deutlich größeren Preiseffekt an der Zapfsäule hätte eine Absenkung auf sieben Prozent oder eine Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Benzin und Diesel.

Die erwachsenen Emp­fän­ge­r*in­nen von „Sozialleistungen“ bekommen im „Maßnahmenpaket zum Umgang mit den hohen Energiekosten“ eine zusätzliche Einmalzahlung von 100 Euro. Damit „erhöhe“ man die bereits beschlossene Einmalzahlung von 100 Euro um weitere „100 Euro pro Person“, heißt es im Beschluss. Am 16. März 2022 war schon ein Einmalzuschuss von 100 Euro im sogenannten Sofortzuschlag- und Einmalgesetz beschlossen worden, mit Auszahlung im Juli. Der einmalige Zuschuss kommt laut diesem Gesetz Emp­fän­ge­r*in­nen von Grundsicherung für Arbeitssuchende (Hartz IV), von Sozialhilfe und von Asylbewerberleistungen zugute.

Um Härten für Familien abzufedern, ist ein einmaliger Bonus für jedes Kind ergänzend zum Kindergeld in Höhe von 100 Euro geplant. Der Bonus soll auf den Kinderfreibetrag angerechnet werden. Klar ist, dass der Kinderbonus von 100 Euro pro Kind, der im Maßnahmenpaket enthalten ist, auch Familien im Hartz-IV-Bezug voll zugutekommt. „Der Zuschlag wird nicht als Einkommen berücksichtigt“, sagte ein Ministeriumssprecher.

Zeitweise günstiger werden soll der öffentliche Nahverkehr – 90 Tage lang soll die Nutzung nur neun Euro pro Monat für den Öffentlichen Personennahverkehr kosten.

DGB begrüßt geplantes Entlastungspaket

„Das heute vorgestellte Maßnahmenpaket begrüßen wir ausdrücklich, es muss jedoch um einige Punkte ergänzt und flankiert werden“, heißt es in einer Stellungnahme des DGB. Die mit dem Familienzuschuss, der Energiepreispauschale, der Einmalzahlung für Transferleistungsbezieher*innen und dem Tankrabatt beschlossenen vier Maßnahmen werden eine spürbare und kurzfristige Entlastungswirkung haben. Beim Tankrabatt muss jedoch sichergestellt werden, dass die befristete Steuersenkung auch bei den Verbraucher*innen ankommt. Die angekündigte kartellrechtliche Prüfung ist richtig, aber unzureichend. Durch die Krise entstandene, mögliche Extragewinne müssen aus Sicht des DGB auch abgeschöpft werden.

Das angekündigte vergünstigte ÖPNV-Ticket ist ein sinnvoller Ansatz, um mehr Menschen für den Nahverkehr zu gewinnen. Wichtig ist jedoch, dass durch die temporäre Vergünstigung der Tickets die Finanzsituation des ÖPNV nicht weiter verschlechtert wird. Um mittelfristig mehr Fahrgäste für den ÖPNV zu gewinnen, müssen gleichzeitig auch ausreichend Investitionsmittel bereitstehen.

Kritisch sieht der DGB die Verteilungswirkung der Maßnahmen, die mit Blick auf das begrenzte Entlastungsvolumen stärker fokussiert werden sollten. Auch bei den strukturellen Fragen einer gerechteren Finanzierung und weiteren Beschleunigung der Transformation muss die Ampel noch nachliefern. So steht für den DGB die Einführung eines Mobilitätsgeldes, das unabhängig vom Einkommen und Verkehrsträger gezahlt wird, weiter ganz oben auf der Tagesordnung. Auch die Vorschläge zur Beschleunigung der Energiewende im Gebäudebereich brauchen einen Praxischeck. Wir brauchen dringend eine Fachkräfteoffensive, die mit guter Arbeit und Qualifizierung den notwendigen Umbaupfad unterstützt.

Zur Sicherung von Arbeitsplätzen insbesondere in der energieintensiven Industrie bietet das Entlastungspaket noch zu wenig. Hier muss die Koalition darauf dringen, dass die notwendigen beihilferechtlichen Klärungen in der EU schnell erfolgen. Wertschöpfungsketten dürfen durch die massiven Energiepreissteigerungen nicht reißen.

Und zu guter Letzt: Die gegenwärtigen Krisen und die notwendigen Gegenmaßnahmen belasten auf verschiedenen Ebenen den Staatshaushalt. Damit steigt auch die Dringlichkeit einer progressiven Steuerreform, die hohe Einkommen, Vermögen oder Erbschaften stärker in die Pflicht nimmt. Debatten um einen Sozialabbau zur Gegenfinanzierung sind unangebracht und ruinieren den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

Autor: Otto König

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