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„Mehr Aufrüstung ablehnen“

Sozialen Frieden nicht dem Militäretat opfern

Waffen nicht in Krisen- und schon gar nicht in Kriegsgebiete zu liefern, gehört zu unverrückbaren friedenspolitischen Grundsätzen der Gewerkschaften.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften setzen sich für eine stärkere und bessere Kontrolle von Waffenexporten ein. Wir lehnen Waffenexporte in Krisen- und Konfliktgebiete sowie an diktatorische oder autokratische Regime grundsätzlich ab“, beschlossen die Delegierten des 21. Bundeskongresses des DGB 2018 in Berlin. Mit der Annahme des Antrags »#NO2PERCENT – Frieden geht anders« wurde ein weiteres eindeutiges Zeichen für Frieden und Abrüstung gesetzt: „Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf, sich gegen das 2-Prozent-Ziel bei Rüstungsausgaben zu engagieren. (…) Das 2-Prozent-Ziel der NATO, das von der Trump-Regierung (auch von seinem Nachfolger Biden – d. Verf.) vehement eingefordert wird, sichert nicht den Frieden, sondern führt zu einer neuen Rüstungsspirale“.

Und im DGB-Aufruf zum Antikriegstag 2021 heißt es unmissverständlich: „Wenn wir künftig friedlich und sicher zusammenleben wollen, brauchen wir eine Politik, die auf Abrüstung und Entspannung setzt, statt auf Aufrüstung und Abschreckung. (…) Wir benötigen die Rüstungs-Milliarden dringend für andere Zwecke“. Gemeint war der Rüstungshaushalt der Großen Koalition, der seit Ausbruch der Ukraine-Krise 2014 von 32,5 Mrd. Euro auf 46,9 Mrd. im Jahr 2021 bereits steil angestiegen war.

Diese Positionen sollen nach dem völkerrechtswidrigen Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine nicht mehr gelten? Die von der Ampel-Koalition verkündete Erhöhung der Rüstungsausgaben auf mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts macht bei einer Wirtschaftsleistung von 3,57 Billionen Euro über 71,4 Milliarden Euro aus – knapp 25 Milliarden mehr als im vergangenen Jahr. Für welchen Zweck? Um weiterhin Auslandseinsätze zu ermöglichen oder sie effizienter zu gestalten? Um den in unserer Verfassung niedergelegten Auftrag zur Landesverteidigung durchführen zu können? Es gibt keinen Grund, auch noch überstürzt ein riesiges Sondervermögen von 100-Milliarden-Euro für die Bundeswehr anzukündigen.

Statt diesem größten Aufrüstungsprogramm seit Gründung der Bundeswehr 1955 und damit der gigantischen Umleitung von Steueraufkommen auf Rüstungsgeschäfte ein klares „Nein“ entgegenzusetzen, beschlossen die Mitglieder des DGB-Bundesausschusses Anfang März: „Die Bundesregierung hat zu Recht verteidigungspolitisch schnell auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine reagiert“. Wieso? Als hätte eine perfekt ausgerüstete Bundeswehr den Menschen in der Ukraine geholfen. Als hätte Wettrüsten je Kriege verhindert.

Wer erinnert sich nicht an die völkerrechtswidrigen Kriege in Vietnam, Irak, Afghanistan, Syrien und Libyen. Als hätte der Ausstieg aus internationalen Rüstungskontrollverträgen Frieden gebracht. Bereits 2020 lagen die jährlichen Rüstungsausgaben der NATO beim etwa 16,5-fachen jener Russlands, und Moskaus Streitkräfte sind den kollektiven der NATO in allen Bereichen außer Kernwaffen quantitativ um Längen und qualitativ partiell bis hochgradig (etwa bei Flugzeugträger-Kampfgruppen) unterlegen.

Wer nicht beide Augen verschließt und sich nicht von Kriegspropaganda einnebeln lässt, stellt fest, dass die Erhöhung der Militärausgaben nicht ursächlich mit dem Ukraine-Krieg zu tun haben, sondern entsprechende Pläne seit Jahren verfolgt werden. Bisher stießen sie jedoch auf den Widerstand in der Öffentlichkeit. Nun wird die Gunst der Stunde genutzt. Der Angriff Russlands auf die Ukraine dient als Vorwand, um die Erhöhung des Rüstungsetats möglichst ohne politische Widerstände durchzusetzen.

Schon deshalb ist es wichtig, dass immer mehr ehren- und hauptamtliche Funktionär*innen widersprechen und Stellung beziehen. „Diesen Krieg zum Anlass zu nehmen, nach mehr Aufrüstung zu rufen, lehnen wir ab. Mehr Waffen haben noch nie zu einer friedlicheren Welt geführt. Deshalb kritisieren wir auch den Vorschlag, im Grundgesetz eine Art Schattenhaushalt zu verankern, der zusätzliche 100 Milliarden ›Sondervermögen‹ für die Bundeswehr vorsieht. Genauer gesagt: für zusätzliche Rüstungsausgaben“, heißt es in der Resolution der Delegiertenversammlung der IG Metall Ennepe-Ruhr-Wupper vor wenigen Tagen. Die Kolleginnen und Kollegen der Geschäftsstelle Ruhrgebiet Mitte haben sich ebenso positioniert. Weitere werden folgen.

Das ist richtig so: Denn mehr konventionelle Waffen tragen so wenig zur Sicherheit bei wie die beabsichtigte Stärkung der „nuklearen Teilhabe“. Stattdessen werden mit dem Rüstungsprogramm enorme finanzielle Mittel dem Haushalt entzogen, die dringend für die ökologische Transformation, Bildung, Gesundheit, Infrastruktur des Sozialstaats benötigt werden. Da die Bundesregierung an der Schuldenbremse festhält, bedeutet das Ausgabenkürzungen vermutlich beim größten Haushaltsposten – dem Etat für Arbeit und Soziales. Schon deshalb müssen wir Gewerkschafter*innen diesen exorbitanten Rüstungsausgaben unsere Zustimmung verweigern.

Wir dürfen auch nicht akzeptieren, dass die „Kriegsgewinnler“, die deutschen und internationalen Rüstungsindustrie ihre Profite mit dem Tod machen, Die rüstungspolitische Rüstungsbombe des Bundeskanzlers sorgte an den Börsen für ein wahres „Kursfeuerwerk“: Die Rüstungsaktien stiegen zeitweise um bis zu 85 Prozent. Bei Panzerbauern, Munitionsherstellern und Raketenproduzenten füllen sich die Auftragsbücher. Mit Blick auf den Ukraine-Effekt für die Rüstungsgeschäfte seiner Firma sagte der Boss der Düsseldorfer Waffenschiede, Papperger: „Mittelfristig sehen wir in Deutschland ein jährliches Potenzial von bis zu zwei Milliarden Euro an zusätzlichem Umsatz, wenn die entsprechenden Beauftragungen erfolgen.“ Auch deshalb ist es notwendig, die gewerkschaftliche Debatte über Rüstungskonversion fortzuführen.  

Während der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften daran festhalten, „dass die militärische Friedenssicherung nicht zulasten des sozialen Friedens erkauft werden darf“, zahlen die abhängig Beschäftigten, arbeitslose Menschen und Rentner*innen schon längst die Kosten: Explodierende Sprit- und Energiepreise erhöhen ihre Lebenshaltungskosten. Das bringt wahrscheinlich ein Drittel der deutschen Haushalte, die von eher niedrigen oder mittleren Einkommen leben, in finanzielle Nöte.

In der Resolution des DGB-Bundesausschusses heißt es abschließend: „Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften (treten auch weiterhin) für eine allgemeine und weltweite kontrollierte Abrüstung, für die Verwirklichung und Erhaltung des Friedens und der Freiheit im Geiste der Völkerverständigung ein.“ Wer dies wirklich will, darf sich nicht nur am Antikriegstag als Teil der Friedensbewegung verstehen, sondern muss jetzt die Rüstungspläne der Ampel-Koalition ohne Wenn und Aber ablehnen und eine Politik unterstützen, die auf Abrüstung und Entspannung sowie Dialog setzt, statt auf Aufrüstung und Abschreckung.

Kommentar von Otto König

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