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„Mehr Zeit fürs Leben“ und mehr Geld

Mannheim. „Die Beschäftigten wollen Arbeitszeiten, die zu ihrem Leben passen“, sagte der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann auf der Arbeitszeitkonferenz in Mannheim. Im Rosengarten diskutierten 850 Betriebsräte und Vertrauensleute über einen neuen „arbeitszeitpolitischer Aufbruch“ mit dem Ziel: Mehr Selbstbestimmung der Beschäftigten über ihre Arbeitszeit. Das Konzept der Arbeitgeber aus „Vollzeit plus Überstunden plus Leistungsverdichtung plus Flexibilität“ habe ausgedient.

Nach einer längeren innerorganisatorischen Diskussion und dem Votum von 680.000 Beschäftigten, die sich Anfang des Jahres an der Befragung der IG Metall beteiligt haben, kristallisiert sich nun eine Tarifforderung zum Thema Arbeitszeit heraus, die neben der Lohnzahl Mitte Oktober in den Tarifkommissionen beschlossen werden soll. Ganz oben auf der arbeitszeitpolitischen Prioritätenliste steht für die meisten Beschäftigten die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben. Als „Antwort auf den Flexibilisierungswahn“ der Arbeitgeber wünschen sie sich Optionen, mit der Arbeitszeit nach unten abweichen zu können.

Qualitative Tarifforderung: Kurze Vollzeit?

Nach dem Arbeitszeitkongress zeichnen sich folgende Umrisse einer qualitativen Tarifforderung ab, mit der die IG Metall im Herbst in die Metall-Tarifrunde 2017/18 ziehen könnte:

  • Die Beschäftigten sollen einen tariflich abgesicherten Anspruch auf eine „kurze Vollzeit“ bekommen, d.h. ihre individuelle Arbeitszeit auf bis zu 28 Stunden für einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten – mit anschließendem Rückkehrrecht zur 35-Stunden-Woche – absenken zu können, um sich beispielsweise um die Kinder oder pflegebedürftige Angehörige kümmern zu können. In diesen Fällen soll es einen Entgeltausgleich geben – je niedriger die Entgeltgruppe, desto höher der Ausgleich – damit sich die Beschäftigten die Verkürzung leisten können.
  • Die zweite Säule soll die Forderung nach Entlastung von Schichtarbeitern beinhalten. Für sie sollen zusätzliche Freischichten und mehr Freiräume bei der Festlegung der Freischichten durchgesetzt werden – ebenfalls kombiniert mit einem finanziellen Entgeltausgleich. Denn Schichtarbeiter sind nachweisbar besonderen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt.
  • Die IG Metall-Jugend möchte für Auszubildende und Dual Studierende bezahlte Freistellungstage vor allen Teilen der Abschlussprüfung.

Kein Anlass für „falsche Bescheidenheit“

Angesichts der guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist jetzt der richtige Zeitpunkt für diesen Aufbruch. Die Auftragsbücher in der Metallbranche sind voll. Die Wirtschaft befindet sich im achten Jahr nach der Krise 2008/9 im Aufschwung und die Ertragslage vieler Unternehmen stellt sich glänzend dar. Deshalb gebe es auch keinen Anlass für „falsche Bescheidenheit“ in der Debatte über die Lohnzahl zur Erhöhung der Entgelte.

Eine klare Absage erteilten die Konferenzteilnehmer in Mannheim allen Bestrebungen der Arbeitgeber, das Arbeitszeitgesetz aufzuweichen. Jörg Hofmann: „Selbstbestimmt zu arbeiten, heißt auch, die „rote Karte’“ ziehen zu können und zu sagen: Jetzt ist Schluss für heute.“ Deshalb muss es auch in Zukunft verlässliche tarifliche und gesetzliche Regelungen zur Ruhezeit geben.

Wie geht’s weiter?

Die Debatte wird in den kommenden Wochen in den Betrieben und in der Tarifkommission NRW am 12. Juli fortgesetzt, um im Herbst die Forderungen für die anstehende Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie beschließen zu können. So steht am 14. September die Entscheidung an, ob der Manteltarifvertrag (EMTV) gekündigt werden soll und am 24. Oktober wird die endgültige Forderung – nach besseren Arbeitszeiten und Lohnprozenten – für die kommende Tarifrunde beschlossen.

Foto: Die VertreterInnen der IGM Gevelsberg-Hattingen in Mannheim – Tina Flügge, Clarissa Bader, Dennis Schindehütte und Binali Ateser (1. Reihe – v.l.n.r) – Foto: IGM-GH

 

 

 

 

 

 

 

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