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Mit Tarif: Mehr Urlaubstage und Extra-Plus

WSI-Tarifarchiv: 46 Prozent aller Beschäftigten bekommen Urlaubsgeld

Nach der langen Zeit des Lockdowns ermöglichen die beschlossenen Lockerungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie vielen Kolleginnen und Kollegen in den kommenden Sommermonaten endlich wieder eine Urlaubsreise. Beschäftigte in tarifgebundenen Betrieben haben hier eindeutig einen Vorteil. Mit Tarif gibt es nicht nur mehr Urlaubstage, sondern auch ein Extra-Plus für die Reisekasse.

Nicht jede und jeder kommt in den Genuss von Urlaubsgeld. Knapp die Hälfte (46 Prozent) aller Beschäftigten in der Privatwirtschaft haben einen tarifvertraglichen Anspruch auf Urlaubsgeld, so das Ergebnis einer aktueller Online-Befragung (1) des Internet-Portals Lohnspiegel.de, das vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung betreut wird. „Ob ein Beschäftigter Urlaubsgeld erhält oder nicht, hängt von mehreren Faktoren ab. Der mit Abstand wichtigste ist die Tarifbindung“ sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs Thorsten Schulten. Aber auch die Region, die Branche, die Betriebsgröße und die Berufserfahrung können entscheidend sein.

So erhalten 73 Prozent der Beschäftigten in tarifgebundenen Unternehmen der Privatwirtschaft Urlaubsgeld, gegenüber nur 35 Prozent der Beschäftigten in Unternehmen ohne Tarifvertrag. In Ostdeutschland wird nach wie vor deutlich seltener Urlaubsgeld gezahlt als in Westdeutschland. Während im Osten 33 Prozent der Beschäftigten Urlaubsgeld erhalten, sind es im Westen 48 Prozent. Diese Unterschiede sind in erster Linie auf die deutlich geringere Tarifbindung in den neuen Bundesländern zurückzuführen.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Größe des Unternehmens, da die Wahrscheinlichkeit, Urlaubsgeld zu erhalten, mit zunehmender Beschäftigtenzahl ansteigt. Auch hier besteht eine enge Verknüpfung mit der Tarifbindung, da große Unternehmen häufiger tarifgebunden sind als kleinere und mittlere Unternehmen. Männer erhalten mit 49 Prozent häufiger Urlaubsgeld als Frauen, von denen nur 41 Prozent eine entsprechende Sonderzahlung bekommen.

Unterschiede in der Höhe des tarifvertraglichen Urlaubsgeldes

Die Höhe des tarifvertraglich vereinbarten Urlaubsgeldes fällt je nach Branche sehr unterschiedlich aus: Zwischen 155 und 2.558 Euro bekommen Beschäftigte in der mittleren Vergütungsgruppe dieses Jahr als tarifliches Urlaubsgeld (ohne Berücksichtigung von Zulagen/Zuschlägen, bezogen auf die Endstufe der Urlaubsdauer). Am wenigsten Urlaubsgeld bekommen Beschäftigte in der Landwirtschaft und im Hotel- und Gaststättengewerbe. Die höchsten Zahlungen erhalten Arbeitnehmer*innen unter anderem in der Holz- und Kunststoffverarbeitung, der Metallindustrie, der Papier verarbeitenden Industrie, dem Kfz-Gewerbe, der Druckindustrie, im Versicherungsgewerbe, dem Einzelhandel, dem Bauhauptgewerbe und in der Chemischen Industrie.

Gegenüber dem Vorjahr hat sich das tarifliche Urlaubsgeld in 7 von 22 untersuchten Branchen erhöht. Dies gilt insbesondere für diejenigen Branchen, in denen das Urlaubsgeld als bestimmter Prozentsatz der Tarifentgelte festgelegt wird, wie z.B. im Kfz-Gewerbe, in der Holz- und Kunststoff verarbeitenden Industrie, im Einzelhandel oder im Bauhauptgewerbe. Die Erhöhungen des Urlaubsgeldes folgten demnach den allgemeinen Tariferhöhungen und lagen meistens zwischen 1,7 und 3,0 Prozent.

In der Regel beträgt in den Branchen, für die IG Metall-Tarifverträge gelten, die Urlaubsdauer 30 Arbeitstage und das zusätzliche Urlaubsentgelt 50 Prozent des Durchschnittseinkommens. Bei 30 Tagen Urlaub entspricht dies etwa 70 Prozent eines Monatseinkommens. Beides sind keine Geschenke, sondern hart erkämpfte Erfolge der in der IG Metall organisierten Metaller*innen. So hatten 1978 und 1979 die Stahlarbeiter*innen sechs Wochen lang für mehr Urlaub gestreikt. Das Ergebnis war ein Stufenplan, an dessen Ende 30 Tage Urlaub standen und die seit 1981 in den IG Metall-Tarifverträgen festgeschrieben sind. Dagegen gibt es per Gesetz für Beschäftigte, die sechs Tage in der Woche arbeiten, nur 24 Urlaubstage –  bei einer Fünf-Tage-Woche muss der Arbeitgeber sogar nur 20 freie Tage genehmigen.

Tarifbindung ist die Gerechtigkeitsfrage Nr.1

Deshalb steht Tarifbindung für die Gewerkschaften ganz oben auf der Agenda – sie ist die Gerechtigkeitsfrage Nr.1. Doch die Gewerkschaften können den Sumpf der tarifvertragsfreien Zonen nur gemeinsam mit den abhängig Beschäftigten trocken legen. Das setzt voraus, dass erstens die Kolleginnen und Kollegen in nicht-tarifgebundenen Betrieben Mitglied der IG Metall werden, so die Durchsetzungskraft stärken, um zweitens gemeinsam mit ihren Betriebsräten und der IG Metall den tariflosen Zustand beenden zu können. Da darf es kein „Hannemann geh‘ du voran“ geben. Nur gemeinsam geht’s.

Sonderzahlungen 2021 in der Metall- und Elektroindustrie auf einen Blick:

Juni 2021 – Urlaubsgeld – 50 Prozent des Durchschnittseinkommens. Bei 30 Tagen Urlaub entspricht dies etwa 70 Prozent eines Monatseinkommens.

Juni 2021 – Abgabenfreie Corona-Prämie von 500 Euro (Auszubildende 300 Euro)

Juli 2021 – Tarifliches Zusatzentgelt Das tarifliche Zusatzgeld (T-ZUG) ist eine neue jährliche Sonderzahlung, die sich aus zwei Teilen zusammensetzt: dem T-ZUG A – 27,5 Prozent vom individuellen Monatsentgelt. Und dem Zusatzbetrag – T-ZUG B – 12,3 Prozent vom tariflichen Facharbeiter-Eckentgelt. Auszubildende erhalten entsprechend der prozentualen Anbindung ihrer Vergütungen an das Eckentgelt je nach Ausbildungsjahr und Tarifgebiet rund 30 bis 40 Prozent davon.

November – Weihnachtsgeld: 55 Prozent eines durchschnittlichen Monatsentgelts.

Anmerkung

(1) Die Daten des Online-Portals Lohnspiegel.de beruhen auf einer kontinuierlichen Online-Umfrage unter Erwerbstätigen in Deutschland. Für die Analyse wurden die Angaben von mehr als 57.000 Beschäftigten aus dem Zeitraum von Anfang Mai 2020 bis Ende April 2021 ausgewertet. Die Umfrage ist nicht repräsentativ, erlaubt aber aufgrund der hohen Fallzahlen detaillierte Einblicke in die tatsächlich gezahlten Entgelte und die Häufigkeit von Sonderzahlungen. Nicht berücksichtigt wurden Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, bei denen das Urlaubs- und Weihnachtsgeld seit der Tarifreform des Jahres 2005 in einer einzigen Jahressonderzahlung zusammengefasst wird.

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