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„Mitbestimmungsrechte sollen ausgehebelt werden“

Sprockhövel. Die deutsche Mitbestimmung ist für US-amerikanische Konzerne ein rotes Tuch. Vor allem für Südstaatler wie die Konzernspitze von Avery Dennison im kalifornischen Pasadena, die den Mythos vom „Land der Freien“ pflegen. Gewerkschaften und Betriebsräte die ihre „Hire und Fire“-Politik erschweren, stören da nur, vor allem wenn sie wie am Standort Sprockhövel auf ihre betriebsverfassungsrechtlich verbrieften Rechten bestehen.

Ende April verkündete Geschäftsführer Jeremy Bauer die „Order“ aus der Konzernzentrale:
Der Standort Sprockhövel des Textiletiketten-Spezialisten wird im Ersten Quartal 2016 stillgelegt“, sagt der stellv. Betriebsratsvorsitzende Dirk Kolwe. Diese Arbeitgeberplanung ist eine Betriebsänderung nach § 111 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). „Natürlich nehmen wir unser Recht in Anspruch, Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung nach § 92a BetrVG zu erarbeiten“, ergänzt seine Betriebsratskollegin. Zur Unterstützung wurde in Abstimmung mit der IG Metall die arbeitnehmernahe Beratungsgesellschaft PCG (Essen) beauftragt.

Nach einem zeitraubenden Hick-Hack seitens der Geschäftsführung konnten Nicole Cosel-Neumann und Burkard Berg von PCG endlich ihre Arbeit aufnehmen. Doch jetzt platzte den Betriebsratsmitgliedern von Avery Dennison der Kragen. Sie beschlossen die Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens (einstweilige Verfügung). Was war geschehen? Unter dem Vorwand, dass in der Abteilung „Global Product Development“ (GPD) Zeitverträge auslaufen und die Arbeiten nicht von den verbleibenden Beschäftigten aufgefangen werden können, soll die Betreuung von fünf mittelständischen Kunden „vorrübergehend“ an konzernzugehörige Betriebsstätten in Großbritannien und Russland übergeben werden.

„Das ist der eindeutige Versuch in einzelnen Bereichen Fakten zu schaffen, bevor wir überhaupt über einen Interessenausgleich verhandelt haben“, kritisiert Dirk Kolwe das Vorgehen der Geschäftsführung. Das gelte auch für die Absicht, Aufträge aus der Abteilung ‚Creative Team‘ in Sprockhövel zur Abteilung ‚Creative Team‘ in Nottingham/ Großbritannien zu übertragen. „Mit diesen Maßnahmen sollen eindeutig unsere Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte ausgehebelt werden“, betont der Betriebsrat.

Für den Gevelsberger Rechtsanwalt Lutz Ellinghaus, der den Betriebsrat rechtlich berät, ist es offensichtlich, dass die Arbeitgeberseite am Gesetz vorbei Fakten schaffen will. Das müsse gestoppt werden: Deshalb habe der Betriebsrat eine einstweilige Verfügung beantragt, mit dem Ziel der Geschäftsführung mitzuteilen, solche Schritte zu unterlassen, bevor nicht die Verhandlungen zu einem Interessenausgleich abgeschlossen sind.

 

Foto: Die Betriebsratsmitglieder im Betriebsratsbüro – Foto: IGM-GH

 

 

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