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Nein zum 2%-Aufrüstungsziel

 Veranstaltungen zum Antikriegstag

Hattingen:
Freitag, 30. August um 17 Uhr, Gedenkveranstaltung am Ehrenfriedhof im Ludwigstal, Zur Maasbeck
Wuppertal:
Sonntag, 1. September um 19 Uhr, City-Kirche Elberfeld, Kirchplatz 2, „Friedenspolitische Revue“ Lieder und Texte gegen Krieg, Rassismus und Rechtsentwicklung
Witten:
Montag, 2. September um 16 Uhr Treff im Friedens Café in der Gemeinde im Oberdorf; anschließend: Gedenkveranstaltung am Mahnmal im Lutherpark

 

Die erste Duftmarke, die Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) als Verteidigungsministerin setzte, war die Forderung nach höheren Rüstungsausgaben. Der Verteidigungshaushalt »muss weiter ansteigen«, erklärte sie in ihrer an die Soldat*innen gerichteten Aufrüstungserklärung im Bundestag in Berlin: »Die Bundeswehr wächst wieder. Personal und Material, alle Trendlinien zeigen endlich wieder aufwärts. Diese Trendwenden will ich fortsetzen. Und diese Trendwenden müssen dauerhaft abgesichert werden.«

Außerdem bekannte sich die neue Oberbefehlshaberin zur Vereinbarung der NATO-Staaten zwei Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung (BIP) für den Militäretat aufzuwenden – und »auf dem Weg dahin müssen und wollen wir bis 2024 ein Verteidigungsbudget in Höhe von 1,5% des Bruttoinlandproduktes erreichen«. Dabei ist der »Verteidigungshaushalt« schon in den vergangenen Jahren massiv erhöht worden. Insgesamt geben die 29 NATO-Mitgliedstaaten schon heute rund 60 Prozent der weltweiten Militärausgaben von rund 1,6 Billionen US-Dollar aus.

»In den vergangenen Jahren ist der Verteidigungshaushalt schrittweise angestiegen. 2014 betrug der Soll-Etat noch 32,4 Milliarden Euro. 2017 erhöhte er sich bereits auf rund 37 Milliarden Euro. Im Jahr 2019 liegt er nunmehr bei rund 43,2 Milliarden Euro«, erklärt das Verteidigungsministerium. Damit ist noch längst nicht Schluss: Wie das Bundeskabinett beschlossen hat, soll der Militäretat 2020 auf 44,9 Milliarden Euro steigen.

Im nicht öffentlichen »Fähigkeitsprofil der Bundeswehr«, auf das sich Kramp-Karrenbauer in ihrer Bundestagsrede bezog, werden für 1,5 % des BIP im Jahr 2023 rund 60 Milliarden Euro angegeben, konkret durchgeplant mit Rüstungsprojekten und entsprechenden Zeitplanungen. Werden 2% des BIP zugrunde gelegt, sind bis zu 85 Milliarden Euro zu erwarten, haben Wissenschaftler der regierungsnahen Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) und der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) ausgerechnet.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen stellen die IG Metaller*innen aus der Geschäftsstelle Köln-Leverkusen in ihrem Antrag »#No2Percent – Frieden geht anders« (E2.149) an den 24. Ordentlichen Gewerkschaftstag der IG Metall Anfang Oktober in Nürnberg zurecht fest: »Das 2-Prozent-Ziel der NATO, das von der Trump-Regierung vehement eingefordert wird, sichert nicht den Frieden, sondern führt zu einer neuen Rüstungsspirale.« Zwei Prozent BIP für Rüstungsausgaben, das wären weitere 30 Milliarden Euro, die im zivilen Bereich fehlen, für Bildung, Hochschulen, Schulen und Kitas, für den sozialen Wohnungsbau, für kommunale und digitale Infrastruktur, für eine ökologische und soziale Verkehrs- und Energiewende, für die Alterssicherung und für mehr soziale Sicherheit.

In die gleiche Richtung zielt der Antrag »Frieden und Abrüstung« (E2.155) der nieder-sächsischen Gewerkschafter*innen aus der Geschäftsstelle Salzgitter-Peine, in dem es u.a. heißt: »Die IG Metall lehnt das von der NATO schon vor Jahren festgelegte Ziel ab, die Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung (BIP) zu erhöhen und unterstützt auch weiterhin den Appell ›Abrüsten statt Aufrüsten‹ und beteiligt sich aktiv an der Unterschriftensammlung unter diesen Appell.« Diesen Aufruf der Friedensbewegung gegen das Zwei-Prozent-Ziel der NATO haben inzwischen mehr als 150.000 Unterstützer*innen bundesweit unterzeichnet.

Nach dem Willen dieser und vergleichbarer Anträge (insgesamt 23) soll sich die IG Metall bei der Bundesregierung für die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags und für den Abzug von Atomwaffen aus Deutschland einsetzen. Darüber hinaus soll die Bundesregierung nach der Beendigung des »INF-Vertrages zum Verbot nuklear bestückbarer Mittelstreckenraketen« zwischen den USA und Russland einer Stationierung von neuen Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden eine klare Absage erteilen und sich zugleich gegen eine Stationierung dieser Waffensysteme in Europa engagieren. Die Gewerkschaft solle sich mit anderen gesellschaftlichen Organisationen und der Friedensbewegung an die Spitze der Forderung nach weltweiter Abrüstung stellen.

In 14 Anträgen werden die Themen »Rüstungskonversion und Diversifikation« aufgegriffen, und der IG Metall-Vorstand aufgefordert, verstärkt »Projekte der Rüstungskonversion zu unterstützen«, das Projekt »Konversion in wehrtechnischen Betrieben« weiterzuführen mit dem Ziel, die Anzahl der beteiligten Betriebe zu erhöhen. Zur erfolgreichen Realisierung dieser Projekte müsse die IG Metall-Führung gegenüber der Bundesregierung auf die Erhöhung des »Rüstungskonversionsfonds« drängen. Die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte bei Konversionsprojekten sollen gestärkt werden, damit sie auf die »Umsetzung der Projekte gestaltend Einfluss nehmen können«.

Die deutschen Militärausgaben sind seit dem Einzug von Donald Trump ins Weiße Haus ein Dauerthema. Der US-amerikanische Botschafter in Berlin, Richard Grenell, verschärfte jüngst den Ton: Es sei beleidigend, dass »der US-Steuerzahler weiter mehr als 50.000 Amerikaner in Deutschland bezahlt, aber die Deutschen ihren Handelsüberschuss für heimische Zwecke verwenden«. (1) Der begeisterte Anhänger der »Maximal Pressure«-Idee seines Chefs drohte im Stile einer »Schutzgelderpressung« mit einem Teilabzug der US-Truppen aus Deutschland. Zuvor hatte seine Kollegin in Warschau, Georgette Mosbacher, getwittert: »Polen erfüllt seine Zahlungsverpflichtung von zwei Prozent des BIP gegenüber der NATO. Deutschland tut das nicht. Wir würden es begrüßen, wenn die US-Truppen in Deutschland nach Polen kämen.«

Deutschland ist nach Japan der zweitgrößte Auslandsstandort der US-Streitkräfte. Insgesamt sind 35.700 US-Soldaten in Deutschland stationiert – davon 18.459 in Rheinland-Pfalz, 11.689 in Bayern, 3036 in Baden-Württemberg und 2471 in Hessen. Hinzu kommen 17.000 US-amerikanische und 12.000 deutsche Zivilisten, die von den US-Streitkräften beschäftigt werden. Die Kommandozentralen für die US-Truppen in Europa und Afrika sind im Raum Stuttgart und der wichtigste Luftwaffenstützpunkt der USA im rheinland-pfälzischen Ramstein gelegen.

Letzterer ist das wichtigste Nachschub-Drehkreuz für Einsätze im Nahen Osten, Afghanistan und Afrika und die zentrale Stelle für die Steuerung der mörderischen Drohneneinsätze im vorderasiatischen Raum. Das Miesau Army Depot, größtes Munitionslager der US-Landstreitkräfte außerhalb der USA, liegt rund 15 Kilometer von Ramstein entfernt. Der Armeestützpunkt in Vilseck und der Truppenübungsplatz Grafenwöhr in der Oberpfalz ist einer der größten Truppenübungsplätze in Europa.

Anders als von Grenell behauptet, sind die meisten US-Soldaten in Deutschland keineswegs als Schutztruppe stationiert. Tatsächlich dienen die Kommando-Zentralen und Logistik-Stützpunkte den militärischen und geo-strategischen Interessen der USA. Das Aktionsgebiet der hier stationierten Truppen sind die vom deutschen Boden leichter erreichbaren Einsatzgebiete im asiatischen und afrikanischen Raum.

Im Übrigen, was die Truppenabzugsdrohung betrifft rennt der Trump-Statthalter in Berlin offene Türen ein. Nach einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts Kantar im Auftrag von Greenpeace sagen 86% der Bundesbürger, die Bundesregierung solle eine Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen der USA in Deutschland verbieten. 84% der Befragten gaben in der Umfrage an, dass es in Deutschland gar keine Atomwaffen mehr geben sollte.

Mit Blick auf den Antikriegstag am 1. September, an dem Friedensfreunde und Gewerkschafter*innen an den 80. Jahrestages des Beginn des grauenhaften Vernichtungskriegs mit über 55 Millionen getöteten Menschen erinnern, und daran, wohin das Wiedererstarken von blindwütigem Nationalismus und Militarismus, von Menschenfeindlichkeit und Rassismus führen kann, wäre es mehr als sinnvoll, wenn die Bundesregierung und der Bundestag das »Angebot« von Richard Grenell annehmen und den Vertrag zur Stationierung ausländischer Truppen in Deutschland – den »Truppenstationierungsvertrag« – aufkündigen würden.

Zwei Projekte bieten sich für erste Schritte an:

Erstens die Schließung der US-Air Base, Flugleitzentrale und Daten-Drehscheibe der militärischen Drohnenwelt (2) in Ramstein, über die die Drohneneinsätze gegen vermeintliche Terroristen im Irak, in Afghanistan, Somalia, Jemen, Pakistan koordiniert werden.

Zweitens der Abzug der US-Atomwaffen vom Fliegerhorst Büchel. Die dort gelagerten 20 Atomwaffen sollen auf Basis des sogenannten Lebensdauerverlängerungsprogramms (»life extension program«) technisch aufgerüstet werden. Auf dem Militärflughafen in der Eifel übt das Taktische Luftwaffengeschwader 33 der Bundeswehr im Rahmen der »nuklearen Teilhabe« mit Tornados, die Atombomben ins Zielgebiet zu fliegen. (3)

Die Bundesregierung muss den Beschluss des Bundestages vom 26. März 2010 umsetzen, in dem die Abgeordneten fraktionsübergreifend den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland und den engagierten Einsatz für eine atomwaffenfreie Welt gefordert haben. Deutschland muss endlich dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag beitreten. Die »Doomsday Clock«, die sogenannte »Weltuntergangsuhr«, steht seit über einem Jahr auf zwei Minuten vor zwölf. Die Wissenschaftler, die Jahr für Jahr die Bedrohungsuhrzeit festlegen, nennen zwei Gründe dafür: Klimawandel und atomare Aufrüstung.

Artikel von Otto König, ehemaliger 1. Bevollmächtigter der IG Metall (Hattingen) und Richard Detje, Redakteur der Zeitschrift Sozialismus (Hamburg)

Anmerkungen
(1) Die Bundesregierung hat die US-Truppen in Deutschland in den vergangenen sieben Jahren mit 243 Millionen Euro unterstützt. Damit wurden u.a. Versorgungsleistungen für ehemalige Mitarbeiter oder die Bewirtschaftung von Grundstücken und Gebäuden bezahlt. Hinzu kommen 480 Millionen Euro, die der Bund von 2012 bis 2019 für alle militärischen Baumaßnahmen von Nato-Partnern in Deutschland verplant hat, die entfallen „fast ausschließlich“ auf die USA. Dies geht aus einer Antwort des Finanzministeriums auf eine Anfrage der Abgeordneten Brigitte Freihold von der Fraktion der Linken hervor. (Frankfurter Rundschau, 21.08.2019)
(2) https://www.ramstein-kampagne.eu
(3) https://www.atomwaffenfrei.de/

Foto: „Friedenstaube der Zukunft“ von Pablo Picasso

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