Neue Wahlordnung in Kraft getreten

Betriebsratswahl: Neue Wahlordnung und Herabsetzung des Wahlalters
Die Verordnung zur Änderung der Wahlordnung (WO) für die Betriebsratswahlen ist am 14. Oktober 2021 in Kraft getreten. Durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz waren diese Änderungen notwendig geworden, wie beispielsweise Vorgaben zur Durchführung von Video-Sitzungen des Wahlvorstandes. Darüber hinaus sind einige weitergehende Regelungen aufgenommen worden.
Wahlvorstandssitzungen per Video- oder Telefonkonferenzen
Für den Wahlvorstand sind ab sofort Sitzungen und Beschlussfassungen per Video- oder Telefonkonferenzen möglich. Ob und in welchem Umfang davon Gebrauch gemacht wird, entscheidet allein der Wahlvorstand. Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, die Durchführung der Sitzungen – etwa aus Kostengründen – mittels Video- und Telefonkonferenz zu verlangen.
Zulässig sind keine Video- oder Telefonkonferenzen bei:
- Prüfung eingereichter Vorschlagslisten
- Nachprüfen von Vorschlagslisten, nachdem sie aufgrund einer Beanstandung des Wahlvorstands korrigiert wurden
- Stimmauszählung
- Bearbeitung der Briefwahlunterlagen
- Durchführung eines Losverfahrens
- Erste Wahlversammlung im vereinfachten zweistufigen Wahlverfahren (§ 14a Abs. 1 Satz 2 BetrVG)
Ausweitung des vereinfachten Wahlverfahrens
Künftig findet die Wahl aufgrund von Vorschlagslisten erst dann statt, wenn mehr als fünf Betriebsratsmitglieder zu wählen sind. Für das vereinfachte Verfahren kraft Vereinbarung (§ 37 WO) bedarf es lediglich der Anpassung an die erhöhten Schwellenwerte: In Betrieben bis zu 100 Beschäftigten muss das vereinfachte Verfahren angewandt werden. In Betrieben ab 101 bis 200 Beschäftigte können Wahlvorstand und Arbeitgeber*in das vereinfachte Wahlverfahren vereinbaren. (§ 14a Absatz 5 BetrVG).
Korrekturen an der Wählerliste länger möglich
Ab sofort sind Korrekturen an der Wählerliste noch bis zum Abschluss der Stimmabgabe am Tag der Wahl zulässig – also deutlich länger als bisher, weshalb kurz vor der Wahl eingestellte oder umgesetzte Arbeitnehmer*innen möglicherweise auch an der Wahl teilnehmen können.
Abschaffung der Wahlumschläge bei Präsenzwahlen
Ab sofort läuft die Urnenwahl ohne Verwendung von Wahlumschlägen ab. Wähler*innen falten den Stimmzettel so, dass die Stimme nicht erkennbar ist. Nur noch Briefwahlstimmen kommen in einen Umschlag.
Erweiterung der Briefwahl
Ab sofort darf der Wahlvorstand Beschäftigten, die längere Zeit nicht im Betrieb anwesend sind, ohne gesondertes Verlangen die Wahlunterlagen zusenden, wenn ihm bekannt ist, dass Wahlberechtigte bis zum Wahltag voraussichtlich nicht anwesend sein werden.
Auszählung der Briefwahlunterlagen
Die schriftlich abgegebenen Stimmen werden künftig erst nach der Stimmabgabe zu Beginn der öffentlichen Sitzung, in der die Stimmenauszählung erfolgt, bearbeitet.
Mehr Spielraum bei Fristen
Künftig kann der Wahlvorstand bestimmen, bis wann ihm fristgebundene Erklärungen zugehen können. Das gilt für
- die Frist für den Einspruch gegen die Wählerliste,
- die Fristen für die Einreichung von Vorschlagslisten und
- Erklärungen bei Mängeln eingereichter Vorschlagslisten.
Fristende ist laut Gesetz am letzten Tag der Frist um 24 Uhr. Der Wahlvorstand kann nun bestimmen, dass diese Frist verkürzt wird und auf das Ende der Arbeitszeit im Betrieb oder auf das Ende der Dienststunden des Wahlvorstands, wenn dieser Zeitpunkt nicht vor dem Ende der Arbeitszeit der Mehrheit der Arbeitnehmer*innen liegt.

Herabsetzung Wahlalter und die Folgen
Durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz wurde das Wahlalter bei den Betriebsratswahlen herabgesetzt. Beschäftigte wählen nun bereits ab dem 16. Lebensjahr den Betriebsrat mit. Das hat Folgen: Zum einen könnte sich in vielen Betrieben die Größe des Betriebsrates ändern, zum anderen spielt für einige Beteiligungsrechte die Wahlberechtigung eine Rolle.
Mehr Betriebsratsgründungen
Einen Betriebsrat gibt es nur in Betrieben ab fünf Beschäftigten. Die müssen aber alle wahlberechtigt sein (§ 1 BetrVG). Ab jetzt zählen allerdings Beschäftigte bereits ab dem 16. Lebensjahr mit und damit in der Regel die Auszubildenden. Durch das Herabsetzen des Wahlalters könnten nun eventuell in mehr Betriebe Betriebsräte gegründet werden.
Betriebe ohne Betriebsrat
Gibt es noch keinen Betriebsrat, so muss auf einer Betriebsversammlung ein Wahlvorstand gebildet werden, der die Betriebsratswahlen organisiert. Das ist ein Weg für eine Neugründung. Zu dieser Betriebsversammlung laden drei wahlberechtigte Arbeitnehmer*innen ein. Einladen kann nun, wer 16 Jahre alt ist (§ 17 BetrVG). Außerdem wurde der Kündigungsschutz schon auf Wahlinitator*innen ausgeweitet.
Betriebsratsgröße könnte sich überall ändern
Auch die Größe des Betriebsratsgremiums hängt – jedenfalls in kleinen und mittelgroßen Betrieben – von der Zahl der wahlberechtigten Beschäftigten ab. Bei bis zu 20 wahlberechtigten Beschäftigten darf ein Betriebsratsmitglied gewählt werden, bei 21 bis 50 Beschäftigten besteht der Betriebsrat aus drei Personen. Werden nun bereits die 16-Jährigen mitgezählt, so könnte sich ein größeres Gremium ergeben. Bei 51 bis 100 Beschäftigten besteht das Betriebsratsgremium aus fünf Personen (§ 9 BetrVG).
Stützunterschriften für Kandidat*innen zur Betriebsratswahl
Die Zahl der wahlberechtigten Beschäftigten spielt auch eine Rolle, wenn es um die sogenannten Stützunterschriften für die Kandidat*innen zur Betriebsratswahl geht. Diese Unterschriften sind in kleinen Betrieben nicht mehr erforderlich. Hier kommt es allerdings auf die wahlberechtigten Beschäftigen an. In Betrieben mit in der Regel bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmer*innen bedarf es keiner Unterzeichnung von Wahlvorschlägen. In größeren Betrieben sind sie gestaffelt erforderlich (siehe § 14 Abs. 4 BetrVG).
Stimmengewichtung im Gesamt- und Konzernbetriebsrat
Die Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer*innen spielt auch für die Stimmengewichtung im Gesamt- und auch im Konzernbetriebsrat eine Rolle. Jedes Mitglied des Gesamtbetriebsrats hat so viele Stimmen, wie in dem Betrieb, in dem es gewählt wurde, wahlberechtigte Arbeitnehmer*innen in der Wählerliste eingetragen sind (§ 47 Abs. 7 BetrVG).
Auswirkungen auf Beteiligungsrechte der §§ 99 und 111 BetrVG
Das Herabsetzen des Wahlalters kann auch Auswirkungen auf Beteiligungsrechte haben. So greift das wichtige Beteiligungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen erst ab einer Unternehmensgröße (nicht Betriebsgröße) von in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmer*innen: Erst dann haben die Arbeitgeber*innen den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben. Hier zählen nun auch die Beschäftigten ab 16 Jahren mit.
Genauso müssen die Unternehmer*innen – wenn mehr als 20 wahlberechtigte Beschäftigte vorhanden sind – den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat beraten (§ 111 BetrVG). Da nun die jüngeren Beschäftigen mitzählen, kann die Informations- und Beratungspflicht für mehr Betriebe relevant werden.
Alle Änderungen/Neuerungen und deren Auswirkungen werden weiterführend auf den Wahlvorstandsschulungen zur Vorbereitung der Betriebsratswahlen thematisiert.
(Unter Verwendung von Texten des bund-verlag.de)