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Neuenhauser-Gruppe liquidiert Hattinger Standort

Hattingen. „Quality in time“ – die Qint GmbH hat ein Versprechen im Namen, das in der Fertigung innovativer Komponenten und Baugruppen täglich neu eingelöst wird. Dieser Spruch auf der Website des Unternehmens grenzt an Zynismus. Denn die Anteilseignerin, die Neuenhauser Unternehmensgruppe, hat den 115 Beschäftigten und 20 Leiharbeitern die Grundlage für ihre Arbeit entzogen. Zum Jahresende 2015 wird der Hattinger Standort liquidiert und die Arbeitsplätze vernichtet.

Bernd Voshaar, der Geschäftsführende Gesellschafter, lässt sein Unternehmen – im niedersächsischen Neuenhaus an der holländischen Grenze gelegen – gern als Paradebeispiel eines mittelständischen Maschinenbauunternehmen, das sich zu einer Unternehmensgruppe mit 26 Betrieben entwickelt hat, in denen über 2.000 Mitarbeiter beschäftigt sind, feiern.

Wenn jedoch eines der „Familien-Mitglieder“ aufgrund von jahrelangem Missmanagement ständig wechselnder Geschäftsführer vor die Wand gefahren wird, werden die Ursachen nicht beseitigt, wird kein Geld in die Hand genommen, um den Betrieb zu sanieren, sondern das vermeintliche „Unternehmer-Risiko“ wird den Beschäftigten aufgebürdet. Mit der Folge: „Eiskalt wird der Standort geschlossen und die qualifizierten Beschäftigten werden vors Werkstor gesetzt“, empört sich die IG Metall-Bevollmächtigte Clarissa Bader.

 

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Gemeinsam mit Gewerkschaftssekretärin Jennifer Schmidt und Mitgliedern des Betriebsrates – und ihrem Vorsitzenden Thomas Hövelmann an der Spitze – verhandelte Clarissa Bader in den zurückliegenden Tagen einen Interessenausgleich und Sozialplan, der inzwischen unterschrieben worden ist: Die Qint-Beschäftigten erhalten eine Abfindung von 0,6 Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr. Die Abfindungssumme beträgt mindestens 2500 Euro pro Beschäftigten bzw. 1500 Euro für Auszubildende. Darüber hinaus wurde ein Betrag von 500 Euro je Kind und für Schwerbehinderte bzw. Gleichgestellte ein zusätzlicher Betrag von 750 Euro vereinbart.

„Das beste Ergebnis wäre natürlich der Erhalt der Arbeitsplätze gewesen“, sagen beide Hauptamtliche. „Keine materielle Abfindung kann einen verloren gegangenen Arbeitsplatz ersetzen“, begründet Jennifer Schmidt, warum sie mit dem Sozialplan nicht zufrieden sind. Gemeinsam mit Kollegen der früheren Unternehmen MSH GmbH, Wilhelm Bunse GmbH und Jarmetall GmbH, die sich zu Qint zusammen geschlossen hatten, baute sie einen durchsetzungsfähigen Betriebsrat auf, verhandelte über Monate mit dem Ziel, für die Beschäftigten die Tarifbindung herzustellen.

Dann folgte der Tiefschlag: Für die Anteilseignerin der Qint GmbH lief als Verhandlungsbevollmächtigter Hans-Peter Mertens auf, begleitet von Rechtsanwalt Bernhard Steinkühler aus Berlin, die gleich zu Beginn der Gespräche nassforsch mit der „Insolvenz“ drohten, wenn der Betriebsrat langes Wasser machen würde. Emotionslos teilten sie der Belegschaft in einer Informationsversammlung den in Neuenhaus beschlossenen „Todesstoß“ mit. Massiv drückten die Vollstrecker auf das Tempo bei den Verhandlungen. Der geschäftsführende Gesellschafter Voshaar traute sich dagegen nicht nach Hattingen.

Alle Beschäftigten, auch die mit kürzeren Kündigungsfristen, erhalten nach Abschluss der Vereinbarungen zum 31.12.2015 ihre Kündigung. 15 Beschäftigte sollen bis Ende März 2016 die Abwicklungs- und Aufräumarbeiten auf dem Gelände erledigen, das „veräußert“ werden soll, so die Ansage der Anteilseignerin. Die Auszubildenden im letzten Ausbildungsjahr können bis Januar 2016 ihre Ausbildung im Betrieb beenden. „Für die jungen Kollegen im 2. und 3. Ausbildungsjahr bemüht sich die IG Metall um neue Stellen in der Region“, erläutert Clarissa Bader, die nicht zuletzt aus ihren Erfahrungen bei Jeco und jetzt Quint erst für die „Ausweitung der wirtschaftlichen Mitbestimmung“ für Betriebsräte plädiert.

Foto: Beschäftigte der Qint GmbH vor Hüttenmuseum in Hattingen – Foto: IGM GH-Archiv

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