„Nie mehr schweigen, wenn Unrecht geschieht“

Esther Bejarano: Antifaschistin und Auschwitz-Überlebende verstorben
Esther Bejarano, die Überlebende des KZ Auschwitz-Birkenau, aktive Antifaschistin, Ehrenvorsitzende der VVN-BdA und Vorsitzende des Auschwitz-Komitees Deutschland wurde 96 Jahre alt. Sie war eine Frau, die Kraft und Stärke ausstrahlte, ein Mensch, der nie ans Aufgeben dachte, sondern ans Überleben, ans Weitermachen. „Ich muss was bewirken und wenn ich es mit meiner Musik tun kann, das macht mich glücklich“, beschrieb Bejarano ihren Antrieb, auch im hohen Alter noch auf der Bühne zu stehen. Es war Kutlu Yurtseven von der Rap-Gruppe „Microphone Mafia“ aus Köln, der sie für das gemeinsame Musikprojekt gewinnen konnte: Tradition traf Moderne, Folklore traf Rap, Hamburg traf Köln, Spannung traf auf Harmonie, Herz traf Verstand. Die Gewerkschafter*innen in der Region konnten dies live vor einigen Jahren bei einem gemeinsamen Konzert in Gevelsberg erleben.
Die geborene Esther Loewy aus Saarlouis, Tochter eines jüdischen Kantors, war 16 Jahre alt, als ihre geplante Ausreise nach Palästina scheiterte, und sie Zwangsarbeiterin in Brandenburg wurde. Zwei Jahre später, 1943, wurde sie von den Nazis nach Auschwitz deportiert. 41948 – diese fünf Ziffern wurden der damals 18-jährigen im Konzentrationslager Auschwitz in den Arm geritzt. Sie sollten ihr Leben prägen.
Esther Bejarano überlebte als Akkordeonspielerin im „Mädchenorchester“, kam ins KZ Ravensbrück, wo sie unter menschenverachtenden Bedingungen Zwangsarbeit für Siemens erledigen musste, schließlich konnte sie von einem Todesmarsch fliehen.
Es war ihr eiserner Überlebenswille, der Esther Bejarano Todeslager und Todesmarsch überstehen ließ. Sie wollte sich an den Faschisten rächen, indem sie überlebt. Das tat sie nicht mit Gewalt, sondern mit Musik. Diese „Rache“, eine musikalische Botschaft gegen das Vergessen, wurde eine Lebensaufgabe. Bejarano wurde eine wichtige politische Stimme gegen Antisemitismus, Krieg und Faschismus.
Der 8. Mai 1945 war ein wichtiges Datum in ihrem Leben: An diesem Tag wurde die Menschheit von der Geißel des deutschen Faschismus befreit. Esther Bejarano: „Ich sage deshalb des ‚deutschen Faschismus‘, weil er das grausamste System war, das die menschliche Gesellschaft je hervor gebracht hat – geprägt durch den extremen Antisemitismus. Kein anderer Faschismus hat ‚Rassentheorien‘ entwickelt und ‚Rassengesetze‘ erlassen.“
„Wir überleben trotzdem. Wir sind da!“
Die Antifaschistin kämpfte lange dafür, den 8. Mai zum Gedenktag zu machen. 2020 startete sie eine Petition, die von über 150.000 Menschen unterzeichnet worden ist, in der sie forderte: Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. „Das ist überfällig“, hieß es in ihrem „Offenen Brief“ an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der Tag des Sieges über den Faschismus, des größten Zivilisationsbruchs in der Menschheitsgeschichte sollte jedoch nicht nur ein Tag des Gedenkens, sondern auch des Nachdenkens „über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit“ sein. Es sei für die Überlebenden unerträglich, „wenn heute wieder Naziparolen gebrüllt werden, wenn Menschen durch die Straßen gejagt und bedroht werden, wenn Todeslisten kursieren«, schrieb Bejarano.
„Wir überleben trotzdem. Wir sind da!“ sagte Esther Bejarano während ihres Konzerts in Gevelsberg. Bei all ihren Auftritten zog sie immer wieder Analogien zur AfD, zum rechten Terror, zu den Verbrechen des NSU. Sie trat auf Demonstrationen, Gedenkveranstaltungen, in Schulen auf und wurde nicht müde, ihre Stimme gegen rechts zu erheben. „Ich habe mich daran gewöhnt, dass die Menschen von mir wissen wollen, was damals geschehen ist. Und ich sehe darin auch einen Sinn. Ich mache es nicht, weil ich meine Geschichte erzählen will, sondern damit diese Geschichte nie wieder passiert.“
Ihre mutige Stimme ist nun für immer verstummt, sie wird fehlen. Es liegt jetzt an uns Gewerkschafter*innen, ihre Geschichte weiterzuerzählen, ihren Auftrag zu erfüllen: „Nie mehr schweigen, wenn Unrecht geschieht. Seid solidarisch! Helft einander! Achtet auf die Schwächsten! Bleibt mutig! Ich vertraue auf die Jugend, ich vertraue auf euch! Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!“