AktuellesArtikelPolitisches

Rechte Hetzkampagne

AfD, BILD und Union: Rechtes Bündnis gegen Nancy Faeser und die VVN/BdA

Nancy Faeser hat im vergangenen Jahr einen treffenden Artikel darüber geschrieben, wie wichtig der Kampf gegen rechtes Gedankengut, rechte Drohungen und rechte Gewalt ist. Nachdem die heutige Bundesinnenministerin zwei Drohbriefe mit der Unterschrift „NSU 2.0″ erhalten hatte[1], schrieb die damalige hessische SPD-Fraktionschefin in einem Gastbeitrag für das Magazin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA): „Der Kampf gegen Faschismus und Rechtsextremismus, gegen Rassismus und völkische Ideologien gehört zur politischen DNA meiner Partei, der SPD. Er gehört zu meiner politischen Arbeit als Mitglied des Hessischen Landtags. Und er muss zum Alltag jedes Demokraten und jeder Demokratin gehören, weil Freiheit und Demokratie jeden Tag aufs Neue gegen ihre Feinde verteidigt werden müssen.“  

Es war die rechte Zeitung Junge Freiheit, die mit ihrer Story „Nancy Faeser und die ‚Antifa‘“ die rechte Hetz- Kampagnen lostrat. Faeser, so das „Sprachrohr der radikal-nationalistischen Opposition“ (Bundeszentrale für politische Bildung) habe mit ihrem Beitrag bei der VNN-BdA ihre Zugehörigkeit zu Linksradikalen gezeigt. Antifa stehe „heutzutage vor allem für den gewaltbereite und militanten Arm des Linksextremismus“; antifa sei aber auch der Name der Verbandszeitschrift der VVN-BdA.

Einige Tage später legten die Boulevardzeitung BILD und Die Welt aus dem Hause Springer nach. Faeser habe ein „Abgrenzungsproblem“. Sie habe für ein „verfassungsfeindliches Blatt“ geschrieben. Welch ein Unsinn: Mit der autonomen Antifa und schwarzen Kapuzenpullis hat die VVN-BdA nichts gemein. Ehrenvorsitzende des Verbandes war bis zu ihrem Tod die weltweit geachtete Überlebende des Vernichtungslagers Ausschwitz, Esther Bejarano. Diese  Schmutz-Kampagne belegt, wie wichtig ihre Warnung ist.

Ohne Skrupel verbrüderten sich CDU/CSU-Politiker mit dem rechten Kampfblatt und BILD sowie der völkisch-nationalistischen AfD. Matthias Hauer (CDU) twitterte: „Eine Bundesinnenministerin, die noch vor einem halben Jahr einen Gastbeitrag für ein Linksextremisten-Blatt geschrieben hat, hat sich für ihr Amt völlig disqualifiziert. Während der CDU-Innenpolitiker Christoph de Vries in BILD schäumte „Die SPD ist auf dem linken Auge weitgehend blind“, verlangte Stephan Mayer (CSU) „eine rasche Entschuldigung“ der Ministerin und die Rücknahme ihres Beitrags.

Und der stellvertretende Bundessprecher der AfD, Stefan Brandner, der wegen Beschimpfungen und antisemitischer Ausfälle als Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundestags abgelöst wurde, forderte die Entlassung von Faeser durch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Sie sei „untragbar“. Teile der Union finden sich nicht zum ersten Mal im Einklang mit der AfD. Der nach rechts abgedriftete Ex-Verfassungsschutzpräsident, Georg Maaßen (CDU),  lässt grüßen. Erst jüngst hatte Der Spiegel aufgedeckt, wie Maaßen während seiner Amtszeit die Gefahren von rechts ignorierte und die Beobachtung der AfD durch den Inlandsgeheimdienst ausbremste.

Die Kritik des rechten Bündnisses arbeitet sich nicht inhaltlich an Faesers Beitrag, den NSU-Drohbriefen und dem notwendigen Kampf gegen Faschismus und Rechtsextremismus ab, sondern an dem Ort wo die Veröffentlichung erschien. Ein „verfassungsfeindliches Blatt“ sei das, keifte die BILD am Sonntag online und zitierte aus dem bayerischen Verfassungsschutzbericht. Verschwieg jedoch dabei, dass das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz als einzige Behörde die antifaschistische Vereinigung in seinem Jahresbericht als „linksextremistisch“ brandmarkt. Das heißt: Der eigentliche Skandal ist diese denunziatorische Wertung und die Überwachung von überlebenden politischen Häftlingen in Konzentrationslagern der Faschisten und nicht der Beitrag Faesers in Antifa.

Zur Erinnerung: Die Verfolgten des Naziregimes schlossen sich auf der 1. Interzonalen Länderkonferenz im März 1947 in Frankfurt am Main zur gesamtdeutschen VVN zusammen, Der Verband war von Anfang an ein parteiübergreifendes Bündnis von Kommunisten, Sozialdemokraten, Christdemokraten sowie Vertreter*innen jüdischen und christlichen Glaubens. Also von Menschen, die Widerstand gegen das Naziregime geleistet hatten, die die Konzentrationslager überlebten oder emigriert waren, um der Verfolgung durch das NS-Regime zu entkommen.

Anfang der 1970er-Jahre, im Zuge der Studentenproteste, erweiterte sich die Vereinigung in der Bundesrepublik um den Bund der Antifaschisten, in dem nun auch junge Leute Mitglied werden konnten, die sich dem Anliegen der Verfolgten und KZ-Überlebenden verbunden fühlten. Im Jahr 2000 definierte sich der Verband explizit als „pluralistisch zusammengesetzte Bündnisorganisation von Antifaschisten unterschiedlicher Herkunft und Auffassung“.

Im November 2019 hat das Berliner Finanzamt für Körperschaften der VVN-BdA den Status der Gemeinnützigkeit aberkannt. Auch diese Behörde argumentierte mit dem diffamierenden bayerischen Verfassungsschutzbericht.  Doch nach massiven Protesten von Gewerkschaften, Sozialverbänden, jüdischen Gemeinden, Politiker*innen der SPD, Grünen und der Linkspartei sowie eidesstattlichen Erklärungen der VVN-BdA-Organisationsspitze, wonach sie sich der parlamentarischen Demokratie verpflichtet fühle, hob das Finanzamt die Entscheidung im April 2021 wieder auf. Die Berliner Behörde befand die eidesstattliche Erklärung nach eingehender Prüfung für plausibel und sah die Behauptung des bayerischen Verfassungsschutzes als „widerlegt“ an.

Die VVN-BdA war und ist eine wichtige Stimme gegen das Vergessen, für Erinnerungsarbeit, gegen alte und neue Nazis. Nancy Faeser schrieb in ihrem lesenswerten Beitrag in Antifa: „Ohne das Internet als globale Radikalisierungsmaschinerie ist der erstarkende Rechtsextremismus des 21. Jahrhunderts nicht denkbar. Das ist eine erschütternde Erkenntnis, die uns aber umso mehr anspornen muss, gegen rechtes Gedankengut, rechte Drohungen und rechte Gewalt aufzustehen. Jeden Tag und an jedem Ort.“

Ich denke, das muss auch für uns Gewerkschafter*innen eine Verpflichtung sein, in der Tradition des „Schwurs von Buchenwald“: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Kommentar von Otto König


[1] Zwischen August 2018 und März 2021 verschickten Unbekannte mindestens 133 Drohschreiben mit der Unterschrift „NSU 2.0“.

Weitere Artikel

Back to top button
Close