Arbeitswelt

Rechtstipp Corona-Pandemie: Betriebsrat bestimmt beim Arbeitsschutz mit

Foto: Thomas Range
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Aktuell werden viele Beschäftigte nach einer (teilweisen) Betriebsschließung wieder zur Aufnahme ihrer Tätigkeit in ihre Unternehmen zurück gerufen. Mehrere erstinstanzliche Entscheidungen verneinen, dass der Arbeitgeber in der Pandemie die Beschäftigten zur Arbeit heranziehen kann, ohne die Mitbestimmung im Arbeitsschutz, bei den Dienstplänen und bei der Umsetzung der Kurzarbeit zu beachten, was in einigen Betrieben passiert ist.

Arbeitgeber muss mit Betriebsrat verhandeln

Das Arbeitsgericht Neumünster hat topaktuell auf Antrag eines Betriebsrats in einem einstweiligen Verfügungsverfahren entschieden: Der Arbeitgeber darf Beschäftigte nicht zur Arbeitsleistung heranziehen, bevor eine Einigung mit dem Betriebsrat über die Dienstpläne (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG), über die Umsetzung der Kurzarbeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG), über die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) und über die zu ergreifenden Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) erzielt wurde. Deshalb wurde der Betrieb wieder geschlossen und der Arbeitgeber gezwungen, Verhandlungen mit dem Betriebsrat aufzunehmen.

Das Arbeitsgericht Neumünster hat wie die Arbeitsgerichte in Berlin und Stuttgart entschieden. Die Verletzung der Betriebsratsrechte im Arbeits- und Gesundheitsschutz hat zur Folge, dass einseitigen Maßnahmen des Arbeitgebers unterbunden werden.

Schutzmaßnahmen müssen vor Aufnahme der Tätigkeit vereinbart werden

Begründung: Das hohe Infektionsrisiko durch SARS-CoV-2 sei eine hohe Gefährdung der Gesundheit, die nur durch wirksame Schutzmaßnahmen gemindert werden kann und muss. Diese Maßnahmen sind vor Aufnahme der Tätigkeit der Beschäftigten mit dem Betriebsrat zu vereinbaren. Die Mitbestimmung leitet sich ab aus dem § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG in Verbindung mit dem § 3 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG): Danach besteht eine Handlungspflicht des Arbeitgebers, Maßnahmen zur Verhütung von Gesundheitsschäden zu ergreifen.

Eine derartige Handlungspflicht sah beispielsweise auch das Arbeitsgericht Berlin in seiner Entscheidung. Der Arbeitgeber hat vor der Aufnahme der Tätigkeit Gesundheitsschutzmaßnahmen zur Abwendung oder Minderung des Infektionsrisikos zu treffen. Damit der Arbeitsaufnahme die Infektionsgefahr unmittelbar besteht und der Zweck der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG dem Schutz der Gesundheit dient, muss der Betriebsrat diese Rechtsverletzung nicht hinnehmen; ein Abwarten bis zu einer Entscheidung in einer Einigungsstelle wäre nicht verhältnismäßig.

Betriebsratsrechte – stabilisierender Faktor

In einer Pandemie bestehen neben den typischen arbeitsbedingten Gefährdungen für die Gesundheit der Beschäftigten auch eine soziale Verunsicherung und Infektionsrisiken. Die Wahrnehmung der Beteiligungs- und Initiativrechte im Arbeits- und Gesundheitsschutz durch den Betriebsrat ist ein wichtiger stabilisierender Faktor. Zur Aufgabe des Betriebsrats gehört es, dafür zu sorgen, dass die von unterschiedlichen (staatlichen) Stellen (Robert Koch Institut, Berufsgenossenschaft usw.) empfohlenen Gesundheitsschutzmaßnahmen mitbestimmt und arbeitsschutzrechtlich wirkungsvoll umgesetzt werden. Übergeht der Arbeitgeber diese Rechte, kann er mit einer einstweiligen Verfügung gestoppt werden.

(Unter Verwendung eines von Manfred Wulff zur aktuellen Rechtsprechung, der als »Expertenrat« in der Ausgabe »Gute Arbeit« 6/2020 abgedruckt wird. Bund-Verlag)

Quelle

ArbG Neumünster 28.04.2020 – Aktenzeichen 4 BVGa 3a/20

ArbG Berlin 27.4.2020 – 46 AR 50030/20

ArbG Stuttgart 28.4.2020 – 3 BVGa 7/20)

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